Jenseits von Seite 200. „Die Schmidtin“, dubiose Zeugin, an der sich Opitz’sche Sprachgewalt verschwendet hat, ist in den Nebel der Geschichte zurück getreten, nicht ohne zuvor den heiß ersehnten Magister Tinius ans Messer geliefert zu haben.
Man hat sich eingelesen und Opitz sich eingeschrieben. Mit dem Erscheinen des Tinius schält sich eine Struktur heraus, die man vielleicht so verkürzen könnte: Die Ermittlungen und Verhöre einerseits (mit vielen Originaltextstellen aus den Protokollen bei gleichzeitiger Zügelung der Opitz-Marotten), die Suche nach den Akten und sonstigem Material, die Opitz bis nach New York führt.
Und mir wird immer unwohler dabei. Ich lese, ich nehme zur Kenntnis, ich weiß nicht, was mir der Autor sagen möchte. In Ordnung; ich bekomme serviert, was der Autor im nächsten Kapitel noch sucht. Er sucht, was er mir im nächsten Kapitel bearbeitet vorlegt. Und?
Lichtenbergs ewige Wahrheit von Kopf und Buch kommt mir in den Sinn. Prallt Opitzens Werk schlichtweg gegen den hohlen Schädel des Rezensenten? Werde ich mit einem künstlerischen System konfrontiert, das meine Rezeptoren zu erfassen und zu würdigen unfähig sind?
Das sind keine rhetorischen Fragen. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass ein Autor, der Jahre seines Lebens mit einem Text verbracht hat, ihn unter Schmerzen gebären und ernähren und erziehen musste, dass also dieser Autor tatsächlich wusste, was er tat. Dass er einen Plan hatte. Und dass es nun wirklich borniert wäre, einen solchen Text, indem man ihn einfach nur liest und nicht versteht, als „misslungen“ zu brandmarken.
Vielleicht bin ich hier auf ein Zeichensystem gestoßen, das mir bislang unbekannt ist. Ich kann es keinem der mir geläufigen zuordnen, es an keinem anderen messen. Und messe ich es an einem mir geläufigen, dann fällt mein Urteil eben negativ aus. Genau aus diesem Grunde lese ich: In der Hoffnung, auf solche Systeme zu stoßen, die mein eigenes Meßsystem in Frage stellen. Als Leser und Kritiker muss ich von vorne beginnen, ich muss Hypothesen formulieren und verifizieren. Bei Opitz etwa die:
Erste: Opitz erzählt mir etwas über die Dubiosität des Faktischen. Dass er das tut, ist offensichtlich, kann aber noch nicht alles gewesen sein.
Zweite: Opitz verknüpft, diese Dubiosität des Faktischen herausarbeitend, Vergangenheit und Gegenwart und hebt den Gegenstand somit ins Bedeutend-Allgemeine.
Dritte: Opitz, der kein Psychogramm des Tinius zu zeichnen beabsichtigt, versucht über den Umweg der eigenen Befindlichkeit das Psychogramm eines Menschentypus, des Bibliomanen, zu zeichnen. Dafür spricht einiges, etwa das plötzlich auftauchende „wir“ bei der Jagd nach den Akten. Opitz plus X. Eine konkrete, ihn begleitende Person scheint es nicht zu sein, dass Opitz hier den „pluralis majestetis“ verwendet, also „wir“ sagt und „ich“ meint, glaube ich auch nicht. Also: Dieses Wir steht für „die“ Bibliomanen und schließt natürlich auch Tinius mit ein.
Weiter formuliere ich diese Hypothesen noch nicht aus. Sie sind ein Gerüst, dessen Wahrhaftigkeit ich bei der weiteren Lektüre belegen möchte, ohne indes andere Möglichkeiten ganz aus dem Auge zu verlieren. Diese Phase nun ist die gefährlichste, denn möglicherweise lese ich den Roman jetzt so, wie ich glaube, dass er gedacht ist, und die Belege dafür habe ich vorher unbewusst im Text deponiert. Ich habe meine Brille auf und sehe nur, was ich sehen will. Obacht!
liebster herr, dies ist also opitzstunde drei. nummer eins habe ich auch schon gelesen. nur die numero zwei finde ich nicht im netz. (was sicher an meiner unbegabtheit im umgang mit diesem medium liegt.) für einen hinweis wäre ich ihnen dankbar.
nachtrag, auf einer seite, ich weiß nicht mehr genau wo, schimpfen sie mehr oder weniger unverblümt gegen die lobhudelnden Rezensenten von FAZ, MAZ, NZZ usw, die Opitz in den himmel heben, dabei zitieren sie auch eine mail von mir in liisas blog. sehr freundlich, ein wenig aber unfair, weil sie den anlaß meiner etwas boshaften mitteilung nicht mitliefern: eine frau also, der, wie sie selbst mehrfach betont, es im moment nicht gut geht, die offenbar schwerere probleme hat und darum, ja DARUM, so sagt sie es selbst, den opitz nur so schlecht bewerten kann.
