Sie sind zweitklassige Gelegenheitsdiebe und träumen vom großen Coup. Als sich die Gelegenheit bietet, scheitern die beiden Cousins DeWayne und Leonard jedoch kläglich. Das Opfer, ein Bauunternehmer indianischer Herkunft verstirbt bei einem Handgemenge.
Sie können mit der bescheidenen Beute von 3000 $, Schwarzgeld zur Bezahlung hispanischer Arbeiter, flüchten. Der Sohn des Opfers auf ihren Fersen. Dieser, ein Psychopath und eine feste Größe der regionalen Drogenszene, will Blutrache und ist bereit alles zu tun um die Täter zu fangen. Einer der Täter ist auf Kaution frei und hatte einen Gerichtstermin ignoriert. „Bounty hunter“ (1) Jack Keller, der vom Mord an dem Bauunternehmer und seinen Folgen nichts ahnt, ist zur selben Zeit auf der Suche nach dem Flüchtigen.
Ein munteres Treiben beginnt, welches noch einmal an Dynamik gewinnt, als während der turbulenten Jagd ein Polizist (durch eigenen Fehler) erschossen wird und ein Kollege von ihm seinen privaten Feldzug eröffnet. In rascher Folge wird in „The Devils Right Hand“ von J.D. Rhoades die Perspektive gewechselt, so dass der Leser hautnah verfolgt kann, wie die Beteiligten sich zunehmend ineinander verknäulen. Fast wie im Theaterstück ist das. Eine Person betritt die Bühne, handelt und im nächsten Aufzug macht eine andere Person etwas, was dem Handeln der ersten zuwiderläuft.
Einen wahren Hexenkessel von Personen und Verwicklungen präsentiert der Autor dem Leser da, ohne dass Autor oder Leser dabei den Überblick verlieren. Unterhaltsam ist das und mit leichter Hand, unauffällig aber dienlich geschrieben. Wenn das Buch auch Spannung bietet, Prunkstück dieser Thrillerburleske ist sein Humor. Alle Szenen sind etwas absurd überzeichnet. Der politische Zeigefinger wird hier nicht demonstrativ erhoben; etwas das es dem Leser leicht macht zu übersehen, dass hier ein Autor schreibt, der seinen Blick fest auf die soziale Realität seiner Personen gerichtet hat.
Absurditäten weniger überdreht, politische Sachverhalte nicht so auffällig platziert, mit anderen Worten: Alles ist etwas „kleiner“ als bei Carl Hiaasen. Der Erstling des Autors geht als vergnüglicher Lesespaß durch, daran ändert auch die seelische Narbe Jack Kellers aus dem ersten Irak-Krieg nichts. Diese steht quer zum Humor des Buches und wirkt zu sehr als dramaturgischer Kniff. Wer den Sommer schon mal vorwegnehmen will und soziale Gegebenheiten nicht ganz ausblenden mag, hier ist die Lektüre dafür. Manko ist etwas, dass J.D. Rhoades den typischen Genrevorgaben, inklusive Liebesgeschichte, genau, sogar etwas zu genau folgt. Hier etwas mehr Eigenständigkeit und der sich auf seiner Homepage politisch-kämpferisch gebende Autor könnte uns noch mit sehr interessanten Büchern überraschen.
(1) In den USA werden Kautionen vor Gericht von speziellen Personen (sog. Bail Bondsman) ausgelegt. Damit diese Kautionen nicht verloren gehen, dürfen die „bondsman“, wenn die Angeklagten nicht rechtzeitig vor Gericht erscheinen, diese selber einfangen. Diese Arbeit lassen sie von „bounty hunters“ erledigen, welche weitreichende Rechte haben und z.B., anders als die Polizei, ohne Gerichtsbeschluss in das Haus des Gejagten eindringen dürfen (siehe → hier) – da „bondsman“ und „bounty hunter“ feste Bestandteile des amerikanischen Rechtsystems sind, wirkt „Kopfgeldjäger“ als eine etwas irreführende Übersetzung.
J.D. Rhoades: The Devil’s Right Hand.
St. Martin's Paperback 2006. 344 Seiten. 6,49 €
(noch keine deutsche Übersetzung)
das ist, lieber Bernd, schon bei Wikipedia ein bißchen mißverständlich: da der Bounty Hunter eine Privatperson ist, kann er natürlich in Ihr Haus kommen, aber nur, so lange Sie es ihm erlauben.
Wenn Sie ihn vor die Tür weisen und er geht nicht, dann haben Sie alle Rechte, bis hin zur Notwehr (das kommt auf das lokale Recht an). Im Prinzip sollten Sie den Eindringling durch die Polizei entfernen lassen. Und in der Tat: wenn der BH schon Ihre Adresse kennt, dann braucht er die nur dem Gericht zu melden, das Sie dann zwangsweise (und rechtmäßig) vorführen lassen wird — womit allen (außer Ihnen) gedient ist.
