Catatonia: International Velvet

Na endlich: starke Frauen sind wieder auf dem Vormarsch, siehe auch Guano Apes… (wie erfrischend nach den klampfenden Betroffenheits-Weibchen a la Tori Amos, Kristin Hersh und Co.). Als musikalische Visitenkarte von Catatonia reicht momentan der Knaller „Mulder and Scully“, an dem mich vor allem die stimmliche Unentschiedenheit der Sängerin Cery Matthews beeindruckt (man KÖNNTE auch „androgyn“ sagen, aber dieser elegante Ausdruck geht an ihrer zupackenden, wenn auch hypnotischen Substanz vorbei)! Und die Frau kann das „R“ rollen, ach was – ausspucken!

Zu Catatonia gehören aber auch noch vier Herren, alle fünf stammen aus Wales und „International Velvet“ ist ihr zweites Album. Zum ersten Mal in meiner unabhängigen Kritiker-Karriere bin ich versucht, dem scheinheiligen Propaganda-„Waschzettel“ des Label in einigen Punkten zuzustimmen: in der Tat kann man den Gesang bisweilen „rotzfrech“ nennen und zwischen „Björk und Kim Wilde“ einordnen, da ist die Rede von „guten Hooklines“ und dem vergeblichen Versuch, Catatonia in die Brit-Pop-Schublade zu stecken, die sie aber augenblicklich sprengen, denn „bei aller Verträumtheit und gehauchter Nettigkeit sind sie pop-militant“! Jawohl!

Aber der Reihe nach: in der Hauptsache sind Catatonia eine deftige Gitarren-Band (das rockt!) mit Melodien, so phantastisch-elastisch und duftig-luftig swingend wie Gummibälle in Aktion! Um´s noch poetischer zu sagen: es klingt, als sprängen kleine nackte lila Elfen behend durch die walisische Fauna – und nähmen von Zeit zu Zeit einen kräftigen Schluck Dosenbier.

Mit den Schubladen ist das tatsächlich so eine Sache: Catatonia legen sich weder auf den typischen Uff-Ta-Ta-Rock fest, noch auf das übliche „Line up“, statt dessen plündern sie, was die Technik so hergibt und experimentieren mit allerlei Elektronik-Effekten. Falls Madonna dies liest: in diese Richtung kann´s also auch gehen! Aber nur so´n bißchen Knöpfchendrehen is´ nicht, Catatonia stellen sich KOMPLETT auf die Synthetik-Sounds ein, geben sich ihnen regelrecht hin und erreichen so einen UNGLAUBLICHEN Trip in die Abgründe des Machbaren zwischen Gitarren-Pop, Industrial und Trip Hop. Um so erstaunlicher, als sie mit links auch noch all den Saiten-Rockern das Wasser reichen, aber das sagte ich schon…

Rhythmisch gibt´s alles von balladesk, stampfig und Bongos, mit dezenten Slide-Guitars, Harmonica, Bläsern etc., und an allen Ecken und Enden hallt es country-mäßig, blubbert und wabert es durch die Schrammel-Oberfläche. Ein heißer Kandidat für den Platz an der Sonne in meiner Jahres-Top Ten… Um´s kurz zu machen: das Rezensions-Exemplar von „International Velvet“ rück´ ich nur unter MASSIVER Gewaltanwendung wieder raus!!!

Catatonia: International Velvet
(Blanco y negro)

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