Stunde der Wahrheit

Ist Ihnen dieser Blog 1,02 Euro wert? Das möchte ich jetzt doch mal wissen. Seit 2005 gibt es WTD kostenlos, was auch so bleiben soll. Tausende von Artikeln, soeben wieder einer, siehe unten. Gleichzeitig habe ich bei Amazon →ein kleines E-Book veröffentlicht, dessen Inhalt in anderer Form ebenfalls kostenlos zugänglich ist. Aber das ist eine gute Gelegenheit, einmal festzustellen, was Ihnen dieser Blog wert ist. Kaufen Sie das E-Book und bekunden Sie damit: Yap, die siebenjährige Arbeit des Bloggers, dafür leg ich auch gerne mal bares Geld auf den Tisch! Ich jedenfalls bin mal gespannt, was jetzt passiert…

Diebsgesindel

Die Geschichte der Literatur ist die Geschichte der Urheberrechtsverletzungen. Ein Krimi ohne Täterfrage, denn Täter sind wir alle ausnahmslos. Keine Widerrede! Ja, auch SIE sind schuldig, SIE verstoßen permanent gegen das Urheberrecht, SIE sind ein Schwarzleser oder, noch schlimmer, ein brutaler Zuhälter wehrloser geistiger Ergüsse!

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Hier baut für Sie: George V. Higgins -1-

(Manchmal beschäftigt mich ein Autor über längere Zeit; man liest, man notiert, man nimmt sich etwas vor – und dann kommt etwas anderes und heischt Aufmerksamkeit. Damit mir nun aber George V. Higgins, der eines längeren Aufsatzes mehr als würdig ist, nicht entkommt, veröffentliche ich diese Arbeit in kleineren Häppchen. Unregelmäßig, aber ganz bestimmt…)

Hier baut für Sie: George V. Higgins

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Darüber, wo die besonderen Talente des George V. Higgins zu finden sind, herrscht seltene Einigkeit: Der Mann kann Dialoge schreiben. Er öffnet uns die Welt der mehr oder weniger kleinen Ganoven in their own words – indes ein Versprechen, dem ich instinktiv misstraue, es hat etwas von diesem mantrahaft formulierten „Dieser Mittelalterkrimi ist akribisch recherchiert“, als seien wir selbstverständlich alle Mittelalterexperten und eines entsprechenden Urteils fähig, als sei ein Higgins-Leser natürlicherweise ein Kleiner-Ganoven-Kenner, der des Meisters Sätze als „authentisch“ durchwinkt. Belassen wir es also vorläufig bei der Feststellung, Higgins‘ Stärke sei die Dialogform, denn damit attestieren wir ihm, den Dialog zu einem Konstruktionsprinzip gemacht zu haben, zu einem Baumuster, das die Statik der Texte unüblich und überraschend berechnet.

Nennen wir auch gleich die Schattenseite: den Spannungsaufbau. In ihrer Besprechung von The Mandeville Talent (Der Fall Mandeville) gesteht die Rezensentin Marylin Stasio (in: The New York Times vom 21.9.1991), bei der Lektüre sanft entschlummert zu sein. Der Anfang? Prima, auf den Punkt, ein Profikiller tut seinen Job. Aber dann. Ausufernde Dialoge, Abschweifungen, Schneckenwelt-Dramaturgie. „Like the crime, this heartless telling seemed purely a matter of business. . . .“ So etwas kann auch normal konditionierten Krimilesern nicht schmecken – und in Deutschland jedenfalls haben wohl viele Kunden die angebotene exotische Speise lustlos zerstochert in die Verlagsküche zurückgeschickt. Nicht nur in Deutschland. Higgins blieb nach dem Anfangserfolg von The Friends of Eddie Coyle (1972) „consistently underrated“ / „most underrated“ / „quite underrated“, ein klarer Fall von „Author’s Author“, was die leicht gesüßte Höchststrafe für erfolglose Autoren ist, trotz gutem Start, trotz Hollywood-Verfilmungen. Elmore Leonard nannte Eddie Coyle „the best crime novel ever written“ und lieh sich die beiden ersten Wörter des Romans – Jackie Brown – für eine eigene Figur. Als „Boston’s Balzac“ rühmt man ihn – nur, wer liest ihn heute noch – und warum sollte man es schleunigst tun?

