Wolfgang Schirra und Frank Wagner im Gespräch mit Eleventh Dream Day
Wir treffen Eleventh Dream Day auf ihrer Tour durch Deutschland in einem dieser sozialdemokratischen Kulturzentren der Bundesrepublik, die entweder mit viel Holz und/oder mit viel geschweißtem Eisen gestaltet sind, aber immer doch einen melancholischen Eindruck der Welt vermitteln. Zur Ehrenrettung des Veranstaltungsortes muß jedoch gesagt werden, daß der Konzertraum toll und geschmackvoll ist und der Kaffee heiß und stark ist.
Eleventh Dream Day sitzen hinter uns am Tisch und verspeisen mit der Vorgruppe Freakwater die obligaten Pastagerichte in solchen Café-Restaurant-Bistro Einrichtungen. Na ja, wollen wir sie mal noch zu Ende essen lassen und setzen uns an die Theke. Würden sie am Tisch nicht englisch reden, würden sie in diesem Post-Hippie, Post-Grunge und Post-BritPop Ambiente nicht auffallen. Nach : „Noch drei Expresso für die Band“ trollen wir uns an den Tisch, wo mittlerweile nur noch Dough McCombs (Bass) und Janet Beveridge Bean (Schlagzeug, Gesang) von EDD sitzen. „Klar könnt ihr ein Interview haben“, sagt der blonde Sonnenschein Janet Beveridge Bean von der anderen Seite des Tisches und auch Dough McCombs rückt näher. Mr. McCombs übrigens mit buntem Tatoo auf dem rechten Arm, was gar nicht arty wirkt, eher Rock´n Roll statt Kunstakademie.
Eleventh Dream Day sollten 1995 zusammen mit Sea and The Cake und Tortoise im Dreierpacket in Deutschland spielen, was dann allerdings krankheitsbedingt abgesagt werden mußte. 1997 kommen die sie nun mit dem neuen Album „Eighth“ (City Slang/EFA) im Rücken zusammen mit Freakwater auf Tour. Freakwater ist eine schnuckelige Countryband bei der Janet Beveridge Bean Gitarre spielt und singt.
Wie läuft die Tour?
Janet: Ja es läuft ganz gut, es macht eine Menge Spaß nach 4 Jahren wieder mit EDD auf Tour zu gehen. Die Besucherzahlen variieren stark. Mal sind es viele, mal weniger. In den größen Städten haben wir mehr Zuschauer. Vor allem für Rick (Rick Rizzo – Sänger, Gitarrist und Songschreiber bei Eleventh Dream Day) ist es wichtig mal wieder live zu spielen, Dough und ich waren ja mit Tortoise und Freakwater unterwegs. Vor allem Ricks Gitarrenspiel lebt von der Live-Atmospähre, weil er sehr emotional spielt. Er ist niemand, der sich im Studio einsperrt und rumtüfftelt.
Was werden wir heute abend von euch hören? Wollt ihr den Leute eine Party bieten oder geht es euch mehr darum das neue Album zu promoten?
Janet: Es ist gar nicht so die Sache die neue Platte zu promoten, uns kommt es vor allem darauf an seit Jahren mal wieder live zu spielen, vor allem Rick braucht das. Dough: Also ich hab total viel Lust heut abend zu spielen.
Arrangiert ihr eure alten Songs neu oder spielt ihr sie immer gleich?
Dough: Wie gesagt Rick spielt ziemlich emotional und improvisiert auch, aber wir haben schon ein festgelegtes Schema nach dem wir die Songs spielen.
Ich (Frank) hab zuletzt ein Interview mit Yo La Tengo gemacht, die haben auf ihrer neuen LP einen Song der heißt „We´re An American Band“. Im Gegensatz zu dem Grand Funk Railroad – Song beschreiben sie ihr Tourleben mit „langweilig, ständig im Tourbus rumhocken, nichts passiert“. Sieht das bei euch auch so aus?
Janet: Also wir finden es ganz nett so durch die Gegend zu fahren, heute waren wir spazieren, nach drei Tagen Regenwetter hat ja heute mal wieder die Sonne geschienen, wir waren auch einkaufen. Und zu dem Grand Funk Railroad Song – es ist nicht so mein Ding Dope zu rauchen…..
Dough: …und Hühner abzuschleppen
Janet: …. du sprichst hier nur für dich! Na ja wir werden auch älter, wenn man jünger ist, ist das was anderes. Also das sehen wir dann eher so wie Yo La Tengo.
Dough, du hast doch die Yo La Tengo Remix CD gemacht!
Dough: Ja, hab ich. Wie ist denn übrigens deren neues Album („I can hear the heart beating as one“)?
