Interview: The Hellacopters

Ein kräftiger Tritt in den Arsch

Wenn über die schwedische Szene philosophiert wird, denke ich als ehemaliger Metaller natürlich gleich an die glorreichen Death Metal-Zeiten. Aber in den letzten Jahren hat sich im Land der Elche einiges getan (außer, daß dort ein Auto der A-Klasse nach dem anderen abschmiert). Alternative Rock, uriger Metal, Hardcore und auch rotzfrecher Punk’n’Roll haben sich in den Metropolen und Dörfern breitgemacht. Eine der derzeit besten Punk’n’Roll-Bands ist ohne jeden Zweifel die Truppe um den mittlerweile ehemaligen ENTOMBED-Schlagzeuger Nicke Andersson: THE HELLACOPTERS. Nach ihrem fulminanten Debüt „Supershitty To The Max!“ und einer Split-EP mit dem artverwandten Newcomer GLUECIFER liegt nunmehr mit „Payin‘ The Dues“ ein weiterer Geniestreich aus dem Hause HELLACOPTERS auf meinem Plattenteller. Grund genug bei Schlagzeuger Robert nachzuhaken.

Lieber Robert, ich kann ja akzeptieren, daß ihr innerhalb kürzester Zeit einige Singles, zwei Alben und eine EP auf den Markt bringt, was ich aber nicht verstehe ist, daß es sich bei den HELLACOPTERS doch im Grunde nur um ein Nebenprojekt handelt. Schließlich ist die Band des Spaßes wegen von Nicke (Ex-ENTOMBED) und Dregen (BACKYARD BABIES) initiiert worden. Wo um Gottes willen holt ihr demnach all die Zeit her?

„Witzigerweise werden wir dieses Wochenende wieder ins Studio gehen, um Songs für vier oder sogar fünf neue Singles einzuspielen. Alles reine Vinyl-Geschichten, die je nachdem in Amerika, Spanien und Holland veröffentlicht werden. Jede Auflage wird auf 1.000 Stueck beschränkt sein. Vielleicht werden wir irgendwann eine Single-Compilation rausbringen, die all unsere B-Seiten enthält. Ansonsten könnten einige Fans den Überblick verlieren. Auf der anderen Seite macht uns die ,Untergrundarbeit‘ – also das Veröffentlichen von Singles und EPs auf unterschiedlichen Labels – tierischen Spaß. Somit bieten wird den Plattensammlern ein ganz besonderes Bonbon. Vinyl sieht schließlich nicht nur besser aus, sondern macht sich auch besser im Plattenschrank. Woher wir die Zeit nehmen wolltest du wissen? Nun, eigentlich haben wir keine. Alles ist zur Zeit sehr hektisch. Wir hetzen von Termin zu Termin. Die Songs, die wir am Wochenende aufnehmen werden, haben wir zum Beispiel erst zwei- oder dreimal proben können.“

Da kommen auf die Vinylfreaks unter euch harte Zeiten zu. Selbst ich habe jetzt schon den Überblick über die Veröffentlichungsflut der HELLACOPTERS verloren. Wie wird das erst in ein oder zwei Jahren aussehen? Jetzt wo Nicke bei ENTOMBED das Handtuch geschmissen hat und seine ehemaligen Kollegen mit neuem Drummer weiterhin durch Europa touren (mit MACHINE HEAD übrigens), kann sich der Ausnahmeschlagzeuger und -songwriter in aller Ruhe um die Geschäfte seines „neuen“ Babys kümmern. Langweilig wird es ihm angesichts seiner Pläne bestimmt nicht. By the way, mit gerade jenem Nicke in einer Band zu spielen, ist für Robert eine Ehre.

„Nicke hat ein unglaubliches Talent. Er kann nicht nur gut zeichnen bzw. malen (Er hat alle ENTOMBED-Logos/Covers und alle HELLACOPTERS-Covers entworfen. – Anmerk. d. Verf.), sondern ist ein überdurchschnittlich begabter Musiker. Er hört sofort, wenn eine Gitarre nur etwas verstimmt ist. Er beherrscht nicht nur das Schlagzeug, sondern nunmehr auch die Sechssaiter. Songideen scheinen ihm aus den Ohren zu wachsen. Er schreibt in etwa 90% des HELLACOPTERS- und schrieb rund 75% des ENTOMBED-Materials. Und alle seine Songs sind wirklich klasse.“

Das kann man wohl sagen… Robert ist übrigens noch von etwas ganz anderem völlig begeistert. Er braucht da nur auf die Skandinavientour mit KISS zurückzublicken. Nach einem überall wohlwollend rezensierten Debüt und dem Gewinn des schwedischen Grammy in der Kategorie „Beste Hardrock Band“ war die KISS-Tour das schon oft zitierte Tüpfelchen auf dem i. Ein Undergroundact, der einen der Rockdinosaurier supportet. Unvorstellbar! Da wurden Kindheitsträume zur Realität.

„Ja, das war es tatsächlich. Ich kann es noch immer nicht fassen. Und ich kann dir dieses Gefühl nicht beschreiben, vor KISS auf der Bühne gespielt zu haben. Und wir kamen den Umständen entsprechend noch gut an. Es war unglaublich. Es wird bestimmt noch einige Jahre dauern, bis ich das verarbeitet habe. Solange kann ich mir die Fotos anschauen, die ich Zuhause von mir und KISS an der Wand Hängen habe.“

Eigentlich ist es doch ein Witz, daß Punkrocker, die sich einen Scheißdreck um das System und dessen geschniegelte Geschäftsleute scheren, einen Preis wie den schwedischen Grammy überreicht bekommen. Oder?

„Da hast du keineswegs unrecht. Andererseits ist es toll. Es macht irgendwie doch Spaß, einen solchen Preis in den Händen zu halten, auch wenn er meinen Eltern viel mehr bedeutet als mir. Die Aftershowparty war jedenfalls sehr lustig: Freibier en masse, gutes Essen und ein riesiges Trara. Und bei der Verleihung selbst saßen alle in Anzügen und Kostümen dumm rum, schüttelten sich ganz wichtig die Hände oder applaudierten. Ziemlich verrückte Situation.“

Gerüchte besagen, ihr habt für die nächste Zeit einen Trip nach Graceland geplant, um dort die Villa und jetzige Ruhestätte von Elvis Presley zu inspizieren.

„Ha, ha, das war nur ein Witz, der bis zu unserer Plattenfirma die Runde gemacht hat, die dies dann ins Bandinfo schrieb. Dahinter stecken keine ernsten Absichten, obwohl ich dieses Jahr schon noch hinfliegen will. Ich habe nämlich gehört, daß sie Graceland Ende des Jahres schließen wollen. Und Elvis ist und bleibt mein Idol Nr. 1. Er war der Größte. An ihn kommt keiner ran. Ich mag zwar nicht seine Filme, aber alle Songs, die er zwischen 1968 und ’73/’74 geschrieben hat.“

Und noch etwas: Mit dem einschlagenden Erfolg der HELLACOPTERS hätte innerhalb der Band nie einer gerechnet. Das gibt Robert offen und ehrlich zu.

„Es war als Undergroundprojekt geplant, und ehe wir uns versahen, sprach jeder über uns und wir wurden als das nächste große Ding gehandelt.“

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