Interview: Gry

Die Stimme aus dem hohen Norden
„Ich weiß nur noch, daß ich quasi aus dem Nichts in einen Raum mit vielen Instrumenten kam“ – viele Karrieren haben auf diese Art und Weise begonnen, die uns Gry, eine 22jährige Sängerin aus Kopenhagen, beschreibt. Resultat ihrer Zusammenarbeit mit dem Ex-Einstürzende Neubauten-Haudegen F. M. Einheit ist die CD „Touch of E!“ (Roughtrade), die mit filmreifen Trip-Hop aufwartet. Eine Hyme, ein Melodram, ein Shanty – bunt schillern die Songs allemal und schicken den Hörer auf die eine oder andere Reise durch seine Gefühle und Erinnerungen. Daß Gry schon jetzt mit Größen wie Beth Gibbons (Portishead) und Björk verglichen wird, sei nur nebenbei vermerkt. Martin Schrüfer unterhielt sich mit den beiden Musikern.

Ein deutscher Musiker und eine dänische junge Sängerin – eine ungewöhnliche Kombination. Erzählt mal, wie ihr Euch kennengelernt habt…

Gry: Wir trafen uns in Kopenhagen. Mufti hatte dort zu arbeiten, er schrieb ein dänisches Tanztheater. Dafür wurde eine Sängerin gebraucht.Und dann gab es ein Vorsingen.

Mufti: Ich sollte für das Theater eine Story entwickeln. Vorgabe war, daß eine Sängerin mitmacht. Dann gab es das Vorsingen, das erste in meinem Leben! Es war sehr langweilig. Für die Vorsingenden und mich. Was sollte ich schon sagen? „Schön, können Sie auch das viergestrichene C singen?!“ Dann habe ich Gry gehört und es gefiel mir sehr gut. Dann haben wir uns in meinem Studio getroffen und parallel zu unserer eigentlichen Arbeit beschlossen, eigene Songs aufzunehmen.

Gab es einen bestimmten Funken, eine bestimmte Situation, in der feststand: Ja, wir müssen unbedingt die CD machen?

Gry: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nur noch, daß ich quasi aus dem Nichts in einen Raum mit vielen Instrumenten kam. Das war sehr interessant. Ich kannte Mufti zu dem Zeitpunkt noch nicht so gut, aber er war ganz nett. Ich dachte mir dann, daß das mit der CD eine gute Idee ist. Angefangen haben wir vor etwa zwei Jahren.

Was ist der „Touch of E!“?

Mufti: Wir sammeln zur Zeit Anworten. Im Moment haben wir zehn Erklärungen. Was meinst Du denn?

Wie wär´s mit: Das musikalische E?

Mufti: Gute Idee!

Im Ernst: Was bedeutet für Euch der „Touch of E!“?

Mufti: Das kann vieles bedeuten. Das Album hat viele Facetten. Verschiedene Film-Sequenzen, Gefühle. Es war meine Idee, diesen Titel zu wählen. Der Touch ist wichtiger als das E.

Auf der CD finden sich viele Anklänge an nordische Mythen. Fasziniert Euch das Thema?

Gry: Ich bin der Meinung, daß die alte skandinavische Religion einige sehr starke Geschichten erzählt, und das gibt mir Kraft. Aber das Klischee mit den Wikingern, das mag ich überhaupt nicht.

Gry, bevor Du mit Mufti gearbeitet hast, warst Du an der „Akademie für ungezähmte Künste“ in Kopenhagen. Was kann man sich darunter vorstellen?

Gry: Das ist eine Schule für Künstler aller Art. Filme, Kunst, undsoweiter. Du kannst alles miteinander verbinden.

Mufti: Das ist die beste Schule, die ich je gesehen habe. Ich finde es wichtig, alles zu lernen und sich nicht zu spezialisieren.

Gry: Ich mache dort Theater, Zirkus, Artistik und Musik. Ich mag es, als Musiker viele Inspirationen von allen Seiten zu bekommen.

Mufti, nach Deinem Ausscheiden bei den Einstürzenden Neubauten hast Du viele Projekte gemacht. Welchen Stellenwert hat die CD mit Gry für Dich?

Mufti: Das ist die Zukunft der Musik!

Und Du bist dann der Meister der Zukunft?

Mufti: Nein, im Ernst. Das hier ist nicht mein Ding. Die Sache heißt Gry. Und hier ist Gry. Ich liebe es, verschiedene Dinge zu machen. Musik ist für mich Kommunikation. Andere Leute gehen ins Kino, ich mache Musik, um zu kommunizieren. Mit Gry will ich länger zusammenarbeiten.

Erzählt mir ein bißchen was über Eure Tour in Amerika, die soeben zuende ging.

Gry: Anstrengend.

Mufti: Wir hatten 31 Shows in 31 Tagen.Unterwegs waren wir mit fünf anderen Bands. Einer unserer Leute hatte Meningitis, ich habe mir den Fuß gebrochen auf der Bühne.

Gry: Aber die Konzertbesucher mochten es. Es war eine gute Atmosphäre.

Wie werden Eure Konzerte in Europa ausschauen? Es wird gemunkelt, daß Ihr eine größere Inszenierung plant….

Mufti: Installation das beste Wort dafür. Wir wollen eine individuelle Atmosphäre schaffen – mit der Bühne, mit den Lichtern, mit Projektionen und Kostümen. Aber es soll keine Multimedia-Show werden und auch kein Theater. Der Hauptaugenmerk liegt auf der Musik.

Gry: Aber um uns zu helfen, den Zugang zur Musik zu finden, werden wir zu solchen Mitteln greifen.

Mufti: Das wird auch dem Publikum besser gefallen.

Gry: Mich inspiriert es, in einem Raum zu sein, den ich mit gestaltet habe.

Mufti: Ich gehe nicht mehr zu vielen Konzerten. Weil, nach dem ersten Song weiß ich zumeist, was kommen wird. Immer die gleiche Szene zu sehen, das langweilt.

Glaubst Du, das dieses Konzept Zukunft hat, daß es die Leute satt haben, auf „normale“ Konzerte zu gehen?

Mufti: Das Konzertgeschäft geht immer schlechter. Das interessiert die Leute nicht mehr. Aber wir wollen nicht die Zukunft sein, sondern einfach tun, was uns gefällt. Ich denke aber, daß auch andere dieser Überzeugung sind.

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