Liebe Verlage,

Entschuldigung, wenn ich euch störe, liebe deutsche Krimiverlage. Ich weiß, ihr habt immer alle Hände voll zu tun. Der neue Südafrikakrimi… der neue Finanzhaiekrimi… der neue Moralkackselbstbespiegelungskrimi… aber auf ein Wort, liebe Krimiverlage: HIGGINS! George V. Higgins, kennt ihr nicht, aber toller Autor, mein Wort drauf. Wäre auch gerade frei, also rechtemäßig, wohlfeil, fünf Übersetzungen aus den Endachtzigern, den Anfangsneunzigern liegen vor, gar nicht mal schlecht. Hat Goldmann damals in Auftrag gegeben, na ja, war nicht so der Kassenbrüller, aber ihr macht das besser, ja?
Versucht’s einfach mal! Natürlich mit „Die Freunde von Eddie Coyle“ anfangen, nur bitte nicht in der Übersetzung von Ben Witter (Hoffmann & Campe 1973), das klingt – um mal einen Kollegen zu paraphrasieren – als wäre der Sprache der Gummizug ihrer Unterhose gerissen und sie würde jetzt tölpeln durch den Text storchen (okay, doofes Bild mit zwei Vögeln). Und nennt das Ding auch bitte nicht „Hübscher Abend bis jetzt“, sonst wünsch ich euch einen Albtraumabend ab jetzt! – Hm, oder lasst das Ganze einfach neu übersetzen, mir fällt da gerade ein guter Name ein, die kann das…

Okay, ihr fragt euch jetzt: Higgins? Nie gehört. Der ist nicht auf der Krimicouch verzeichnet (aber bald!), der steht auch nicht in diesem Wälzer von Jochen Schmidt, „Gangster Opfer Detektive“. Was bringt uns das also? 25 Prozent Eigenkapitalrendite? Hm, nope, das wohl nicht. Ihr könnt damit das Finanzamt düpieren, das garantiert, also wenn eurer Erfolgsautor, eure Erfolgsautorin mal wieder so prächtig in die Kasse geschissen hat, dass jede Menge Steuern fällig werden. Dann ist Higgins euer Mann! Der Mann schreibt so gut, der fährt jede Bilanz souverän in den Keller! Der Mann ist Stilist! Okay, das ist jetzt hart. Stilist? Das klingt wie katholischer Priester wird Oberaufseher im Knabeninternat. Ein Dialogist – klingt das besser? Na ja, ihr wisst nicht, was das ist, aber egal, ihr sollt die Texte ja auch nicht verstehen, ihr sollt sie nur verlegen. Zielgruppe? Denkende Menschen. Ach was, die lesen Krimis? Ist jetzt nicht wahr, oder? Doch, manchmal schon.

Higgins! Ein Authors‘ Author, das heißt: Wer selbst Krimis schreibt, schätzt ihn über alle Maßen – oder schreibt keine Krimis, sondern Lütteratur, wie ich mal wortspielen möchte. So Spannungskleinigkeiten, ne? Krimi ist Handwerk, aber kein Kunsthandwerk, Krimi ist Kunst, aber nicht die des Wiederkäuens, sonst hieße sie ja Kuhnst (um noch einmal vortzuspülen).

Hm, ja, überzeugt euch jetzt noch nicht so, oder? Bringt vielleicht Ruhm und Ehre, aber nicht Rahm und Euro. Nur: Quakt ihr nicht ständig, ihr wärt nebenbei so etwas wie die Gralshüter der Qualität? Die Fährmänner des Genies? Profitorientiert mit gelegentlichen Anwandlungen von Idealismus? Nicht gewillt, beim morgendlichen Blick in den Spiegel immer diesen Brechreiz… Falls ja: Higgins! George V., einfach mal versuchen! Zur Zeit nur antiquarisch etc. – ändert das! Es soll euer Schaden nicht sein. Ich werde die nächsten 50 Krimis aus eurem Hause euphorisch besprechen, ich kann das auch bei Mist, ich bin Profi. Ist das jetzt ein Angebot oder nicht?

7 Gedanken zu „Liebe Verlage,“

  1. Die Schote, wie ich damals (Ende der Achtziger) mit Higgins bei der Süddeutschen abgeblitzt bin, habe ich schon mal verbraten, oder?

    Mir kamen die Übersetzungen damals zu farblos vor. Ich hatte gezweifelt, ob sich’s überhaupt lohnt, die Goldmann-Ausgaben groß anzupreisen, weil Higgins in dieser Form nicht zünden kann.