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre brachte der Goldmann Verlag exakt eine Handvoll Higgins-Krimis auf den Markt, nachdem Hoffmann und Campe 1973 mit einer Übersetzung von Eddie Coyle vorgeprescht war, der man allerdings den dämlichen Titel Hübscher Abend bis jetzt verpasst hatte. Wie sich das alles verkaufte, lässt sich nicht mehr in Mark und Pfennig ausdrücken, dass es so toll nicht gewesen sein kann, verraten das abrupte Ende der Higgins-Edition und ihr rasches Verschwinden aus dem Backkatalog. Heißt: Wer heutzutage Higgins lesen will, muss beim Altpapier suchen. In Jochen Schmidts voluminöser Sammlung Gangster Opfer Detektive, laut Untertitel Eine Typengeschichte des Kriminalromans, wird Higgins mit keinem Wort erwähnt.

Biografische Notiz

George Vincent Higgins wird am 13. November 1939 in Brockton / Massachusetts geboren und stirbt am 6. November 1999 in Milton / Massachusetts, also wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag. Dazwischen studiert er Jura, treibt sich in allen möglichen Jobs herum, wird Staatsanwalt, widmet sich der Bekämpfung des organisierten Verbrechens, lässt sich 1973 als Rechtsanwalt nieder und verteidigt u.a. so gegensätzliche Figuren wie Eldridge Cleaver (eine Galionsfigur der Black-Panther-Bewegung) und G. Gordon Liddy (einer der Akteure im Watergate-Skandal). Außerdem ist er als Journalist tätig und unterrichtet an der Bostoner Uni, er leitet Schreibseminare. Seinem Debüt von 1972 folgen bis 2000 26 weitere Romane, die meisten davon Krimis, sowie Erzählbände, ein Buch über Richard Nixon, ein Buch über das Schreiben.

Dialogformen I

„I have been told often enough that I write the best dialog (…) that is being written. (…) Well it is not the most essential part of an author’s equipment. The basic, indispensable attribute of a novelist is the understanding of character and the ability to create characters. But I discovered when I was very young, before I was in my teens, that nothing could so quickly cast doubt on, an even destroy, an author’s characters as bad dialog. If the people did not talk right, they where not real people…“
(George V. Higgins, On Writing, S. 111/112)

Dialoge sind eine Kunst. Die naturgetreue Wiedergabe von Soziolekten etwa, die Spracheigenheiten bestimmter Gesellschafts- und Berufsgruppen, die Berücksichtigung psychologischer und handlungsbedingter Befindlichkeiten der Sprechenden… Wörtliche Rede als Werkzeug, Stilmittel, Kompass. Doch damit nicht genug. Sprechen bedeutet kommunizieren, das Personal des Textes untereinander, der Autor mit seiner Leserschaft. Sprechen als Transportmittel für Informationen und Strategien. Ja, Higgins hat Recht: Wenn mich die Dialoge nicht überzeugen, überzeugt mich der Rest wahrscheinlich auch nicht. „A man or woman who does not write good dialog is not a firstrate writer.“ (On Writing, S.112)

Higgins, der Dialogmeister also. Man denkt sofort an Higgins‘ tatsächlich vielgerühmte Kunst, die Sprache der kleinen Ganoven wiederzugeben, aber ihn darauf zu reduzieren wäre falsch. Diese Kunst reicht weit über diese „Authentizität“ hinaus. Ein Beispiel.