Also ich (Frank) finde halt , die können gar nichts schlechtes rausbringen, die Platte erinnert mich auch sehr an eure Scheibe, die ja auch viele unterschiedliche Stimmungen hat.
Janet: Wir haben ja schon häufig mit Yo La Tengo zusammen gespielt, ich finde allerdings das Gitarrenspiel von Ira (Kaplan) und Rick unterscheiden sich doch stark. Rick spielt viel emotionaler als Ira, Rick hält sich gar nicht an normale Akkorde. Er spielt z.B. ein G-Dur immer anders, wie dies normale Leute tun. Ira spielt da eher vom Kopf her.
„Eighth“ das Album – Nach diversen Trennungsgerüchten war es schon eine Überraschung, als die neue Platte von Eleventh Dream Day in den Regalen stand. Die Qualität des Albums war natürlich, was nicht überraschte, gut. Eine gewisse düstere Zerissenheit präsentierend, spiegelt das Album sowohl den inneren Zustand der Band wieder und ist gleichzeitig Ausdruck der musikalischen Suche einer älter werdenden amerikanischen College-Rock-Band. Während Dough McCombs bei Tortoise und Janet Beveridge Bean bei Freakwater ihre Standbeine und Seelenheil wohl gefunden haben, ist Rick Rizzo musikalisch stärker festgefahren. Dazu ein interessantes Zitat von Rick Rizzo (aus dem Heft des örtlichen Veranstalters), den wir leider nicht persönlich sprechen konnten.
Rick Rizzo : „Eighth is the end of a line, fini, insult , intolerance, ignorance, frustration – and coming to terms with it all. I figure the next record has to be about rebirth and EDD goes back to being a garage band. Or not.“
Wie ist eure Meinung über das neue Album?
Janet: Es sind halt immer Erlebnisse die man da so verarbeitet. Ein Konzept hat es da nicht gegeben. Jeder hat so seinen Teil dazu beigetragen. Dough hat z.B. den 2. Song auf dem Album („Writes A Letter Home“) hauptsächlich gemacht, Rick hat dann einen Gitarrenriff dazugespielt, den er seit 2 Jahren ständig im Schlafzimmer spielt.
Wir haben in unserer Radiosendung von eurer neuen Platte den Titel „Two smart cookies“ gespielt, haben wir da eurer Meinung nach den richtigen Titel gewählt?
Janet: Wenn wir eine Band wären, die einen Hit haben könnten, dann wäre wahrscheinlich „Two smart cookies“ so ein Hit. Aber ich glaube wir sind keine Band, die überhaupt einen Hit haben können (Ha Ha Ha).
Ich (Frank) finde eure Platten kann man sehr gut am Stück hören weil sich langsame Nummern mit härteren abwechseln und auch mal ein Instrumentalstück kommt.
Dough: Ja sehe ich genauso, ich finde es macht am meisten Sinn die Platte am Stück zu hören.
Wie wichtig ist für euch eine eine feste Band? Ron Wood von den Rolling Stones hat mal gesagt, daß sie zunächst einmal ein Rolling Stone sind und erst dann Mr. Wood, Mr. Jagger, Mr. Richards und Mr. Watts. Was bedeutet es für euch in einer festen Band zu spielen, was bedeutet speziell EDD für euch.
Janet: Ich glaub der Vergleich mit den Stones ist etwas unpassend, die Stones arbeiten ständig, während wir mit anderen Dingen unser Geld verdienen müssen. Nein wir sind zuerst Individuen und erst dann irgendwann einmal EDD.
Das Buisness-1990 wurden Eleventh Dream Day von Atlantic Records unter Vertrag genommen, also bei dem Label, wo sowohl Ray Charles und John Coltrane Musikgeschichte schrieben und mit AC/DC und Led Zeppelin in den 70 ern so richtig Geld verdient wurde. Eleventh Dream Day machten mit „Bleet“ 1990 und „El Moodio“ 1993 ihren Job und schrieben klasse Rockhymnen, kommerziell kam weniger raus. Atlantic brachten es anscheinend nicht fertig sie an dem gewachsenen Alternativkuchen zu beteiligen, der spätestens mit Nirvanas „Nevermind“ 1991 für viele Bands aus dem College-Rock-Bereich erreichbar wurde. Mit den beiden Alben „Ursa Major“ (1994) und zuletzt „Eighth“ (1997) kehrten sie mit City Slang zu einem kleineren Plattenlabel zurück, wo sie weiterhin Insider erfreuen und dem großen Publikum verschlossen bleiben.
Ihr ward bei Atlantic Records einem Major-Label und seit jetzt City Slang einem kleineren Label. Die Alben, die bei Atlantic Records erschienen sind, waren meiner Meinung (Wolfgang) nach rockiger mehr auf einen Hit hin arrangiert. Die Alben bei City Slang sind demgegenüber experimenteller. Welchen Einfluß haben Plattenlabels auf das Resultat, also auf die Platte, die dann aufgenommen wird?