Schönes Beispiel für einen populären Mythos.
Grüße.
Hm, lieber JL, ich bin jetzt ein bisschen verunsichert. Darf ich z.B. als Rezensentenkopfjäger in fremde Blogs und Foren eindringen, um Leute abzuwerben, also quasi dingfest zu machen? Oder ist das schon strafbar?
bye
dpr
*noch nicht vorbestraft
na klar. Bloß, wenn dann der Watschnbaum umfällt, kann Ihnen keiner helfen (und sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt).
Watschnbaum? Die könnten handgreiflich werden? Lars von der Couch und Ludger vom Krimiblog? Diese Kolosse gegen mich armes, halbhemdiges Würmchen? – Nee, dann lass ichs lieber. Danke auch für den juristischen Rat.
bye
dpr
Lieber JL,
schwieriger Sachverhalt, deshalb beuge ich mich dem juristischen Sachverstand.
Und dennoch… das liest sich natürlich anders (Quelle siehe unten).
Die Freiheitsgrade des „bounty hunter“ unterscheiden sich wohl von Staat zu Staat erheblich [fast hätte ich gesagt, dass bei „innenpolitischen“ Fragen die Unterschiede zwischen den Staaten der USA größer sind als in der EU].
Der „bondsman“ tritt als Bürge auf, und damit er dieses tut, verzichtet der Angeklagte auf gewisse Rechte „A defendant does sign away certain rights giving the bail bond company the power to arrest at anytime“. Manche Bundesstaaten untersagen die Jagd, manche schränken die Rechte der „hunter“ mehr ein und andere weniger. Im Extremfall, so lese ich die unten angebene Quelle, scheint es tatsächlich so zu sein, dass ein Zugriff in der Wohnung des Gesuchten möglich ist „They may pursue him to another state; may arrest him on the Sabbath, and, if necessary, may break and enter his house for that purpose.“ [Taylor vs. Tainter]. So ist für Maine explizit angegeben, dass “The surety can forcibly enter the dwelling of the principal to apprehend him.”.
Auch erhält der „bounty hunter“ seine Provision nur, wenn er den Angeklagten in seinem Gewahrsam hat. Wenn die Polizei denjenigen „einfängt“ geht er leer aus. In einigen Bundesstaaten muss die Polizei den Zugriff vornehmen, dann muss der „bounty hunter“ die Polizei begleiten und den Angeklagten übernehmen.
Bessere Informationen über das Thema als bei Wikipedia erhält man, glaube ich hier und hier.
Beste Grüße
bernd
Lieber Bernd,
ich konnte wieder einmal mein Wasser nicht halten, weil ich den Eindruck hatte, daß allzu unbesorgt das Recht des Textes auf das umliegende, außerliterarische Recht bezogen wurde. Nu‘ hab‘ ich den Salat: Ich bezweifle nicht, daß es besondere Regeln gibt, trotzdem ist der zivilrechtliche Darlehensvertrag Rechtsgrundlage auch der Bürgschaft, in der wiederum spezielle Vereinbarungen getroffen werden können.
Bounty Hunter agieren also in einer Nische des (ohnehin) florierenden Inkassogeschäfts. Diese Nische war immer schon klein und schrumpft seit einigen Jahren noch.
Immer schon klein: die weitaus überwiegende Zahl der Strafverfahren werden, auch wenn schwere Strafen drohen, in den USA per ‚plae bargaining‘ erledigt. Da auch in den USA in den meisten Fällen die Grobsachverhalte unstrittig sind, haben sehr viele Täter ein Eigeninteresse daran, sich diesem Verfahren zur Verfügung zu halten. (Stellen Sie sich vor, sie würden dabei ertappt, wie sie bei Ihrem Konkurrenten gerade ohne Narkose das Skalpell ansetzen: womöglich würden Sie den Deal einer schnellen Verurteilung wg. Körperverletzung einem Verfahren wg. versuchter vorsätzlicher Tötung aus guten Gründen vorziehen …)
Außerdem laufen auch in den USA die meisten Verfahren gegen Menschen, denen niemand, auch gegen höchste Zinsen, einen Cent leihen würde.
Schrumpfen: seit einigen Jahrzehnten werden die Freilassungen auf Kaution von den Gerichten in den USA restriktiver gehandhabt (was kein Grund ist, sich um das Inkasso-Gewerbe Sorgen zu machen).
