Superpunk: Wasser Marsch

„Ich habe keinen Hass auf die Reichen, ich möchte ihnen nur etwas gleichen. Ich bin nicht böse gebor´n…“ …der Rest des Liedes handelt von erpresserischem Menschenraub aus niederen Beweggründen, aber allein in drei Zeilen drehen Superpunk verständliche Aufstiegswünsche der Unterschicht und die Gutmenschen-Schafsköpfigkeit der 68er durch den Wolf. Solcherart „Rollenpoesie“ zieht sich auch durch die übrigen Texte des Hamburger-Münchner Quintetts: festnageln lässt sich die Gruppe nicht, aber die Mischung aus Agit-Pop und purer Skurrilität ist apart (und erinnert etwas an Rocko Schamoni).

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Cla: Lustro

Saftige Schrammelgitarren, lustiges Elektronik-Geblubber und süße Pop-Hymnen – was will man mehr? Kaum was. Außer genauer zu wissen, wo Cla eigentlich herkommen. Von irgendwo, wo man portugiesisch spricht, das steht mal fest. Daher wohl auch die Wärme und der manchmal Fotonovela-artige Schmelz ihrer Songs. Bittersüß ist der, rührend und herb eben.

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Plamper, Staffel, Plexiq: Stopper

Die Panzer auf dem Cover zerbröseln am Rand in kleine Frames und sehen aus, als seien sie gerade einem Computerspiel entflohen. Und tatsächlich, „Stopper“, das Hörspiel, blubbert und groovt, Pexiq haben ganze Arbeit geleistet, nur die HipHopper von Das Department stören den Flow, und das soll auch so. Wer denkt, Beats, Grooves und Samples zeichneten ein Hörspiel als besonders innovativ aus, der irrt. Das Hörspiel ist naturgemäß und von jeher die Keimzelle moderner, experimenteller Hörkunst. Worte und Klänge greifen dort seit Jahrzehnten ineinander, müssen gemeinsam Berge versetzen, um dem Hörer die Bilder ins Hirn zu zaubern, nur interessieren tut es die Wenigsten. Die Hörspiel-Gemeinde mag größer sein, als vermutet, dem Volk aber gilt sie als Randgruppe.

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Drei Engel für Charlie

Vielleicht ist das der Unterschied zu den Achtziger Jahren: damals waren zu Breitwand-Format aufgeblasene MTV-Clips mühelos als solche zu durchschauen. In den Neunzigern geht das nicht mehr so leicht… Der ganze Trick besteht darin, gar nicht erst zu versuchen, irgendwas zu vertuschen. Die Neuauflage der drei Engel nimmt sich selbst, das Kino und seine Effekte so offensiv auf den Arm, dass es eine Freude ist. Auf jede Action-Szene kommt eine Disco-, Strand- oder Party-Szene, „stylish“ war schon das Zauberwort des Originals, und die Neuauflage wuchert mindestens ebensosehr mit diesem Pfund. Der ganze Streifen ist vollgepackt mit Gimmicks und coolen Song, sogar an eine Autorennen-Szene wurde gedacht, mit prall gefüllten Overalls und Carrerabahn-Flair. Ach, herrlich…

Die Engel 2000 bestechen immer noch durch trendy Frisuren und hippe Outfits, schön sind alle drei – aber diesmal auch sportlich, und zwar nicht nur der Figur nach. Soviel Körpereinsatz hätte man ihnen gar nicht zugetraut. Nicht, nachdem sich ihre Fernsehvorbilder durch federnden Gang und lustiges Sich-in-Deckung-Rollen immer schon völlig verausgabt hatten. Und die Waffen erst… Alles Hi-Tech. Es wird also geballert, an Flugzeuge geklammert oder aus ihnen rausgesprungen und getaucht, was das Zeug hält – wenn die Damen nicht gerade in sexy Schutzanzügen halsbrecherische Touren unternehmen (Matrix und Mission Impossible lassen grüßen) oder Gegner mit asiatischer Kampfkunst niederstrecken. Mancher Fight gerät zeitlich zur Orgie, aber – siehe oben – wie auch immer gearteten „Realismus“ hat sich dieser Film ohnehin nicht auf die Fahnen geschrieben, sondern Style, Tempo, Action und Fun. In dieser Reihenfolge.

