Lucinda Williams: Car wheels on a gravel road

Tja, was soll man dazu noch sagen – klasse Songs, tolle Stimme, superber Roots-Rock?!! Vielleicht, daß Lucinda Williams ein Meisterwerk vorgelegt hat, wie es einem nur jedes Schaltjahr mal unterkommt. Es rockt und kickasst, daß es nur so eine Freude ist. Allerdings weniger im brachialen als im klassischen Sinne: eben Roots-Rock mit dezenten Country- und Folk-Anklängen.

Auch wenn Miss Williams es nicht gerne hört und dem plumpen Schluß von ihrem Wohnort Nashville auf ihren musikalischen Stil mit leicht resignativer Ironie begegnet – die swingenden Rhythmen und das glasklare Gitarren-Gezupfe atmen sehr wohl Country-Flair. Und sie „westernt“ doch!!! Aber reiner Country ist es eben auch nicht. Wahrscheinlich bleibt es bei einer derart puristischen Kombination diverser Americana-Elemente einfach nicht aus, daß auch ein Hauch von Country in der Luft liegt…
Rund 25 Jahre ist Lucinda Williams nun im Geschäft, und gemessen daran ist sie relativ unbeachtet geblieben, obwohl sie 1994 mal einen Kompositions-Grammy bekommen hat. Aber für die Charts sind ihre Arrangements einfach zu bodenständig und zu „hand-made“ (im Gegensatz dazu geht Sheryl Crow schon als Hard-Rockerin durch…), anders als bei den Kolleginnen Singer-Songwriter sind ihre Songs straight und tough, nicht spröde, elegisch und verkünstelt; Dolly Parton und Tammy Wynette sind – pardon, so sehr ich beide auch auf ihre Weise schätze – verglichen mit Lucinda Williams einfach Tussis. Ihre eigene „mangelnde“ Medienpräsenz resultiert vermutlich daraus, daß sie Besseres zu tun hat, als im Business Klinken zu putzen oder mit einer Reihe illustrer Kollegen ins Bett zu steigen. So rotzig wie Alannis Morisette ist Lucinda Williams schon lange, aber – da wären wir wieder – musikalisch eben auch zu klassisch und handmade…

Bleibt noch die „Gegenüberstellung“ – wenn es überhaupt Sinn machte, zwei „Unvergleichlich“ zu vergleichen – mit Country-Ikone Emmylou Harris. Doch die ist halt noch einen Tick liebreizender als die zupackende Südstaatlerin Williams. Und zudem noch etwas umtriebiger: selbst wenn sie seit Ewigkeiten kein eigenes Album mehr veröffentlicht hat, jodelt sie mit schöner Regelmäßigkeit bei namhaften Standesgenossen im Background – unter anderem auch bei Lucinda Williams!!!

Ich komme mit den Jahren immer mehr zu der Ansicht, daß nichts so optimal eine weibliche Stimme in Szene setzt wie schöner Country-Roots – und Lucinda Williams bestätigt mich da einmal mehr. Sie klingt ein bißchen rauher als Kollegin Harris, aber nicht weniger schön!

Stilistisch geht alles vom Rocker mit mächtig Drive bis zur plätschernden Ballade, aber am tollsten sind ihre Rythm´n´Blues-Ausflüge!!! Die Frau hat´s voll drauf, und ihre Produzenten (unter anderem Steve Wynn) haben sich verdammt die Zähne an ihr ausgebissen, denn Lucinda Williams weiß, was sie will – auch wenn es die biblische Zeit von sieben Jahren gedauert hat, bis das Album draußen war. 1992 fingen die Aufnahmen an, dann ging Williams´ eigene Plattenfirma pleite, danach das Label von Rick Rubin, aber schließlich – die Sessions waren längst unter Dach und Fach – nahm sich Mercury des „Goldstücks“ an. Hat sich gelohnt – und auch ausgezahlt, immerhin kürte der amerikanische Rolling Stone das Werk zum „Album des Jahres“. Lucinda Williams scherts vermutlich einen Dreck, sie zieht derweil mit ihrer Band durch die Lande und verbreitet solch herrlichen Sound wie auf dem kleinen Silberling.

Im Umgang mit ihren Musikern pflegt sie vermutlich einen festen Griff und ein glückliches Händchen, denn die Arrangements sind zum Wegschmelzen schön. Meistens glasklar und auf den Punkt genau ausgefeilt, aber manchmal (Stichwort Rhythm´n´Blues…) auch richtig dreckig – klasse halt. Wie das ganze Album!!!

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