Gleich vorweg: Die Aussage des von mir hoch geschätzten und gern gelesenen Musikexpress-Autors Frank Sawatzki, die Howling Bells wären Teil des musikalischen Hauptstroms geworden, teile ich nicht. Es mag angehen, dass die Band seit dem 2006er Debut-Album „Howling Bells“ eine musikalische Entwicklung durchgemacht hat, in deren Folge ihre Songs geschmeidiger geworden sind. Gehörgängiger. More catchy. Und dennoch bewegt sich das, was die aus Australien stammenden und in London wohnenden vier Musiker an Songstruktur aufbauen, doch noch weit weg von der derzeit üblichen Radiotauglichkeit.
Es passt ganz gut sowohl in die Bio der Band als auch zur Wesensart der etwas holpernden, bisweilen im Beat trocken-harschen, der dunklen Seite der Indie-Achtziger zugewandten, bisweilen tief in die eigenen Klangräume abtriftenden Musik, dass das Label 4AD bereits beim Hören des ersten Songs die Sinne wahrscheinlich ausnahmslos aller im Indie Noir beheimateten Kritikerhirne besetzt.
Die Howling Bells passen gut in die Reihe der Urmütter dieser Art artifiziellen Kunstwerke von Bands, den Cocteau Twins, den Pale Saints, His Name Is Alive, den frühen Clan Of Xymox, Lush, den Red House Painters, Dead Can Dance oder This Mortal Coil, all jenen Bands mit dem sphärischen Songansatz und der Hand für die Entwürfe von großartigen Soundgemälden mit abgründiger Tiefe und anrührender Bedrohlichkeit, die sich ja auch in unwahrscheinlich prägender und fassungslos schöner Art und Weise in den 4AD-Covern niederschlug.
Und so wollte es das Schicksal von Juanita Stein (Gesang, Gitarre), Joel Stein (Gitarre), Brendan Picchio (Bass) und Glenn Moule (Schlagzeug), dass einer der ersten Briten, der den Aussies in England über den Weg lief, ausgerechnet Simon Raymonde war, Bassist der Cocteau Twins, der die Band dann auch für sein Label Bella Union signte.
Es folgten erfolgreiche Singles und das Album „Howling Bells“, das sich immerhin 25.000 mal verkaufte. Die Band bewegte sich in jenen Anfangsjahren im Spannungsfeld zwischen Labelmates wie My Latest Novel und The Dears und big Headlinern wie Coldplay, The Killers, Snow Patrol, Placebo oder The Futureheads, für die sie supporteten.
All diese Einflüsse, so scheint es, schlagen sich nun im neuen Album „Radio Wars“ nieder. Das Album schwingt zwischen polterndem Indie, sphärischem Triphop und eckigem Britpop und: es kann sich Gott sei Dank nicht entscheiden. Die scheppernden Drums erden die Songs, Juanita Stein -vom Timbre bisweilen an Alison Goldfrapp erinnernd- sorgt für ihre Leichtigkeit und den Drang zum Aufstieg, zur Höhe, zum Himmel. Selbiger ist freilich mit bedrohlichen Wolken behangen, von dramtischem Licht gezeichnet.
Den Howling Bells gelingt ein durchweg ergreifendes Album, aus dem die Songs „Cities Burning Down“, „It Ain´t You“, „Nightingale“, „Into The Chaos“, „Treasure Hunt“, „Digital Bells“ und das schmierende, schleppende, großartige „How Long“ wie Ikonen, wie großartige Monumente herausragen. Drama und Verzweiflung werden durch mehrstimmige Chorpassagen gezeichnet, die Band poltert sich durch große Dramen.
Ein großer Indie Noir-Höhepunkt mit Achtziger-Nostalgie-Elementen!
Howling Bells - Radio Wars
Independiente/PIAS/Rough Trade
VÖ: 27.2.2009