Langweilig wird´s also nie. Und lustig ist es obendrein noch. Denn irgendwie sind die Engel ja auch nur Mädels von Nebenan, kriegen keine Muffins hin, und auch mit den Männern hapert es… Clever und rasant, ein Feuerwerk für´s Auge. Irgendwie ist es gelungen, Original und Fälschung zu verschmelzen. Richtig symbiotisch schmiegen sich beide aneinander. Ob es nur ist, dass die 70er ohnehin wieder en vogue sind, oder ob sich in L.A. einfach kaum was verändert hat? Who knows. Ach ja, eine Story gibt es übrigens auch noch: ein Wahnsinniger (optisch irgendwo zwischen Grunger und Start-Up-Unternehmer) versucht mit allerlei datentechnischen Finessen, alle Welt zu täuschen und Charlie zu töten. Spannend und überraschend! In weiteren Nebenrollen: viel Technik, viel EDV und Bill Murray als AB-Maßnahme namens „Bosley“. Selbst wenn alle Opfer gerettet und alle Bösen überführt wären – der trottelige Engel-Koordinator säße noch immer in irgendeiner Falle und müßte befreit werden. Keine schmeichelhafte Rolle, leider auch noch viel zu grandseigneurhaft gegeben.

Ansonsten: klasse! Ein Film, der nach neuen Engel-Barbiepuppen schreit. Und nach Kaugummi-Sammelbilchen, Haarbürsten, Strumpfhosen, Deos, Jeans, Haarteilen…

3 Engel für Charlie
Regie: McG
Darsteller: Cameron Diaz, Drew Barrymore, Lucy Liu,
Bill Murray, Sam Rockwell, Kelly Lynch, Tim Curry

Bernd Begemann: Sag Hallo zur Hölle

Glanz und Elend der Großstadt wollte er einfangen. Und die Menschen der Großstadt feiern, der Bernd Begemann. Die Erläuterungen zu seinem Album klingen genauso poetisiert wie alles aus dem Mund dieses wohl besten deutschen Singer-Songwriters. Was er anpackt, umgibt er mit einer Aura. Gekleidet in wohlfeile Worte. Gesungen mit samtweicher „Kandisstimme“ (Spex), manchmal auch mehr gehaucht, gehacht (kein Druckfehler!). Und meist liebevoll übertrieben, nein: ausgekostet. Er legt sich halt richtig rein in seine Texte, wie man es sonst nur vom Schlager kennt. Dieses Militant-Emotionale, Affektierte, in sich Versunkene oder einfach nur Herzzerreißende. Mit dem schnoddrigen Charme des Westphalen, der schon zu lange in Hamburg lebt und I´s gern als Ü´s ausspricht. Ürgendwie…

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Loony: Into the Loonyverse

Worum ging es eigentlich in dem unseligen, aber publicititrächtigen Streit zwischen Blur und Oasis? Weiß das noch jemand? Um die größte Klappe und die größten Verkaufszahlen – offiziell. Um den Besitz der dicksten Eier – zwischen den Zeilen! Wie es ausging, weiß jeder. Oasis gewannen. Die Sache mit der Klappe und der Kohle sowieso, aber die Sache mit der Männlichkeit im Grunde nur knapp, nämlich allein dank ihrer Trinkfestigkeit. Vielleicht hätten sie es machen sollen wie Loony: einfach ein bißchen fester in die Saiten greifen. Denn Gitarren sind zum Rocken da, you know?!

