The Shins: Wincing The Night Away

„Sea Legs“, verehrter Leser, hochgeehrte Leserin, ist ein Übersong!
Wer -wie ich- obsessiver Perlentaucher in der allzu oft allzu stillen See des gefühligen Indiepops ist, der wird auf „Wincing The Night Away“ durchaus fündig. Er darf nach schon sehr kurzem Tauchgang verzückt den Opener „Sleeping Lessons“ aufsammeln, er darf die erste Single des dritten Albums der Shins, „Phantom Limb“ behutsam in seinen Hüftbeutel tun, er darf am naiv-schönen „Red Rabbits“ nicht vorbei schweben, er greift bei „Turn On Me“ ebenso lustvoll zu wie bei der Indie-Akustikballade „A Comet Appears“ oder bei „Black Wave“, „Split Needles“ und „Girl Sailor“. Überhaupt hat das Album nur zwei Perlen, die dem hohen „Best Of“-Anspruch des erfahrenen Indiepopperlentauchers nicht ganz genügen: „Australia“ und „Pam Berry“ sind dennoch zwei Songs, die ein Stück über dem Durchschnitt liegen und daher weit weg von „unhörbar“ sind.

Aber dieses „Sea Legs“! Himmel! Was für eine unvergleichlich schöne Songperle. Ein lässiger HipHop-Beat paart sich zu Beginn mit einer Akkustikgitarre, dazu kommt James Mercers Morrissey-ähnliche Stimme, leichte Streicher hüllen den Song dann zusammen mit zeitweiliger Doppelstimmigkeit in diese abgehangen-melancholische Gewänder, die einem erst in fortgeschrittenem Alter so richtig gut stehen. Ein der wenigen Songs, die beweisen, dass Melancholie und Euphorie Zwillingsschwestern sind. Besser schaffen das zur Zeit nur Death Cab For Cutie, früher vielleicht Echo & The Bunnymen und die Smiths.

„Red Rabbits“ funktioniert ähnlich, hat nur etwas mehr Melancholie und etwas weniger Lässigkeit und basiert fast vollständig auf naiv-tröpfelnden Keyboard-Samples und Akustikriffs. Und dann immer wieder die zugängliche Stimme von James Mercer.

Schön auch, wie der Opener „Sleeping Lessons“ sich vom braven Unschuldslamm zum rebellischen Rockluder wandelt, freilich ohne jemals sein geschmeidiges Pop-Sex Appeal zu verlieren.

„Phantom Limb“ fuzzed uns dann etwas Sixties-like von der Seite an; aber auch hier gilt: alles ordnet sich Mercers Gesang unter, der -teils sogar Beach-Boys-like- stets in der Lage ist, auch allzu eckige Fuzzriffs beständig an ihre Popverpflichtungen zu erinnern.

Auch bei „Turn On Me“ -ähnlich wie bei allen anderen Songs- lassen die Stars des 80er-Britpops grüssen. Anspruchsvolle Hörbarkeit, pfiffige Leichtfüssigkeit, doppelbödige Arrangements und catchy melodies machen die Songs.

Das dritte Album der „Shins“, in Portland/Oregon wohnend und aus Albuquerque/New Mexico stammend, von Natalie Portman in „Garden State“, „New Slang“ vom ersten Album „Oh, Inverted World“ hörend, mit dem Spruch „This will change your life, I swear“ geadelt, ist ein Volltreffer.

Wunderschöne Indiepopssongs fast durchweg! Aber dieses „Sea Legs“, verehrter Leser, hochgeehrte Leserin, ist ein Übersong!

The Shins: Wincing The Night Away
Sub Pop/Cargo
VÖ: 26.1.2007

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