Unser Rechtswissen besteht zu einem großen Teil aus solchen Mythoiden, die mir auf einschlägigen Tagungen schon mehrfach um die Ohren gehauen wurden (vielleicht bin ich drum so empfindlich).
Grüße!
Lieber JL,
keine Frage, es gibt zu viele Mythoiden oder „urban legends“ (auch in der Biologie oder Medizin). Beim Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit bin ich also dabei.
Meine – flappsige – Bemerkung hatte ich deshalb geschrieben, weil es mich eigenartig berührt, dass Polizisten in den USA peinlich auf die Einhaltung des „Miranda-Codes“ usw. (!) achten und „bounty hunter“ unter bestimmten Bedingungen in seltenen Situationen in gewissen Bundesstaaten „Rechte“ haben, welche die Polizei qua Gesetzesauslegung nicht hat.
Noto bene:
1.J.D. Rhoades ist praktizierender Anwalt. Seine Darstellung des „bounty hunters“ dürfte also, trotz aller künstlerischer Freiheit einigermaßen korrekt sein.
2. Auch David Ellis ist Jurist. Sein unterhaltsames Buch Line of Vision thematisiert (erläutert) einige der typischen Prozeduren des Rechts der USA .
beste Grüße
bernd
* Ich Skalpell? Nie ? Nicht mal in der Küche !
Lieber Bernd,
Ihre Antwort ist so freundlich, und sie berührt meine Vorstellungen von (Krimi-)Realismus, daß ich nochmal den Hinternet-Server nutze (auf die Gefahr hin, daß dpr oder Mitty oder wer demnächst eine Gebührenrechnung schickt):
Zivilrechtlich ist es doch völlig normal, daß man dem Darlehensgeber Rechte einräumt, die die Polizei nicht (noch nicht) hat. Ich brauch‘ doch nur in den Hypotheken-/Grundschuldvertrag für meine Wohnung zu schauen … Das wäre der Dreh des Bounty Huntings: Man knebelt Leute, die in einer Notlage sind, und zwingt sie durch Vertrag, auf Rechte zu verzichten. Das Zivilrecht ist insofern viel flexibler als das Strafrecht (und die Sittenwidrigkeit greift als letzte Rettung von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich, wenn überhaupt).
Für mich ist das innertextuelle Recht (Strafrecht, Prozeßrecht etc.) ganz und gar unabhängig vom je außertextuellen Recht (vom ‚geltenden‘ Strafrecht, aber auch vom Recht in anderen Texten); es folgt der innertextuellen Logik der Plotkonstruktion, der Dramatisierung, der Plausiblitätskonstitution etc. „Line of Vision“ ist ein gutes Beispiel. Finge man an, die Handlung am geltenden US-Recht und an der Praxis der Gerichte zu messen, dann bräche sie in sich zusammen, schon weil der Verächtige in U-Haft säße. Ich glaube in der Tat, daß der Kriminalroman nur möglich ist, weil und wenn er ’sein eigenes Recht‘ setzt, das prinzipiell nur in der erzählten Welt gilt/Geltung beansprucht. (Das wäre übrigens nicht nur für Genre-Texte zu bedenken — und macht es so schwer, literarische Justizkritik zu definieren.)
Grüße!
Lieber JL,
„Zivilrechtlich ist es doch völlig normal, daß man dem Darlehensgeber Rechte einräumt, die die Polizei nicht (noch nicht) hat. Ich brauch‘ doch nur in den Hypotheken-/Grundschuldvertrag für meine Wohnung zu schauen … Das wäre der Dreh des Bounty Huntings: Man knebelt Leute, die in einer Notlage sind, und zwingt sie durch Vertrag, auf Rechte zu verzichten. “
Ja logisch, soweit. Aber meine Denkweise als juristischer Simpel ist folgende:
Wir sind es doch gewöhnt, dass die Vertragsfreiheit zweier Partner eingeschränkt ist. Jedes übergeordnete Recht und auch das Verfasungsrecht können hier einwirken. [Gerade das reformierte Schuldrecht im BGB ist ein Beispiel hierfür.] Ich denke, das wird in den USA grundsätzlich ähnlich sein, auch wenn offensichtlich de facto Einschränkungen im Vergleich zu Europa deutlich geringer sind.
Miranda z.B. wird als Folge des 5. Amendment gedeutet/angewendet. Die Unverletzlichkeit der Wohnung hätte ich als auch als Grundrecht gesehen und gedacht, dass es durch bilaterale Verträge nicht ausgehebelt werden kann.
Mit besten Grüßen
bernd
Lieber Bernd,
zum letzten Satz: sie schränken die Unverletztlichkeit der Wohnung schon ein, wenn Sie im Mietvertrag unterschreiben, daß der Vermieter (a) einen Wohnungsschlüssel behält, (b) die Wohnung x-mal im Jahr nach Voranmeldung besichtigen kann.