Das zweite Kapitel von Heißer Abriss (The Rat on Fire) führt uns in den Scandinavian Pastry Shop, einem Ort, der Name sagt es, an dem man bei nordischen Backwaren und einer Tasse Kaffee relaxen und Freunde treffen kann. Hier finden sich Leo Proctor und Bill Malatesta ein, sie führen eine Art Geschäftsgespräch, bei dem es darum geht, einen kleinen Versicherungsbetrug zu inszenieren, eine Brandstiftung. Kurz nach ihnen betreten zwei andere Männer den Shop, die Lastwagenfahrer Don und Mickey. Die Pärchen unterhalten sich. Proctor und Malatesta über missliebige Mieter und unnötige Kosten, Don und Mickey über eine Ladung tiefgefrorener Hühner, einen Kompressor, der Probleme macht, schließlich über eine Prostituierte. Man muss sich das so vorstellen, als ginge ein Mann mit einem Mikrophon zwischen den beiden Tischen hin und her, um jeweils eine Passage aufzuzeichnen, wieder zu wechseln, aufzuzeichnen, zu wechseln. An beiden Tischen wird über Arbeit gesprochen, überwiegend jedenfalls, miteinander zu tun hat das inhaltlich gar nichts. Was also bezweckt Higgins damit?

Wer nicht gerade mit The Rat on Fire seine Higgins-Lektüre beginnt, also Higgins-Dialog-geschult ist, merkt sofort, dass sich hier wiederholt, was sozusagen den Kern dieser Dialoge ausmacht. Menschen reden über ihren Job, ganz gleich, ob es sich dabei um einen legalen handelt oder ein Verbrechen. Es sind Alltagsgespräche. Sie finden an alltäglichen Orten statt, sie unterscheiden sich nicht durch so etwas wie eine konspirative Atmosphäre, sie schweifen ab, sie verdichten sich, sie verflachen, sie laufen schließlich aus. In dieser Szene jedoch steckt noch mehr, etwas, das sowohl mit dem Spannungsaufbau als auch mit dem allgemeinen Fortgang der Handlung zu tun hat, wovon aber der Leser noch nichts wissen kann. Er ahnt es allenfalls.

Das dritte Kapitel spielt ebenfalls im Scandinavian Pastry Shop. Es beginnt damit, dass Mickey bei Don eine Zigarette schnorren möchte, dieser aber keine dabei hat. Mickey steht auf und geht zu dem Tisch, an dem sich Malatesta und Proctor weiterhin unterhalten. Er bittet um eine Zigarette, er bekommt sie. Mickey stellt fest, dass er auch kein Feuer hat, Malatesta hilft mit einem Streichholz aus. Mickey geht zu seinem Tisch zurück, Malatesta und Proctor setzen ihr Gespräch fort, Malatesta macht Proctor nun den entscheidenden Vorschlag, er kommt also zum eigentlichen Gegenstand der Unterhaltung und dem Grund, warum man sich hier getroffen hat.

„Ich hab die Streichhölzer und das Wissen und ein Verfahren am Hals, das ich mir nicht leisten kann. Und ich hab Nigger in den Buden und krieg sie nicht raus. Und Fein (ein dubioser Anwalt, der Dritte im Bunde, Anm. d. V.) hat seine Lizenz und ist zugelassen. Und er hat auch Häuser mit Niggern drin, die er nicht rauskriegt. Aber Fein hat keine Streichhölzer.“

Es fällt sofort auf. Malatesta spricht von Streichhölzern, weil er soeben Mickey eins gegeben hat. Er benutzt ein Bild, das jeder versteht, er hätte auch ein anderes benutzen können, aber das mit Streichhölzern lag nun einmal auf der Hand. Selbst wenn Don und Mickey nun für immer aus dem Roman verschwinden sollten (sie tun es nicht, aber sie verschwinden aus dem dritten Kapitel, das nur die Unterhaltung von Malatesta und Proctor wiedergibt), es würde eine zwar vage, aber nicht unbedeutende Verbindung zwischen den beiden kommunzierenden Paaren geben, eine Alltagshandlung wiederum, eine Kleinigkeit, an die man sich normalerweise schnell nicht mehr erinnert. Die Verbindung zwischen Alltag und Verbrechen ist hergestellt.

