Nury Vittachi: Shanghai Dinner

Wer schon einmal einen weißen Elefanten durch Shanghai gerollt hat, weiß, was ihn bei Nury Vittachis „Shanghai Dinner“ erwartet. Wer eines der früheren Abenteuer des Fengshui-Detektivs C.F. Wong und seiner flippigen Teenie-Assistentin Joyce kennt, freut sich zudem auf neuen spaßigen clash of cultures. Ja, ganz recht: Das ist alles sehr witzig. Aber eben nicht alles.

Unseren Fengshui-Meister Wong hat es nach Shanghai verschlagen, wo er – man befindet sich immerhin in der boom town Chinas – gute Geschäfte zu machen gedenkt. Capitalism rules, der Verkehr ist chaotisch, die Abrissbirne allgegenwärtig und übermächtig, das Essen vorzüglich, wenn es beim Verzehr auch noch lebt, geradezu göttlich. Damit aber beginnen die Probleme.

Denn als Wong in auserlesener Runde die Gaumenfreuden der nicht gerade vom Tierschutz empfohlenen chinesischen Küche zelebriert, stört ein bewaffnetes Kommando radikaler Veganer das Idyll. Die ruppigen Gourmets werden von noch ruppigeren Tierschützern gekidnappt und sollen nun am eigenen Leib erfahren, wie es so ist, wenn man lebendig in einen Topf mit heißem Wasser geworfen wird. Dass auch Joyce, selbst Veganerin, unter die Opfer gerät, ist bedauerlicher Zufall.

Schön makaber, das Ganze, aber natürlich nur Auftakt weitaus wichtigerer Dinge. Denn Wong, das sagt uns der Untertitel des Romans, hat gefälligst die Welt zu retten, und da trifft es sich gut, dass die Veganer eigentlich gar keine Veganer sind, sondern politische Terroristen, und dass die Staatsoberhäupter von China und den USA just in Shanghai konferieren. Was jetzt der weiße Elefant damit zu tun hat, sei hier nicht verraten. Jedenfalls muss er sofort raus aus der Stadt, denn er ist gefährlich, gefährlich auch, dass einem chinesische und amerikanische Sicherheitsorgane auf den Fersen sind.

Damit könnte nun der nach gehobener Unterhaltung trachtende Leser hochzufrieden sein, wird ihm doch das Amüsement in diversen Spielarten launig formuliert dargeboten und lebt sogar noch, wenn man es verkonsumiert. Übertourter Slapstick, reizende Situationskomik, satirischer Splatterunsinn und, durchgängig wie immer, Meister Wong selbst in seiner Mischung aus fernöstlicher Weisheit zur Überwindung des Materiellen und schierer Geldgeilheit. Aufgelockert durch Teenie Joyces muntere Sprüche und Gedanken.

Aber da ist eben noch ein bisschen mehr. Da ist China, wie es sich an der Synthese von Marx und Manchesterkapitalismus versucht, da sind die neuen Reichen und schönen Jungen, die den Westen imitieren, da ist die Zerstörung der Kultur vor Ort und die Zerstörung der Kultur anderswo, bei den Uiguren beispielsweise, da ist also Unrecht, das durch Unrecht aus der Welt geschafft werden soll, da prallen Freiheitskampf und Durchgeknalltheit aufeinander, als hätten sie sich gesucht und könnten ohne das jeweils andere gar nicht sein.

Ganz entspannt jubelt uns Vittachi bei diesem „Shanghai Dinner“ die monströse Wirklichkeit unter. Sie ist, wie C.F. Wong, sehr schizophren und doch perfekt ausbalanciert. Der Witz braucht das Grauen und das Grauen den Witz, wer lacht, hat nicht nur mehr vom Leben, sondern erfährt auch mehr darüber. Jedenfalls bei Nury Vittachi, der wieder einmal die Welt vor den Griesgramen und Predigern gerettet hat

Nury Vittachi: Shanghai Dinner 
(Original: „The Shanghai Union of Industrial Mystics“, 2006),
deutsch von Ursula Ballin). Unionsverlag 2007. 317 Seiten. 19,90 €

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