Arriba, arriba, arriba! Jetzt ruf ich ungefähr zum dritten Mal in diesem Jahr DIE Platte des Sommers aus (aber das merkt bis auf meinen Chefredakteur bestimmt sowieso keiner…).
Der Name läßt vermuten, daß wir uns im Dunstkreis der Estados Unidos Mexicanos bewegen. Sollte man meinen, aber schwer gefehlt! Calexico ist ein Kaff in Kalifornien, hinter dem Projekt stecken zwei Typen der US-Indie-Combo Giant Sand (John Convertino und Joey Burns), und die CD wurde in Tuscon/Arizona eingespielt!!! Aber wer Tacos und Sombrero schon griffbereit hat, braucht sich nicht zu grämen: hier gibt´s fast eine Stunde Tex-Mex vom Feinsten!!! Ich bin sowieso total süchtig nach dem Zeug und meistens so ausgehungert nach Latino-Sound, daß ich sogar Gloria Estefan mit Kußhand nehm. Die Ankunft von Calexico ist da wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Allein die Auflistung der Instrumente liest sich wie ein Wunschzettel: schmetternde Mariachi-Trompeten, scheppernde Banjos, Rumbahölzchen, Pedal steel guitars, Marimba- und Vibraphon, Glockenspiel, Rasseln, Akkordeon, Geigen und Thunder drums. Also, wenn einem da nicht schon das Wasser im Munde zusammenläuft oder so ähnlich…
Ich glaub, die Herren Convertino und Burns waren genauso ausgehungert wie ich und haben einfach einem eigenen Bedürfnis Abhilfe verschafft, denn aus dem ganzen Album spricht die pure Spielfreude. Da haben sich zwei mal so richtig ausgetobt! Hier durften sie sogar auch selbst singen, was ihnen im Band-Verbund von Giant Sand aus gutem Grund verboten ist. (Das weiß ich nicht wirklich, vermute es aber mal, denn mit den stimmlichen Kapazitäten der beiden ist es nicht weit her, doch das tut der Schönheit der Sache keinen Abbruch, ehrlich!)
In anderer Hinsicht macht ihnen jedoch so schnell keiner was vor, und zwar in Sachen „Dramatik“. Die ist in südländischer Musik ohnehin das A und O. Und so ist hier jeder Song wie eine kleine Sinfonie aufgebaut, verschachtelt wie Babuschka-Puppen: ständig kommt eine neue Schicht zum Vorschein. Mal bläst einem das Pathos der Trompeten-Fanfaren die Flip-Flops von den Füßen, manchmal rattern einfach nur wirre Percussions vor sich hin, dann zwirbeln wieder gepfefferte Flamenco-Soli oder es wabert ein Surf-Sound wie Chris-Isaak-auf-Speed. Und bisweilen säuseln unterkühlte Girlie-Vocals im Hintergrund.
Okay, echte Mexikaner würden womöglich lächelnd den Kopf schütteln über diesen liebevollen Versuch, ihre Folklore zu interpretieren. In der Tat klingen die amerikanischen Wurzeln bisweilen hörbar durch: hier wächst zusammen, was nicht zusammen gehört – oder doch? Unterm Strich bleibt eine bizarre CD, die Ihresgleichen sucht und nichts Vergleichbares findet. Erfrischend und einfach zum Schwelgen!
Calexico: The Black Light