Benjamin Black: Christine Falls

Benjamin Black ist das offene Pseudonym von John Banville, der 2005 den Man Booker Prize, den bedeutendsten Literaturpreis des Commenwealth und Irlands gewann. Groß war die Neugier, hoch die Spannung, ob der Romancier bei seinem Ausflug ins Genre den richtigen Ton trifft, oder ob hier wieder ein „seriöser“ Autor versucht, durch den Erfolg des Genres dazu zu verdienen – was John Banville wohl nicht unbedingt nötig hätte.

Nun, „Christine Falls“ macht es einem Krimileser nicht leicht. Grundweg ablehnen kann man das Buch nicht. Erzählt wird eine typische Krimigeschichte, angesiedelt im Irland der 50er Jahre. War die katholischen Kirche in vielen Ländern der Welt mächtig, im Irland der frühen 50er war sie mächtiger. Getragen von einer Führungsschicht, die geschickt den Erhalt ihrer Position mit dem Selbsterhaltungstrieb der Kirche verband, herrschte sie mit erschütternder Konsequenz

Quierke ist Pathologe und findet eines Nachts seinen Schwager, einen Gynäkologen, wie dieser sich an einer Akte zu schaffen macht. Der Schwager tut so, als wenn nichts wäre, und der Leichnam, den Quierke meinte gesehen zu haben, ist am nächsten Tag, genauso wie wenige Tage später die Akte, verschwunden. Die Neugier Quierkes ist geweckt und hartnäckig macht er sich ans Werk. Erst um Klarheit in die Sache zu bringen. Dann, nachdem er diverse Hinweise, seine Neugier zu zügeln ignoriert hat, und nach dem Tod einer Frau, weil es eine Frage von Gewissen und Moral für ihn geworden ist. Dass zudem bei Quierke diverse persönliche Probleme hinzukommen, seine Frau im Kindbett verstorben ist, er kräftig dem Alkohol zuspricht [wie ich mich doch auf „Soul Patch“ von Reed Farrel Coleman freue, denn dessen Held ist so richtig unaufdringlich seelisch stabil] gehört zu den derzeit üblichen Zugaben.

Black zieht die Geschichte konsequent durch, bis zum Schluss, dessen Auflösungen teils überraschend, größtenteils aber doch nicht unerwartet kommen. Quierke stolpert irgendwie durchs Buch, zielstrebig zwar und (letztlich) immer mit den richtigen Einfällen, aber gerade diese sind für den Leser nicht immer nachvollziehbar, denn sie sind intuitiv.

Black ist ein Erzähler, einer der an Sätzen feilt und schmückt und Räume detailliert erschafft. Dabei muss man immer wieder ob gelungener Sätze, Abschnitte, Szenen mit der Zunge schnalzen. Das ist so ein Buch, das man nehmen mag und den Englischschüler beauftragen, die Bildersprache des Buches anhand der Vögel darzustellen. Seien es drei Enten, Krähen, oder zwei Schwäne, immer wieder schwirrt das Federvieh durch die Szenen und als Leser beobachtet man sich, wie man mehr auf die Vieher und ihre Bedeutung achtet, als auf den parallelen Dialog der Menschenwesen; besonders subtil ist das nicht unbedingt. Bei all dem liegt eine Patina auf dem Text, als wenn man das Geschehen durch eine Scheibe betrachtete, die doch ein wenig die Unmittelbarkeit der Darstellung abschwächt.

Wie auch, wenn die Darstellung eines simplen Überfalls auf Quierke viereinhalb Seiten braucht. Wo andere mit einer halben Seite durch sind, durchdringt Black in einer genreungewohnten Manier. Kein Wunder, dass die Geschichte nicht die Komplexität, die Emotionalität besitzt, die in den (niveaumäßig) höheren Gefilden des Genres verbreitet sind, denn für Drive und diverse, verschlungene Handlungsfäden fehlt eindeutig der Platz.

Im Vergleich zu Thomas H. Cook, einem anderen Meister der Sprache, wird die Zielrichtung Blacks deutlich. Bei Cook dient die Darstellung immer dem großen Ganzen, der Spannung, dem Aufbau psychischen Drucks; Black dagegen ist ein Maler, bei ihm dienen die Darstellung der Atmosphäre, der Tiefen einer Szene, Spannung mag dabei aufkommen, doch trägt diese nicht bis zum Schluss.
Dennoch: neugierig, wie Black in einem zweiten Buch weiter zu Werke geht, bin ich schon.

Benjamin Black: Christine Falls. 
Picador 2007. 400 Seiten. 10,99 €
(deutsch: Nicht frei von Sünde, Kiepenheuer & Witsch 2007, 432 S., 19,90 €)

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