Einmal auf dieser Spur, lohnt ein genauerer Blick auf das zweite Kapitel. Dort geht, wie gesagt, jemand mit einem Mikrophon zwischen den beiden Tischen hin und her. Mickey hat Probleme mit seinem Wagen. Er bringt ihn in die Werkstatt, geht ins Restaurant, trifft dort einen Mann, der ihn auffordert, mit ihm eine Prostituierte zu besuchen. Aber Mickey hat keine Zeit, kein Geld und außerdem verderbliche Ware geladen. „Nee, ich hab schon genug Scheiße am Hals.“

Mikroschwenk, Tisch Malatesta und Proctor. Proctor erzählt, warum er gerade Scheiße am Hals hat. Er hat einen Mann, den er auf einer Party kennengelernt hat, in seinem Auto mitgenommen, um ihn heimzufahren. Der Mann hat Proctur unvermittelt angegriffen, das Auto landet im Teich. Ein Cop erscheint, Proctor erzählt ihm eine Lügengeschichte von einem geplatzten Reifen. Die Reifen aber sind in Ordnung, so als käme der Wagen gerade aus der Werkstatt…

Nun gibt es natürlich auch ein erstes Kapitel in diesem Roman und dort sind wir Don und Mickey, den beiden Lastwagenfahrern, schon einmal begegnet. Nur waren sie da noch keine Lastwagenfahrer, sondern Polizisten, die sich über Brandstiftung im Allgemeinen und ein paar dazu tendierende Typen im Besonderen unterhalten. Dieses Wissen verändert einiges. Das Gespräch von Don und Mickey im Café ist eben NICHT authentisch, es ist Camouflage, eine Täuschung, wobei uns Higgins allerdings vorenthält, ob die Pärchen auch die Gespräche des jeweils anderen mithören können, diese Verstellung also gerechtfertigt ist. Dass Proctor und Malatasta versuchen, den Inhalt ihres Gesprächs für sich zu behalten, dürfte einleuchten. Genauso, dass Don und Mickey genau das Gegenteil beabsichtigen. Sie wollen als Lastwagenfahrer identifiziert werden und nicht als die Polizisten, die sie sind.

Versuchen wir, diese Analysefrüchte ein wenig zu ordnen, um die Struktur dieses Dialoges mit all seinen, auch inhaltlichen Konsequenzen zu durchschauen. Wir hören zwei Gespräche, die einander beeinflussen. Proctor und Malatesta nehmen Themen und Ausdrücke aus der Unterhaltung von Don und Mike auf, Don und Mike ihrerseits reden nur deshalb wie Lastwagenfahrer, weil sie genau wissen, dass Proctor und Malatesta über ein Verbrechen reden. Gegenstand der beiden Unterhaltungen ist überwiegend die Arbeit, alles klingt „authentisch“ und ist es doch keineswegs. Don und Mike verstellen sich, Proctor und Malatesta lassen sich von außen beeinflussen. Und eines ahnen wir jetzt schon: Wie immer die beiden Ganoven vorgehen werden, sie sind von Anfang an verloren, im Visier der Polizei, an den Fäden der Strafverfolgung. Hier verknüpft sich also alles zur Unentwirrbarkeit: Verbrechen und Alltag, die Authentizität und die Camouflage, die Souveränität eines Gesprächsgegenstands und seine immerwährende Manipulation, die Vorbereitung einer Tat und ihre Aufklärung. Ein dichter Teppich – aber nicht der einzige, mit dem der Dialogmeister Higgins literarischen Handel treibt.

Norbert Sahrhage: Blutiges Zeitspiel

sahrhage.jpgSollen wir’s kurz machen? Dieser Krimi ist nicht besser oder schlechter als viele andere auch. Es regionalt ein wenig (Bielefeld und Umgebung!), ein paar biedere Bullen grasen auf der schon arg gemähten Wiese des Polizeikrimis, es geht um Handball und Mord und, am Rande, auch um etwas ganz, ganz Schreckliches. Gelesen, vergessen. Sollen’s doch die Piraten ins Internet stellen und als Umsonstkultur verscherbeln. Aber etwas bleibt haften. Nichts Gutes. Nein, diesmal nicht die Sprache, über die wollen wir gnädig hinweglesen. Es ist etwas anderes, nennen wir es einmal: den Ton.

