Paul James Berry: Ginnel

Ohne Paul James Berry zu nahe treten zu wollen – aber Sisters of Mercy mit Portishead kreuzen zu wollen, ist schon eine starke Sache. Zumal als Indie-Singer-Songwriter, der der Ex-Rose of Avalanche-Gitarrist heute ist. Die Akustik-Klampfe bleibt die Zelle seines Schaffens, und auch allein mit ihr besteht er locker auf jeder Bühne, selbst mit den Songs seines Albums „Ginnel“ – und das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Elektronik ist die zweite Säule seines Sounds. Doch in erster Linie schreibt der Mann nunmal simple, aber düstere Ohrwürmer, die auch Nick Cave gut zu Gesicht stehen würden: atmosphärisch dichte Midtempo-Balladen, großflächig, pulsierend und mit Gänsehaut-Bariton vorgetragen.

Nach Brendan Perry also ein weiterer Ex-„Goth“, der sein Erbe gewinnbringend ins erzählende Fach einbringt, im Falle von Paul James Berry allerdings ungleich stärker konturiert. Wuchtig und wendig zugleich kommt „Ginnel“ daher: ein Opus wie aus einem Guss, pathetisch und sexy – eine seltene Mischung.

Und eine eine schwere Geburt: acht Jahre sind seit dem Split der britischen Kult-Wave-Band vergangen, angefüllt mit Label-Streitigkeiten um das ROA-Output, finanziellen Engpässen, Gelegenheitsjobs und dem Umzug von London nach Paris. Seit 1997(!) spielte Berry in Berlin mit Produzent Bernd Oprach sein Solo-Album ein, in dessen Booklet es verschmitzt heißt: „No electric guitars were used on this album! Fact or fiction?“ Schwer zu entscheiden. Aber Berry liebt eben die Gratwanderung.

Paul James Berry
Ginnel
(Supermusic/TIS)

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