Man könnte sagen, David Bowie habe einen weiteren Markstein seiner Karriere erreicht. Seinen ersten weltweiten Hit hatte er 1969 mit „Space Oddity“. Vierzehn Jahre später, 1983 veröffentlichte er sein letztes wirklich erfolgreiches Album, Let’s dance. Das war vor 14 Jahren, das heißt er ist jetzt genauso lange langweilig und bedeutungslos wie er vorher gut war.
Auf „Earthling“ setzt Bowie seine Gewohnheit fort, nach allem zu greifen, was wie der neueste Trend aussieht. Das funktionierte gut zu Zeiten, als er noch mit Eno (1977, Low) oder Nile Rodgers (1983, Let’s dance) zusammenarbeitete. Aber um heute hip zu sein, ist eine ganz andere Art von dancefloorkompatibler Musik gefragt und die einzige Qualifikation, die sein Mitstreiter Reeves Gabrels hat, ist, vor sechs Jahren mal eine EMF-Platte gehört zu haben. (Wann immer ein alter Sack wie Bowie versucht, sich modernistisch zu geben, klingt es bestenfalls nach EMF!).
Für Bowie und Gabrels ist diese neue Musik nichts als eine Möglichkeit, seine kraftlose Stimme und uninspiriertes Songwriting hinter Technik zu verbergen.
Das Album beginnt mit den rauh Rhythmen von „Little Wonder“. Von der ersten Textzeile an übernimmt sich Bowie mit der Stimme. Oft versucht er seine stimmlichen Mängel mit einem übertrieben Cockney-Akzent zu überspielen, der mich auf der Stelle nervt. Diese Mätzchen treibt Bowie auf fast jedem Album seit dem 84er Tonight. In den 70ern hatte er das noch nicht nötig.
Wenn er wenigstens etwas persönliches oder witziges zu sagen hätte, fielen die stimmlichen Schwächen nicht so ins Gewicht, oder besäßen sogar einen gewissen Charme. Aber mit Songs wie ‚Battle For Britain‘ und ‚I’m Afraid of Americans,‘ versucht Bowie, irgend eine unklare Botschaft zu vermitteln. Das ist ein anderes Problem Bowies, das bis zu Tin Machine Songs wie Crack City oder I Can’t Read zurückreicht.
Als er noch gut war, zu Zeiten von „Diamond Dogs“ oder „Five Years“, zelebrierte er den Niedergang der Gesellschaft . Jetzt versucht er uns Vorträge über unsere Fehler zu halten.
Es wird aber bald deutlich, daß Bowies größtes Problem Reeves Gabrels heißt. Der starke Teil der Tin Machine war ihre Rhythmusgruppe, Hunt und Tony Sales. Der schwache Teil war Gabrels, dessen Girarensounds wie Zahnarztbohrer klingen und der überhaupt kein Talent zum Songschreiben hat. Warum gibt Bowie diesem Kerl nur so viel Kontrolle über sein musikalisches Schicksal?
Gabrels ist Mitautor bei sieben der neun Titel, trotzdem klingen sie nicht, als seien sie auf einer Gitarre komponiert worden. Das wäre in Ordnung, wenn „Earthling“ eine Dance Club Platte wäre. Aber wirkliche Dance Musik Künstler sind gesichtslose DJs, die 12 Stunden pro Nacht arbeiten und den Großteil ihrer Tantiemen an die Künstler abführen, die sie samplen oder neu abmischen.
Das will Bowie sicher nicht, er will weiter ein Popstar sein. Nur die harte Arbeit – Popsongs schreiben und singen – die will er nicht mehr machen. Oder, wahrscheinlicher, kann er nicht mehr.
David Bowie: Earthling (Virgin Records)