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Paul James Berry: Ginnel

Ohne Paul James Berry zu nahe treten zu wollen – aber Sisters of Mercy mit Portishead kreuzen zu wollen, ist schon eine starke Sache. Zumal als Indie-Singer-Songwriter, der der Ex-Rose of Avalanche-Gitarrist heute ist. Die Akustik-Klampfe bleibt die Zelle seines Schaffens, und auch allein mit ihr besteht er locker auf jeder Bühne, selbst mit den Songs seines Albums „Ginnel“ – und das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Elektronik ist die zweite Säule seines Sounds. Doch in erster Linie schreibt der Mann nunmal simple, aber düstere Ohrwürmer, die auch Nick Cave gut zu Gesicht stehen würden: atmosphärisch dichte Midtempo-Balladen, großflächig, pulsierend und mit Gänsehaut-Bariton vorgetragen.

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Commercial Breakup: Global player

‚Minimal-Pop mit Kindchenschema‘ ist die Kategorie, die sich Commercial Breakup ausgesucht haben. Ja, es blubbert. Und eine Lolita-Stimme gibt´s auch dazu. Aber das New Order-Cover in der Tracklist lässt schon vermuten: der Elektronik-Sound ist „nur“ trojanisches Pferd. Wofür? Tja. Für den LowFi-Charme des Ladomat-Labels. Für Rafinesse, Cleverness und Poesie. Der aufgeblasenen Bits-und-Bytes-Branche mal wieder zeigen, dass es auch mit Weniger geht. Und dass darin eigentlich die Kunst liegt.

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Goldfrapp: Felt Mountain

Wenn die Sängerin von Goldfrapp auf der Bühne steht – mit Brianna-Corrigan-Gedächtnis-Frisur und Wallekleid -, dann sieht sie aus, als wäre sie gerade aus dem Orchester von André Rieu geflohen. Brianna Corrigan war übrigens die Sängerin der Beautiful South. Ihr Lockenköpchen sah aus wie das von kleinen Plastikpüppchen, die nach Erdbeer riechen. Und es könnte zum Insignum guter Popmusik werden.

Denn auch Goldfrapp machen das, was von allen Menschen der Welt wohl am besten die Briten können: aus den berühmten 8 Tönen kleine Melodien so zu drapieren, dass sie wie der Schlüssel zu einer verzauberten, besseren Welt klingen.

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Veranda Music: Leblon

„Art Rock“, würde man gern sagen, wenn es nicht die pure Beleidigung wäre. Aber was „Veranda Music“ da mit ihrem zweiten Longplay auf die Beine gestellt haben, hat schon etwas ungemein Kunstvolles -ohne dabei je maniriert zu wirken. Stattdessen: Melodienseligkeit, schwelgerisch-spröde Riff-Ritte, Psychedelic, Leichtigkeit, Lounge und LowFi – und mitunter sogar hemdsärmeliger Rock mit Verzerrern. Aber eben auch Virtuosität, Transparenz, Chromatik, filigrane Latin-Harmonien (Leblon ist ein Stadtteil von Rio de Janiero), angejazzte Percussions, Hammond, Vibes und eine traumwandlerisch stilsichere Poesie nach Noten.

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Bananafishbones: My private rainbow

Da schien es schon, als seien Bananafishbones die hyperaktiven Nervtöter aus der letzten Bank… Und tatsächlich: sollte der Off-Beat je olympisch werden, ist das Trio ganz vorn mit dabei. Aber so schlimm, wie es die Vorab-Single „Glam“ vermuten ließ, wurde es nun doch nicht. Im Gegenteil, „My private Rainbow“ hält überraschend groovigen Americana parat – mal so pur, dass sich auch Son Volt und Co. warm anziehen müssen, bevorzugt aber immer noch als Plattform für Mätzchen à la Guerilla-TexMex: höher, schneller, weiter…

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Sparks: The Angels

Die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn liegt in L.A., der Heimat der Mael-Brüder. Und „The Angels“ liegt musikalisch irgendwo zwischen Münchener Freiheit und üppigem Synthie-Geplucker, das seine New Wave-Wurzeln noch nicht ganz aus den Augen verloren hat. Aber was heiß schon „New Wave“ bei den Sparks? Einer bestimmten Stilrichtung waren sie eh nie zuzuordnen, machten einfach nur guten, manchmal schrillen Pop und grinsten mit irrem Blick von ihren Plattencovern.