Es stimmt schon, daß Verträge nicht gegen die Verfassung bzw. Verfassungsgrundsätze verstoßen dürfen. (Das ist der Fall des Kannibalen: der Vertrag war von Anfang an nichtig, weil — bei uns! — das Verfügungsrecht über den eigenen Körper in bestimmter Weise eingeschränkt ist: da kann man sehr wohl anderer Meinung sein, trotzdem habe ich die Verteidigungsstrategie bis heut‘ nicht verstanden.) Es gibt im Grundrechtskatalog allenthalben Gesetzesvorbehalte — also die Möglichkeit, durch ‚untergeordnete‘ Gesetze einzuschränken.
Keinesfalls kann man im Verhältnis von Straf-/Strafprozeß und Zivilrecht von Über-/Unterordnung sprechen.
Und was die Einschränkung von Grundrechten durch sog. ‚einfache‘ Gesetze angeht: da gibt es m. W. eher riesige Unterschiede zwischen den Rechtskulturen (denken Sie nur daran, daß das Bettler-Verbot in einigen Städten der USA mit Verweis auf ‚Freedom of Expression‘ angegriffen wurde).
So viel für heute: Grüße.
Grüße!
Lieber JL,
„Für mich ist das innertextuelle Recht (Strafrecht, Prozeßrecht etc.) ganz und gar unabhängig vom je außertextuellen Recht (vom ‚geltenden‘ Strafrecht, aber auch vom Recht in anderen Texten)“
Interessante Frage natürlich und nicht nur in Bezug auf Recht. Hängt zusammen mit der Frage wieviel Realitätsbezug wir von einem Krimi fordern. Meine persönliche Antwort ist, kurz gesagt, dass ich erwarte, dass die in den Rückgriffen auf die Realität vorgenommen Annahmen (seien sie rechtlicher, kultureller oder methodischer Natur) zulässig (nicht: „denkbar“ und nicht: „wahrscheinlich“) sein müssen. Das Konzept der völligen Unabhängigkeit der „innertextuellen Realität“ von der „außertextuellen Realität“ ist mir zu willkürlich und gefällt mir (persönlich) nicht. Wir wissen natürlich beide, dass das Leben in aller Regel zu langweilig ist, um damit Krimis zu füllen. Also beruhen Krimis auf Zuspitzungen, aber alles andere finde ich problematisch.
Da ich davon mehr verstehe, nehmen wir beispielsweise Jeffery Deaver – Verallgemeinerungen sind erwünscht. Dieser lässt Lincoln Rhyme eine Vielzahl beeindruckend klingender modernster Diagnostikgeräte verwenden. Leider ist die Anwendung der Geräte vollkommen losgelöst von denen der Realität. Alles Blendwerk für den Unkundigen: Statt real klingender Geräte könnte er genauso gut fiktive Geräte verwenden. Die Folge: Die Informationen die Lincoln Rhyme sammelt, sind (über das literatureigene Maß hinaus) willkürlich. So etwas macht mir wenig Spaß. Damit wir uns nicht missverstehen, es ist OK, wenn die brillanten Techniker in den Büchern zu Ergebnissen kommen, zu denen die armen Techniker in der Realität nie gelangen würden – solange Schriftsteller die Grenzen ihrer eigenen methodischen Vorgaben ernst nehmen.
Mit besten Grüßen
bernd
Lieber dpr,
sollten Dein Mühen um den ultimativen Kirschkuchen Dir Zeit lassen, würde ich Dir gerne mitteilen, dass der – anscheinend – neue Spamfilter vermutlich dazu führt, dass meine Versuche, über HTML tags kursive Wörter in meinen Kommentaren einzufügen neuerdings (!) frustran sind.
Beste Grüße
bernd
Hm, ich nehme an, daran ist auch Ludger schuld. Aber Chef Walter, der für diese Sauerei ursächlich verantwortlich ist, wird sich gewiss baldigst darum kümmern. Bis dahin nicht mehr kursiv denken, dann muss man auch nicht kursiv schreiben! So. Und jetzt wieder an meinen Kirschkuchen…
bye
dpr
wer kriegt denn hier jetzt KIRSCHKUCHEN?
*wirft die arme hoch
Na, der liebe Bernd, wer denn sonst? Einmal im Jahr backe ich für alle Hinternet-Mitarbeiter einen Wunschkuchen. Walter bekommt meine legendäre „Krümeltorte“, Raphael einen „Pixelkuchen“, Bernd einen „Kirschkuchen mit ausgesuchten Viren“ usw. Wer für Hinternet arbeitet, hat mehr vom Leben!
bye
dpr