    Vor ein paar Jahren habe ich aus Platzgründen viele Kisten alter Heyne-, Goldmann-, Ullstein- und Rororo-Krimis für den Tierschutz-Flohmarkt gespendet. Die Higgins-TBs blieben Halbjahr um Halbjahr als bad pennies in der Kiste liegen. Dürften mittlerweile – wohl überall – als unverkäuflicher Bodensatz im Müll gelandet sein.

    Sprich, ein neuer Verlag müsste keine antiquarische Konkurrenz fürchten.

  2. Die Schote, wie ich damals (Ende der Achtziger) mit Higgins bei der Süddeutschen abgeblitzt bin, habe ich schon mal verbraten, oder?

    Mir kamen die Übersetzungen damals zu farblos vor. Ich hatte gezweifelt, ob sich’s überhaupt lohnt, die Goldmann-Ausgaben groß anzupreisen, weil Higgins in dieser Form nicht zünden kann.

    Vor ein paar Jahren habe ich aus Platzgründen viele Kisten alter Heyne-, Goldmann-, Ullstein- und Rororo-Krimis für den Tierschutz-Flohmarkt gespendet. Die Higgins-TBs blieben Halbjahr um Halbjahr als bad pennies in der Kiste liegen. Dürften mittlerweile – wohl überall – als unverkäuflicher Bodensatz im Müll gelandet sein.

    Sprich, ein neuer Verlag müsste keine antiquarische Konkurrenz fürchten.

  3. Man findet auf dem Altpapiermarkt schon noch so einiges… Hm, die Übersetzungen. Die Goldmann’schen haben mich jetzt nicht so gestört, zumal ich die von Ben Witter als Vergleich habe. Und die ist wirklich hölzern. Dass gerade beim Dialogmeister Higgins, der mehr als jeder „Beschreiber“ von seinem Idiom lebt, einiges auf der Strecke bleibt – klar. 2012 sollte aber das Jahr werden, in dem Higgins einen neuen deutschen Verlag findet. Packen wirs an…

  4. Nee, Du musst schon ein bisschen Namedropping betreiben: Norman Mailer (!) hat ihn in die Nähe von Henry Green gerückt, John Grisham (!) empfiehlt ihm jeden angehenden Autoren (und das wollen ja jetzt alle irgendwie werden, nach dem Motto „Ich mach‘ was mit Schreiben“) und Dennis Lehane (!) hat das Vorwort zur aktuellen US-amerikanischen Ausgabe von „The Friends of Eddy Coyle“ geschrieben. Das sind doch Namen.
    Aber „author’s author“? Der Abtörner schlechthin.
    Ich glaube, dass wird nix mit Eddy & George. Schade.

  5. Nee, diese Trümpfe spiel ich erst später aus. Elmore Leonard wurde mal nach seinen zehn Lieblingskrimis gefragt – und hat nur EINEN genannt. Rate mal welchen… Scott Turow hat sich auch lobend geäußert. Und jetzt ich auch noch. Muss doch klappen…

  6. Wenn’s um „Kriminal-“ geht, ist das Bildungsniveau der meisten Deutschländler so unverwüstlich tv-induziert, dass schon beim Namen Higgins vermutlich 80% nur an Higgie-Baby auf Hawaii denken können. (Und Magnum ist ’n schnuckeliger Privatdetektiv mit Schnauzer daselbst, amen – allenfalls noch ’n Eis oder, für die Sportfernsehfreaks, was, womit sich bolidophile Spätpubertisten gegenseitig vollkleckern.)
    Ist doch kein Wunder, dass George V. bei deutschen Verlagen nicht über die Schwelle kommt. Und wenn er dann auch ein dialogmeisterlicher Stilist ist… Und nicht mal aus Südafrika! Oder wenigstens aus Berlin! Oder wenigstens weiblich! Oh Mann, dpr! Werd Banker, greif zwei, drei Boni ab und mach’n Verlag auf. Oder lies’n im Original.
    Glückauf – P.

  7. Oh Frau,Pieke! Ich glaube nicht, dass ich trotz Wirtschaftsabitur sehr viele Boni abgreifen würde… Das reicht nicht mal für Hawaii – okay, Schnauzer wäre kein Problem, knallebunte Hemdchen auch nicht. Wie heißt es so schön? Ich bin ein Erreger öffentlichen Ärgernisses, ganz im Kleinen jetzt und völlig idealistisch… also lasst euch erregen, Leute! Ich stell hier gleich mal was zur Übersetzungspraxis rein…

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