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Erklärung der deutschen Krimiautorinnen und -autoren

Zunächst einmal bitten wir um Nachsicht. Wir sind Autorinnen und Autoren, das heißt: wir schreiben, das Lesen ist nicht unsere Stärke, dafür sind die EndverbraucherInnen unserer Werke zuständig. Auch das wirkliche Leben interessiert uns eher weniger, was nicht verwundern sollte, tummeln wir uns doch bevorzugt im Kitsch eines Genres, von dem wir nicht wissen, wie es entstanden ist. Doch hat man uns neulich von bösen Menschen erzählt, die uns bestehlen wollen, so wie früher die Piraten auf dem Meer Handelsschiffe überfielen und ausraubten und das hat etwas mit Internet zu tun, aber sorry, davon verstehen wir auch ziemlich wenig, aber unser Verlag hat uns gesagt, wir sollen uns eine Homepage machen und bei Facebook vorbeischauen, das wäre gut für den Abverkauf.

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Induktion, Deduktion

rohmkiller.jpgKeine Rezension. Nicht dass mich Guido Rohms „Die Sorgen der Killer“ sprachlos gemacht hätte. Das schafft nur das unterirdisch Schlechte, das Schriftstehlerische, das also, dem das fehlt, was Rohms 13 Erzählungen allemal bieten: die Prägnanz der Sätze, die Unmittelbarkeit, mit der das Ungeheuerliche neben dem beiläufig Alltäglichen erzählt wird, das gut gefüllte stilistische Arsenal des Autors, das es ihm auch erlaubt, eine Geschichte in einem einzigen, seitenlangen Satz zu erzählen, ohne dass der innere Geschmackstaxameter auf „Manierismus!“ pegelt. All das steckt in den Erzählungen wie zuvor schon in den Romanen Guido Rohms, auch Humor, der nicht zum Lachen ist und das Tragische, das natürlich zum Lachen ist. Nennen wir das ruhig einmal die Dialektik des Seins, gar nicht philosophisch, einfach nur beobachtend, in Wörter kondensiert, aufgeschrieben.

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Wolfgang Burger: Die falsche Frau

burger.jpg Ein Heidelberger Polizeikrimi. Muss das sein? Wo sich Regionalität und Beamtentum paaren, da erblickt Langeweile das Licht der Welt. Verkauft sich natürlich gut, traurig genug, Autorinnen und Autoren nehmen aber in Kauf, sich in einem Panoptikum voller totformulierter Gemeinplätze zu bewegen. Überhaupt: Regiokrimi ist out (das Publikum hat es nur noch nicht gemerkt), Polizeikrimi ist out (die Schreiber derselben haben es nur noch nicht gemerkt). Da geht man mit einer gehörigen Dosis Skepsis an Wolfgang Burgers „Die falsche Frau“, wie in einen falschen Film sozusagen, aber bevor man sich mit Popcorn in den Schlummerzustand frisst, wird’s dann doch noch ein unterhaltsamer Abend.

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Zukunft des Kriminalromans?

Na, das ist ja mal eine besondere Montagsattraktion! Ludger Menke →bespricht den „Boten“ und mag ihn sogar. „Ein verstörender und unbequemer Roman, dessen kraftvoller Realismus gebrochen und veredelt wird durch die bildstarken Phantasie des Autors. Die Mechanismen von Macht und Ohnmacht, von Durchtriebenheit und Dummheit legt Rudolph in einem zukunftsweisenden Stück Literatur offen.“ Und weils so schön ist, finden auch → „Die Sorgen der Killer“ des geschätzten Kollegen Guido Rohm ihre angemessene Würdigung.

Und wieder muss sich einer das Gel aus dem Haar waschen und gehen

„Er heuchelt Interesse für die völlig überteuerten Weine, die der Händler von Gegenüber auf samtbezogenen Röhren präsentiert.“ Den Satz kennst du doch!, meldet ein hinterster Winkel meines Hirns. Der Satz steht in Guido Rohms „Die Sorgen der Killer“, aber daher kenne ich ihn nicht, ich hab ihn ja eben gerade erst gelesen. Aber, flüstert es aus meinem Hirn, du hast ihn eben auch schon früher einmal gelesen und das bedeutet, ob dir das gefällt oder nicht: Guido Rohm ist ein Dieb.

