Continental Drifters: Vermilion

Wo „Blue Rose“ draufsteht, kann nur brillanter Traditions-Rock drin sein. Diesmal hat das Label eine Art „Zweitliga-Supergroup“ (kommt der „zweitbesten Band der Welt“ bei den Simpsons recht nahe) unter Vertrag genommen: unter den sechs Mitgliedern der Continental Drifters befindet sich u. a. Vickie Peterson (Ex-Bangles), Peter Holsapple (Ex-dBs und stiller fünfter Mann bei REM), Marc Walton (Ex-Dream Syndicate) und Susan Cowsill (Ex-Cowsills)!

Sie leben alle in New Orleans, stehen jeden Dienstag im „Howlin´ Wolf“-Club auf der Bühne und wirken auf Photos wie eine große Kommune, die gemeinsam ihren alten Bauerhof bewirtschaftet, ihr Brot selbst backt und so weiter (Holsapple und Cowsill sind übrigens ein Ehepaar). Von Vickie Peterson ist längst aller Glamour abgeblättert (leider), so daß auch sie sich nahtlos in das optische Bild ihrer Kollegen einfügt…

Die Continental Drifters bestehen seit 1992 und haben jetzt mit „Vermilion“ ihr zweites Album veröffentlicht. Ob es wirklich eine solch große Überraschung ist, daß sie nach wie vor bei einem „kleinen“ Indie-Label „stationiert“ sind, wage ich zu bezweifeln. An vergleichbaren Bands falle mir auf Anhieb nur die Wallflowers ein, und die haben nicht nur einen wirklich großen Namen aufzuweisen (allerdings zunächst auch wirklich nur den Namen, wenngleich er die Erwartungen auch in der zweite Generation erfüllt), sondern klingen auch sperriger, faszinierender, düsterer – spezifischer!

In der Sache selbst ähneln sie sich: auch die Continental Drifters machen bodenständigen und (wie man so schön sagt) „intelligenten“ Singer-Songwriter-Folkrock, „Americana“, mal akustisch, mal E. Und ich habe schon lange aufgegeben, in der Singer-Songwriter-Sparte nach wirklichen Innovationen zu suchen, darum geht es hier nicht. Jeder schafft sich seine eigene Nische und drückt der Sache nach Möglichkeit seinen eigenen Stempel auf, aber im Grunde handelt es sich um die Fortführung einer Tradition. Die Drifters knüpfen natürlich auch an die späten 60er an, an Donovan, Pete Seeger, Peter, Paul and Mary etc.: alles nicht gerade Künstler mit polarisierendem Potential. Und das ist mein Vorwurf an die Drifters: ihre Songs sind gut gemacht, haben bisweilen auch Schmiß und Schärfe, aber sie bleiben dennoch zu betulich, haken sich weder im Ohr noch im Hirn fest. Nette, leicht Folk-Kost eben. Mich erinnern sie stellenweise an die die glatte Alternative-Light-Kost Anfang der 90er (Rembrandts, Crowded House etc.) – und das ist in diesem Zusammenhang kein Kompliment, denn dafür sind die Drifters-Stücke nicht „tacky“ genug, dann würden sie sich ja zumindest im Ohr festbohren.

Ausnahmen gibt´s: nämlich dann, wenn sich die Band von ihrer balladesken, melancholischen Seite zeigt. Dann werden die Songs tatsächlich so flirrend, daß sie beim Hören nicht nur berühren, sondern auch beunruhigen. Und das muß ein guter Song, um hängenzubleiben!

Vielleicht urteile ich auch einfach zu voreingenommen aufgrund der vielen Persönlichkeiten unter den Bandmitgliedern. Das Ganze ist eben nicht immer die Summe seiner Teile, schon gar nicht mehr, sondern oft weniger und bisweilen etwas ganz anderes!

Continental Drifters: Vermilion
(Blue Rose/Rough Trade)

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