Ob ich nun, wie sie sagen, versuche, opitz im stil zu immitieren und mir das nicht gelingt, sei dahingestellt. (ich habe im zusammenhang mit dem büchermörder auch opitz unglaubliches „klio, ein wirbel um l.“ nochmal gelesen und vielleicht ist da so manches abgefärbt – sorry.
soweit nur dieses. noch ein satz zur opitzstunde 1: sie schreiben, das sie nach 40 oder 50 seiten das prinzip von opitzens sprache durchschaut haben. aber bitte, was ist das für ein vorgang? wie durchschaut man eine sprache, erst recht opitzens? jedenfalls doll!!!
mit freundlichen grüßen der ihnen verbundene Dietrich Nicolai Uzinger
Wertester Herr Uzinger,
Stunde 2 finden Sie →hier. Zu Liisa: unfair? Waren doch Sie zuerst. Der armen Frau einen abgehauenen Kerl, einen Toten anzuspekulieren, das ist arg. Vielleicht hatte sie nur Zahnweh.
Sprache durchschaut? Da hat mich O. böse enttäuscht. Schwanz eingezogen. Wenn er wenigstens in Ehren an seinen Ambitionen zerschellt wäre! Na, das lesen Sie morgen. Und dann, in ein paar Tagen, die „offizielle Rezension“. Die sollten Sie nicht verpassen, Herr Opitz.
bye
dpr
Lieber Herr dpr,
daß Sie es waren, der Opitz beim Pokern die Bibliothek weggeschnappt hat, mag ich ja noch hinnehmen, aber daß ich Opitz bin – danke vielmals, doch jetzt übertreiben Sie ein wenig… Darüber will ich mit Vergnügen noch einmal nachdenken.
Ihr schön erheiterter Dietrich N. Uzinger oder Opitz oder wie Sie möchten.
Denken Sie ruhig mal drüber nach, werter Herr O…na, bleiben wir vorerst bei Uzinger, das klingt viel schöner nach 19. Jahrhundert. Sind Sie übrigens mit Friedrich Nicolai verwandt? Und das mit der Bibliothek war ein Reinfall – nix wie Massenware, aber was will man mit drei Königen auf der Hand auch schon anderes erwarten. Übrigens pokert Herr Opitz so wie er schreibt: Er blufft und verliert.
bye
dpr
Ach Sie drolliger Schelm, Sie. Also lassen Sie jetzt mal gucken, und wenns weiterhin so behagt und erheitert und schmeckt, dann schenk ich Ihnen, aber auch nur, damit Sie ein fesches ‚Neindanke‘ hinzu reichen können, noch ein paar Opitz-Sätze, wie sie im Buche stehen.
Ihnen untröstlich verbunden, verbleibe ich, „vorerst“, Ihr…, ach man traut sichs ja gar nicht mehr zu sagen: dnu. Und?
Und mit Friedrich Nicolai verwandt? Ich als Uzinger oder ich als Opitz? Und die, ich finde das ja auch: in ziemlich pupertärer Art versteckten Zitate Nicolais bei Uzinger, nein Potiz, nein Opitz – fand ich dann so an sich doch ganz neckisch, wie wir Opitzens und Uzingers und das ganze Gesocks aus Sachsen sagen, Sie, vermute ich mal, eher nicht…
Gegen Geschenke ist nie was einzuwenden. Ich schenk Ihnen ja schließlich auch noch eine Rezension, sagen wa ma nächste Woche, die langsame Folter ist ja bekanntlich die beste. Nee, Sachsen liegt mir fern, obwohl: Papa aus Magdeburg, da wirds schon wieder näher.
bye
dpr
Ach, aus Machdebursch; da brauch ich mich doch gar nicht zu wundern!!! / Sie wissen ja wohl, daß der Börde-Raum der mit dem unganenehmsten Menschenschlag in D-land ist, nirgendwo gibt es so viele böse, oder wie unser gemeinsamer Freund schreiben würde: böße Menschen. Der Börde folgt an Schlechtigkeit das thüringer Vogtland und gewisse Landstriche im Saarland – wenigsten darüber werde wir uns vielleicht einig sein. Fröhliche Ostern, Ihr dnu
(Und denken Sie immer daran, so mancher hat sich beim Foltern schon selbst verletzt, wovor ich Sie bewahren will, weil man allzu schnell Gefallen daran findet – am Selbstverletzen.)
Mit Ihrem Rassismus machen Sie sich hier aber keine Freunde, mein lieber Leser, dessen Name ich jetzt aber wirklich nicht mehr nennen möchte! Mit dem Saarland haben Sie natürlich recht, das stelle ich gar nicht in Abrede. Aber gleich neben dem Saarland liegt ein gaaaanzes großes Land, das ist noch viiiiel schlimmer! Saumagenfresser halt.
bye
dpr