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Das ZDF verfilmt „Ich war Dora Suarez“

10_raymond_dora_suarez.jpg„Totale! Halbtotale, ja! Und jetzt voll auf die Fresse!“ Helge P. Mauritz vibriert. Helge P. Mauritz zittert und schwitzt, schwitzt und zittert, auf seiner inneren Ejakulationsuhr ist es fünf vor Zwölf, Tendenz steigend. Endlich!

Kamerachecks, Kamerafahrten, wie lange hat er darauf gewartet, wie lange dafür gekämpft! Helge P. Mauritz schaut auf den Monitor, hm. Das Gesicht Edwin Drumms ist nicht zerfurcht genug, noch nichts erlebt, der Knabe, keine existentielle Krise, keine raffgierige Exfrau, nur die ewigen Promiempfänge, das Stolzieren auf roten Teppichen, das Posen vor Objektiven, schneller Sex zwischen aufgespritzten Lippen und natürlich Alk, Alk, Alk. Und Koks. Das Backpulver für Teigwaren, die Gesichter sein wollen. Helge P. Mauritz hasst Schauspieler. Er braucht sie aber.

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Offener Brief an Guido Rohm

krimipapst_klein.jpg Ja, ich widerspreche! Ich kann, verehrter Herr Rohm, Ihren Ekel vor dem kriminalliterarischen Katholizismus, dieser allerorten grassierenden Selbstbeweihräucherung, sehr gut nachvollziehen. Diese Monstranzengeilheit, dieses Konklavenklüngeln, das Dealen mit Volksopiaten schon auf Schulhöfen, die klammheimlichen Schweinereien in der halbdunklen Sakristei, wenn Messdiener zu Messlatten degradiert werden. Und, oh doch!, die Päpste! Die Päpste und ihre Li-la-letzter-Versuch-Soldateska! An der Spitze der doch so fruchtbaren Literatur thront die furchtbare Impotenz, aber sehen Sie, Meister, das ist eben Sprache, das ist Etymologie, das ist Arno Schmidt: fruchtbar, furchtbar, ein Aufwasch.

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Guido Rohm: Der Doktor und sein Vieh

krimipapst_200.jpgKollernde Kleriker unter sich. Prügelpapst und Krimiautor Guido Rohm nimmt sich die Kirchenfürsten des Genres zur Brust, ein gargantueskes, einigen Mut erforderndes Unterfangen, wird doch Rohm nach diesem Kraftakt als vogelfrei erklärt und von den vergifteten Pfeilen der Kritik zur Strecke gebracht werden. Wir freuen uns, Ihnen heute das Sahnestück der Aufsatzsammlung präsentieren zu können, eine feinsinnig-grobe Abrechnung mit einer sich im Affentempo vermehrenden Spezies, einem Konklave des Schreckens gewissermaßen, den wie radioaktiv verseuchte Pfifferlinge aus dem Boden des Internets sprießenden Krimipäpsten nämlich, Menschen im geistigen Zölibat, statt Messdienern Bücher auf den Knien, von Kopulationsphantasien durchschüttelt, die ewigen Handarbeiter des Betriebs… doch lesen Sie selbst. Rohm, Autor von →„Die Sorgen der Killer“, wird besagte Sammlung demnächst unter dem Titel „Einmal legen und blasen, bitte. Szenen aus dem Buchbordell“ in einem namhaften Verlag veröffentlichen. Obligatorisch erklärt die wtd-Herausgeberschaft, dass sie keineswegs alle im folgenden Traktat geäußerten Ansichten teilt. Sie ist lediglich →„Der Bote“. Die dem Aufsatz beigegebene Zeichnung stammt natürlich aus der Feder des Klassezeichners Peter Ludwig.

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Warnung vor dem Buche

bote_2_200.jpg Jetzt ist →„Der Bote“ so gut wie da – und mit ihm die Angst. In welche Hände wird er geraten? Am Ende gar in die falschen? Wen wird er erzürnen, welche Kritikerinnen, welche Leserinnen. Und ja, heutzutage dreht sich alles gleich um „Schadensersatz“! Autoren verklagen Kritiker, Leser Autoren – und man kann nichts dagegen machen? Oh doch, kann man. Man kann schon einmal öffentlich bekannt machen, wer bitteschön den „Boten“ nicht anfassen sollte. Weder mit gierigen noch schmierigen Fingern. Ein paar Ausschlusskriterien finden sich im Folgenden, womit ich, das sei getont, auch gleich jegliche Verantwortung / Haftung strikt von mir weise. Lesen auf eigene Gefahr!
Das Buch sollte nicht lesen, wer

