Wie schon in den Vorjahren trafen sich auch in diesem Januar die Mitglieder des Verbandes deutscher Krimikritiker in Printmedien (VDK i.P.) zu einer Tagung im idyllischen Bad Boll, um neue Tendenzen ihres Gewerbes zu diskutieren.
In seinem wie immer launigen und doch selbstkritischen Eröffnungsreferat ließ der VDK i.P.-Vorsitzende, Herr Winfried Sägemeister-Ast, noch einmal das verflossene Jahr Revue passieren, welchem er sehr viel Positives ins Stammbuch schrieb. So sei die neue, vom ZDF dankenswerterweise ins Programm genommene „Krimi-Hitparade“ ein durchaus beachtlicher Erfolg, was nicht nur auf die stupende Qualität der dort vorgeführten Krimikritik zurückzuführen sei, sondern auch auf die Reaktivierung des legendären Moderators Dieter Thomas Heck. Auch der für Verbandsmitglieder zu moderaten Preisen angebotene Kursus „Deutsch für Krimikritiker“ erfreue sich zunehmender Beliebtheit. Allerdings, so goss Sägemeister-Ast einen bitteren Tropfen in den Riesling der guten Nachrichten, sei es auch 2009 keinem Krimikritiker gelungen, auch nur eine einzige Krimiautorin ins Bett zu loben. Er, Sägemeister-Ast, führe dies zum einen auf die bekannte Frigidität und Neigung zum Sapphoismus der Autorinnen zurück, zum anderen darauf, dass das Kritisieren von Krimis wohl das Gehirn durchblute, jedoch auf Kosten der sonstigen Schwellkörper.
Im nun folgenden Grundsatzreferat von Samson A. Lustenberger wurde an dieses jedem Krimikritiker in Printmedien bekannte und eher lästige Phänomen angeknüpft. „Die Rezension als Mittel zum Zweck zur Eigenstimulation spontaner Selbstbefriedigung“, so lautete, etwas sperrig, der Titel des interessanten Vortrages. Lustenberger erläuterte, warum die Verwendung besonders gelungener Formulierungen und rarer Fremdwörter beim Schreiben einen quasi sexuellen Impuls an die Schreibhand schicke, welche ihrerseits daraufhin in der Hose verschwinde. Dieses Phänomen des „einhändigen Rezensierens“ sei den meisten Kollegen und Kolleginnen wohlbekannt (hier brummte das Auditorium zustimmend), werde aber immer noch und völlig zu Unrecht tabuisiert. Lustenberger verwies darauf, dass schon Freud die Selbstbefriedigung beim Verwenden gelungener Formulierungen und Fremdwörter als „tantalusähnliches Sublimationsstimulans“ identifiziert und damit sozusagen zur allgemeinen Verwendung freigegeben habe. Mit einem zünftigen „sapienti sat!“ beendete Lustenberger seine interessante Rede und verschwand in Richtung Herrenklo.
Das zweite Referat widmete sich dem aufstrebenden panamesischen Kriminalroman. Bisher noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, entwickele sich in Panama eine sehr fruchtbare Krimiszene, erläuterte Szenekenner und Großkritiker Ludwig Beul. Bereits die Titel verwiesen auf den Hauptgegenstand des kriminalliterarischen Schaffens: „Bei Mord sind alle Schleusen offen“ oder „Pedro hat den Kanal voll“ oder „Wenn der Tod grausam dreidelt“. Gerade diese Hinwendung zum Panamakanal und seinem flowing weise neue Wege nicht nur für die Literatur, sondern auch für ihre in Rezensionen erfolgende kritische Aufbereitung. Das Flowing als neues Leitmotiv intellektueller Analyse, das Flowing vom Guten zum Bösen und vice versa, ein pars pro toto in nuce und nicht selten in effigie… hier musste, sorry to say, Beul seinen Vortrag leider kurzfristig beenden, da es auch ihn dem häufig frequentierten Herrenklo entgegen trieb.
Alles in allem eine wieder einmal sehr gelungene Veranstaltung, die beweist, wie nach wie vor vital sich die Krimikritik in Printmedien präsentiert. Vor der „digitalen Konkurrenz“, so Sägemeister-Ast in seinem Schlusswort, brauche man den Schwanz, so vorhanden, keineswegs einzuziehen. Immer noch gelte der alte Spruch Friedrich Schillers, Kritik solle kritisch sein und gleichzeitig mächtig Spaß machen. Das Auditorium erhob sich daraufhin zu stehendem Applaus.
(Wir danken dem Itzehoer Volksboten für die Abdruckgenehmigung dieses Erlebnisberichtes.)