Dough: Also eine Plattenfirma schreibt ja keinen Song. Ich mag an EDD gerade die Unabhängigkeit gegenüber der Plattenfirma und allem anderen. Für uns spielt es musikalisch keine Rolle bei welcher Plattenfirma wir sind. Ansonsten sind wir schon froh daß wir von Atlantic weg sind, wir hatten da zwar ein größeres Budget um eine Platte zu machen, aber auch viel Scherereien.
Findet ihr nicht auch , daß die Platten die auf Atlantic rauskamen doch recht unterschiedlich zu den Platten auf City Slang sind?
Janet: Ja findest du, find ich gar nicht. So ist z.B. beim letzten Song der Platte – heißt der „Last Call“ … ?
Dough: … ja!
Janet: … der Gitarrenriff dergleiche, wie bei „Figure it Out“ (von der Platte El Moodio). Also für mich unterscheiden sich die Platten bei den unterschiedlichen Plattenfirmen nicht so sehr.
Könnt ihr überhaupt ein bißchen Geld mit eurer Musik verdienen? (Ha Ha Ha ziemlich unnötige Frage!)
Janet: Ja ich könnte davon in einem Tipi leben. Also wir machen die Musik nicht wegen des Geldes, da ist nicht viel zu verdienen. Rick hat zum Beispiel noch drei andere Jobs neben Eleventh Dream Day.
Dough: Ich lebe zur Zeit hauptsächlich von den Sachen mit Tortoise, das geht ganz gut.
Janet: Also ich hab ziemlich viel Zeit, bin natürlich zunächst einmal Mutter und Hausfrau und koch jeden Tag das Essen. Wir mußten Rick geradezu überreden auf Tour zugehen. Ich hab dann gesagt es ist doch egal, du verdienst in den drei Wochen Europa mindestens genausoviel wie in Amerika und den Europatrip gibt´s kostenlos dazu.
Spielt ihr vielleicht deswegen in mehreren Bands um dadurch etwas mehr Geld zu verdienen?
Dough: Nein auf gar keinen Fall, wir machen die Sachen weil sie uns Spaß machen.
Janet: Bei mir ist es halt so, daß ich es toll finde zu den Songs von Catherine (von Freakwater) zu singen. Das macht mir übrigens viel mehr Spaß als bei EDD Schlagzeug zu spielen, weil ich beim Singen ständig Fortschritte mache, während beim Schlagzeugspielen eher ein Stillstand festzustellen ist. Diese Rock´n Roll Attitude ist im Alter von 20, 25 in Ordnung gerade, wenn man sich von seinen Eltern und von deren Generation abgrenzen will. So langsam krieg ich mit dieser Haltung allein vom Alter her meine Probleme, das Schlagzeugspielen macht deswegen immer weniger Spaß. Ich hab von den Rolling Stones ein Video gesehen „Rock and a Hard Place“ da ist Keith Richards in einer furchtbaren Lederjacke zu sehen, sonst ist er ja eher gut gekleidet, aber das wirkte schon merkwürdig. Western und Country Musik kann man dagegen sein ganzes Leben lang machen. Wenn man z.B. Jonny Cash nimmt, der steht da oben mit seinem schwarzen Anzug und seine Gitarre und spielt seine Songs, das kann man dann auch noch mit 80 machen.
Bei Mo Tucker funktioniert das aber mit dem Schlagzeugspielen mit knapp 50 Jahren noch ganz gut.
Janet: Ja die ist ja auch eine Legende bzw. Teil einer Legende namens Velvet Underground, das zählt nicht. Wir waren gestern abend bei den alten Männern von The Who und haben Quadrophenia gesehen. Sagt mal einen Satz zu den Who, sollten die das besser lassen oder findet ihr das o.k.?
Janet: Ja Rick ist ein großer Who Fan, ich hab dazu keine Meinung.
Dough: Es ist ein Problem einen Song wie „My Generation“ am Leben zu halten, weil man sich doch weiterentwickelt und das Lebensgefühl der 60er und 70er eben nicht mehr hat.
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Diskographie :
- Eleventh Dream Day (Amoeba Records, 1987)
- Prairie School Freakout (Amoeba Records, 1988)
- Beet (Atlantic Records, 1989)
- Borscht (Atlantic Records, 1990)
- Lived to Tell (Atlantic Records, 1991)
- El Moodio (Atlantic Records, 1993)
- Ursa Major (Atavistic Records/City Slang Records,1994)
- Eighth (City Slang Records, 1997)
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