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The Go-Betweens: The Friends of Rachel Worth

„Melancholisch, romantisch und aus der Zeit gefallen“ schreibt der Kollege im Rolling Stone über das neue Go-Betweens-Album. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Zarte Gitarrenpop-Seide haben sie gesponnen, die beiden Australier. Grant McLennan und Robert Forster sind Anfang und Ende (?) der Go-Betweens: zu zweit fingen sie 1978 an, und zu zweit machen sie nun nach 11 Jahren Pause weiter. Der Kreis schließt sich. Und fast ebenso gleichmäßig und formvollendet, wie der Kreis an sich, klingt auch ihre Musik. Ohne dabei je steril zu wirken, bewahre. Leicht, federnd, intensiv und bittersüß – perfekteren Pop findet man kaum, allerdings auch kaum dezenteren. Go-Betweens-Songs knallen nicht. Höchstens, dass sie im Refrain plötzlich euphorische Ohrwurmqualitäten an den Tag legen. Ansonsten aber muss man sie schon einige Male hören, bis sie sich festbeißen.

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Interview: Stella

Hinter-Net!: In welcher Besetzung spielt Ihr momentan?

Elena Lange: Wir waren zuerst ein Trio und haben so auch das erste Album gemacht. Mense Reents produziert und programmiert die elektronischen Stücken und spielt Schlagzeug bei den Rock-Stücken. Thies Mynther macht auch Programmierung und spielt live Keyboard, und dann ist direkt nach der letzten Platte einen neuer Bassist dazugekommen, das ist Hendrik, und ich singe, spiel Gitarre und schreibe Texte.

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Stella: Finger on the trigger for the years to come

So richtig passen Stella in keine Schublade. Eher schon umgekehrt: in viele gleichzeitig. Sie schreiben Popsongs, intonieren sie wie Rocksongs, und das mindestens zur Hälfte mit elektronischen Instrumenten. Einfacher ist es da schon, die Stimmungen der Songs herauszufiltern. Da ist zum einen die Stella-typische Coolness und ihre geschmeidige Eleganz, die neuerdings ins „Fette“ driftet, dann diese rumorende Unruhe, teilweise gar Militanz, und manchmal auch ein demonstrativer Ennui. Neu ist auch Bassist Hendrik Weber, und als Gastmusiker sind Dirk von Lotzow (Tocotronic), Phillip Sollmann, Thomas Wenzel und Carsten Meyer (Erobique) dabei.

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Schniff

Zum Tod von Carl Barks

Der Name klingt selbst, wie von Disney ausgedacht. Und blieb immer eine Art Geheimkürzel. Vieles schwingt unausgesprochen mit: Donald Duck, die unverkennbare Handschrift, die lange Anonymität, der späte Ruhm, die teuren Ölbilder und viel, viel Ehrfurcht. Will man erwachsenen Comic-Fans einen Ausdruck infantiler Bewunderung ins Gesicht hexen, reichen zwei Worte: Carl Barks. Ein Mythos, der durchaus auf die Anhängerschaft zurückstrahlt: sie waren es, die intuitiv Unterschiede zwischen den Zeichenstilen der Duck-Comics ausmachten. Mangels Namensnennung blieb Barks lange schlicht „der gute Zeichner“. Dass er dem gleichmacherischen Disney-Etikett entrissen wurde, war das Verdienst der Fans. Umgekehrt gab Barks den Lesern Gelegenheit, sich ihrer selbst zu vergewissern.

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