  • glaubt, die Jahresangabe „2168“ habe irgend etwas mit „1968“ zu tun! Klogriff! Weder Rudi Dutschke noch ein autoritärer Kindergarten noch ein späterer Außenminister kommen im Text vor, sogar auf fundamentalmarxistischen Sex mit Werktätigen wartet man vergebens. 
  • versucht, das Buch strikt chronologisch zu lesen. Kann man machen, doch. Bringt aber nur den halben Spaß, wenn überhaupt welchen. Nein, wenn ich mir das recht überlege: bringt keinen Spaß. 
  • sich wundert, warum in diesem Buch so alterthümliche Wörter wie „gebirgicht“ oder „ästimieren“ vorkommen. Ich habe mitnichten das Meyersche Konversationslexikon von 1855 auswendig gelernt. Ich besitze es gar nicht. Mir reicht das von 1891. 
  • schon immer keine Lust auf Märchen hatte. Es gibt nämlich welche in diesem Buch, einige sogar. Okay, ich kann das mit der Märchenunlust verstehen, ging mir früher genauso. Aber muss sein. Also entweder sofort zur Psychotherapie oder: Finger vom Buch! 
  • auf irgend welche blödsinnigen Erfindungen wie Grillautomaten mit Hochschulabschluss, implantierfähige Orgasmen oder Wochenend-Porno-Events im Betageuzenebel abfährt. Ja, lest’s doch euren Perry Rhodan, ihr! 
  • sich so an meine langen Sätze gewöhnt hat, dass er ohne nicht mehr leben kann. Okay, ehrt euch. Aber im „Boten“ gibt es erstaunlich wenige davon, eigentlich gar keine. Sondern. Meistens. Kurze. Sätze. 

Auf wen all das nicht zutrifft, sollte also den „Boten“ unbedingt lesen! Auch zwei oder drei „JA!“s sind nicht schlimm, ihr seid ja lernfähig und flexibel. Alle anderen: Zum handelsüblichen Thrillerlein greifen und Abmarsch! Aber ohne großen Zapfenstreich!

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Zum Weltfrauentag

Gerlach_Frauen_U1_650px.jpgNein, nein, ich sag ja gar nichts Lobendes zu diesem Buch! Erstens, weil es in den nächsten Tagen →bei Conte erscheinen wird und ich ja Conte nicht loben darf, sonst haben wir hier eine Wulff-Debatte. Und Ehrensold von Conte? Vergesst es. Zweitens, weil der Titel natürlich frauenverachtend ist! Frauen von Brücken werfen? Gehts noch? Andererseits: Das Buch ist von Gunter Gerlach! Den haben wir doch allseits in bester Erinnerung. Und noch andersseitiger: Ich hab das Ding schon gelesen, als es noch kein Buch war und da war es auch schon prächtig und so ganz anders als der übrige Krimiquark. Ja, und jetzt ist es sogar ein Buch, also wohl noch prächtiger und: Es kostet akkurat jene 11,90, die ihr ja schon in meinen „Boten“ investieren wollt, der auch die Tage zu haben sein wird. Nehmt also gleich beide.

Rezensionsnachhut

Mordskalender_200px.jpg„Warum kommt diese Buchbesprechung erst jetzt? Wäre es nicht besser gewesen, sie zum Jahreswechsel 2011/2012 zu veröffentlichen, also richtig passend zur Geschenkezeit?“ – Die Antwort auf diese Fragen kann man →in einer Besprechung von rezension.org nachlesen, die sich dem „Mord(s)kalender 2012“ widmet. Für mich als Mitherausgeber ist es ein denkwürdiges Ereignis, denn zum ersten Mal wurde einem Buch, an dem ich beteiligt war, „Lesbarkeit“ bescheinigt. Fünf von fünf Sternen – und auch sonst freuen wir uns. Und versprechen: Der „Mord(s)kalender 2013“ ist schon in Arbeit.