Sommerkrimi -1-

Leicht verdaulich sollen sie sein. Sonnentauglich und so vergänglich wie die Jahreszeit. Eine schöne Erinnerung, wenn es wieder kälter wird, mehr nicht. Sommerkrimis. Wir beginnen unsere kleine Urlaubsfahrt im aktuellen Russland.

Was man über „Blind ist die Nacht“ von Tatjana Ustinowa“ vorab wissen sollte, passt in einen Satz: Vor der Haustür der Moskauer Journalistin Kira Jatt wird ihr Chef erschossen aufgefunden. Alles andere folgt zwangsläufig: Kira gerät unter Verdacht, ihre Lage wird von Seite zu Seite heikler, falsche Spuren werden gelegt, Intrigen gesponnen, Missverständnisse provoziert und aufgeklärt – und das Ende ist so happy wie erwartet.

Na, nichts Besonderes. Oder doch? Der Roman spielt im Russland der Neureichen. Kira arbeitet beim Magazin „Der Moskauer“, ihr Ex-Mann Sergey, der die Rolle des Detektivs übernimmt, hat eine führende Position bei SONY. Naheliegend also, dass wir mit der Problematik von Pressefreiheit und Demokratie in Russland vertraut werden, einen Blick hinter die Kulissen des turbulenten, erst allmählich aus der Anarchie herauswachsenden Wirtschaftslebens werfen, kurz: Jenes Geheimnis „Neues Russland“ kennenlernen, das sich in unseren westeuropäischen Köpfen aus Mafia und alte Nomenklatura, ungehemmtem Kapitalismus und rigoroser Armut zusammengesetzt hat.

Aber nichts da. Tatjana Ustinowa hat uns aus diesem verwirrenden und gigantischen Körper Russland sehr präzise ein kleines Stück Privatleben herausgeschnitten: Die Geschichte von Kira, die in Bedrängnis geraten ist, ihrem Ex, der sie heraushauen will, um sie zurück zu gewinnen, und dem gemeinsamen Sohn, der die Anstrengungen des Vates und die anfängliche Abwehr der Mutter ängstlich und hoffend zugleich verfolgt.

Herausgekommen ist, wer hätte das gedacht, ein Whodunnit reinsten Wassers, der seinen Reiz aus der Dynamik der Liebes- und Leidensgeschichte zieht, einer heiter-ironisch erzählten Story, wie sie halt nicht nur in Russland spielen könnte. Leichte Kost, clever zubereitet, Bauchschmerzen ausgeschlossen.

dpr

Tatjana Ustinowa: Blind ist die Nacht. Wunderlich 2005, 19,90 €

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