Kaum ist das „Krimijahrbuch 2007“ aus der SPIEGEL-Bestsellerliste verschwunden, rotiert man gedanklich auch schon um die Ernte für das nächste Kompendium. Besonders die Überblicksartikel verlangen gute Vorbereitung. Was aus dem deutschen und internationalen Krimischaffen verdient der Erwähnung? Und warum? Gibt es Trends?
Schaue ich auf meine diesjährige Leseliste, sehe ich nur einen Trend, der aber, genau betrachtet, wohl keiner ist: der triumphale Auftritt der Alten. Petros Markaris, John Harvey, Elmore Leonard, James Crumley, Rick DeMarinis, James Sallis … Gegenbeweise der These, auch im Krimigewerbe sei mit Jugendwahn eine Art Qualitätssteigerung zu erzielen. Dass Peter J. Kraus weiterhin von deutschen Verlagen ignoriert wird, sei zum wiederholten Male angeprangert. Und Willi Voss, der nach langen Jahren ein Comeback versucht, viel Glück gewünscht. Über den trotz allem weiterhin zu bejammernden Zustand des Nichtexistierens großer Namen des Hardboiled auf dem deutschen Krimimarkt wird Jochen König im KJB 2008 noch das Nötige zu sagen haben.
Beim Betrachten meiner Liste fällt mir weiterhin auf, wie viel schlechte bis mittelmäßige so genannte „historische Krimis“ ich dieses Jahr zu lesen gezwungen war (ist schließlich einer der Schwerpunkte des neuen Jahrbuches). Im Trend: die Jahre der Weimarer Republik. Hier einzig gelungen: Marek Krajewskis „Gespenster in Breslau“. Der Rest: ödes Faktenhubern im Gewand moderner 0815-Plots. Ebenfalls den Daumen nach oben für Dieter Kühns „Geheimagent Marlowe“ und, auch hier wiederhole ich mich gerne, Jens Luckwaldts nun endlich in einem „richtigen Verlag“ (Bebra) aufgelegten „Tod in Arkadien“.
Dass letzterer fast völlig unbeachtet von der Kritik geblieben ist, mag ich hingegen nicht als einen „Trend“ sehen. Dennoch, ganz offen, ist er einer der Gründe für meine in diesem Jahr zu beobachtende schleichende Entfremdung von der KrimiWelt-Bestenliste. Auf der auch Mechtild Borrmanns hervorragendes „Morgen ist der Tag nach gestern“ nicht aufgetaucht ist. Ganz zu schweigen vom schon erwähnten Dieter Kühn oder Wolfgang Brenners „Bollinger und die Friseuse“. Stattdessen: die üblichen Verdächtigen, manchmal ein bemerkenswerter Debütroman wie „Grafeneck“ von Rainer Gross.
Das ist jetzt keine allgemeine Kritik an der Bestenliste, sondern die einfache Begründung, warum sie MICH momentan nicht mehr interessiert. Man darf das gerne anders sehen und wird es auch wohl. Ich hoffe auf ein anderes Urteil am Ende des nächsten Jahres.
Nun denn. Ich habe hinter jeden Titel auf meiner Liste ein Plus- oder ein Minuszeichen gesetzt (was das wohl bedeutet?) und siehe, es gibt weit mehr Plus als Minus. Auffallend ungnädig war ich mit den Elaboraten so genannter Hochliteraten wie Titus Keller oder Gert Heidenreich. Sehr angetan, wie so oft, von einigen Bänden der Metro-Reihe, die uns in diesem Jahr die gewiss schlechteste Nachricht lieferte. Es wird sie bald nicht mehr geben. Mit Pablo DeSantis und „Die sechste Laterne“ hat sie mir immerhin noch einmal meinen Krimi des Jahres beschert. Was aber die Tränen auch nicht zu trocknen vermag.
Lieber DPR! Aus der Stille meines Grabes ein klingendes ThankYou! „Solange sie von dir reden,“ sagte meine aus Ostpreussen stammende Oma Rosenberg mit rollendem R immer, „biste nich verjessen“.
Dafür, daß du von mir redest, selbst in Bielefeld, danke ich dir.
Peter
Hallo Peter Jott,
du glaubst gar nicht, wie hartnäckig ich sein kann! Ich schrecke im Dienste der guten Sache vor nichts zurück! Nicht mal vor Bielefeld. Und warum? Aus purem Eigennutz! Ich will endlich mal wieder einen Krimi vom most laidback (laidbäckigsten?) Erzähler lesen!
bye
dpr