Am Donnerstag zieht es mich, wie jedes Jahr, für einen Tag aus der tiefen Provinz in die noch tiefere Metropole. Frankfurt! Am Main! Buchmesse! Mit Stullenpaket, Wechselsocken und Brustbeutel (90% aller Frankfurter sind Taschendiebe) werde ich die heiligen Hallen betreten – und mich im gleichen Moment fragen, warum ich mir das alles antue. Wegen der Bücher, du Idi!, schreit das Fräuleinchen Anobella jetzt, ich hörs mit sämtlichen inneren Ohren.
Doch das Entbehrlichste auf Buchmessen sind natürlich die Bücher. Hübsche Fototapeten („die kurfürstliche Bibliothek von Kleinfalkenau“) täten es auch und wären zudem billiger. Es gibt auch keine „Bücherratten“, die an Verlagsständen herumsitzen und sich „in Literatur versenken“, wie’s der nette Mann vom Feuilleton immer so ausdrückt. Das sind alles bezahlte Statisten, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels stets dann einsetzt, wenn sich eine Fernsehkamera nähert.
Fast genauso entbehrlich wie die Bücher sind die AutorInnen. Sie sitzen in den Kojen vor einem Glas Orangensaft und warten darauf, angesprochen zu werden. Spricht man sie aus Mitleid wirklich einmal an, fragen sie sofort: „Sind Sie von der FAZ oder kommen Sie von ARTE oder gehören Sie auch zum ITZEHOER VOLKSBOTEN wie der Typ, der eben hier war?“ Eine Antwort kann man sich sparen. Man muss den AutorInnen nur ein Mikrophon – kann auch eine Banane sein – vor den Mund halten, schon sind sie selig und beginnen mit der Bescheidenheitsnummer, die ihnen ihr Verleger eingebleut hat. „Ich bin ja NUR ein Krimiautor…Bottini ist ja so viel besser, ein richtiger Dichter fast…aber ich verkaufe mehr Bücher als der…völlig ungerechterweise, versteht sich…ich schreibe ja nur aus Spaß an der Freud…aber neulich, bei der Lesung in Bamburg, hat einer gar nicht verstanden, warum ich immer noch nicht den Büchnerpreis…uswusf“.
Nein, am wichtigsten sind die Kontakte, die man auf Buchmessen pflegen kann. Es sind nämlich alle da, weshalb als bekanntestes geflügeltes Wort immer noch das von der „größten Arschlochdichte der Republik“ gilt. Und immer geht es um Geld. Mit der neuen, höchst erfreulich gefälschten Blogzugriffsstatistik stiefelt man von Verlag zu Verlag und begründet schwarz auf weiß, warum die Rezensionsgebühren schon wieder um 20% erhöht werden müssen und auch ein Verriss leider nicht mehr kostenlos geliefert werden kann. Auch Negativwerbung ist schließlich Werbung. Dabei hilft die schlichte, aber eindrucksvolle physische Präsenz sehr. Nehmen wir als Beispiel jene Wiesbadener Krimischaffende, der wir schon seit Jahren ihren Blog für’n Appel und’n Ei abluchsen wollen, die bei entsprechenden telefonischen Anfragen aber immer sofort den Hörer auflegt.
Auf der Messe entkommt sie mir nicht. Selbstverständlich ist auch sie auf die körperliche Konfrontation vorbereitet und hat sich mit allen Waffen des Weiblichen eingedeckt, also Ledermini, High Heels und Tränengasspray. Doch hat man sich selbst auf diese Attacke vorbereitet und morgens extra lange kalt geduscht, um der Erotik erfolgreich Paroli bieten zu können. Und am Ende kriegt man den Blog für’nen Fünfziger. Mein Wort drauf.
Jetzt, drei Tage vor meinem Frankfurt-Besuch, treiben mich drei Fragen um. Erstens: Was tragen die Mädels an den Ständen dieses Jahr? Wieder kurze Röcke und aufgeknöpfte Blusen oder geht der Trend heuer zum Hosenanzug, wie schon 1994? Zweitens: Wird trotz Rauchverbot in den Hallen wieder ordentlich gepafft werden? Und drittens, ganz wichtig: Komme ich überhaupt nach Frankfurt oder werde ich Opfer eines Bahnstreiks wie schon beinahe im Vorjahr?
Fazit: Frankfurter Buchmesse, das ist immer eine spannende Sache. Und, da sie überraschenderweise auch noch etwas mit Literatur zu tun haben soll, sogar gut fürs Image. „Ich war auf der Buchmesse“, das klingt fast so intellektuell wie „Ich hab gestern das Feuilleton der ZEIT gelesen, ohne dabei einzuschlafen“.
*dreht sich vor dem Spiegel
„Größten Arschlochdichte der Republik“. Ah, du warst noch nie auf der CeBIT.
Doch, war ich schon. Die wechseln sich mit der Dichte immer ab…
bye
dpr
Drei Fragen:
Wo liegt nochmal Bamburg?
Was trägst DU denn – außer Brustbeutel und Wechselsocken?
Wie fälscht Du Deine Blogstatistik?
Ludger
Drei Antworten:
1. Bamburg liegt zwischen Hamburg und Bamberg;
2. natürlich Businessanzug mit Krawatte;
3. mit TippEx;
bye
dpr