München/Substanz 19.10.1998
Eingefleischte Provinzler (zugegebenermaßen bin ich einer davon) schauen mitunter doch neidisch auf das Kulturangebot der großen deutschen Metropolen. Wenn sich dann doch die Gelegenheit ergibt sich in solchen Zentren des medialen Angebots zu bewegen, dann greift man doch gerne zu. So hab ich mir dann eine Ladung Neuseeland-Pop-Noise, den guten Chris Knox nämlich, gegönnt. Straßenkarte rausgenommen, Zielort München-Südbahnhof anvisiert und erfolgreich erklommen. Die erste Schlacht ist geschlagen, das Auto ist geparkt (das ist ja schon was für die Leut aus der Provinz). Das Substanz selbst ist dann eher eine Enttäuschung. Auch in München spielen durchaus gute Leute auf kleinen Bühnen, mit kleinen Anlagen vor relativ wenig Leuten. Soviel zur Provinz, kommen wir zu Chris Knox.
Chris Knox gehört in die Schublade Neuseeland – Flying Nun. Auf dem Flying Nun Label (80% der Veröffentlichungen kann man blind kaufen) erscheinen neuseländische Bands in einer Anzahl, das man den Eindruck gewinnt, daß Neuseeland nur aus Schafen und Musikern besteht. Munter wechseln die Musiker zwischen verschiedenen Bands hin- und her und machen doch immer wieder diese wunderbar schräge und doch schöne Popmusik, die dann auf Samplern oder regulären Alben erscheint. The Clean, The Chills, Talldwarfs David Kilgour und eben Chris Knox sind einige Namen aus den Veröffentlichungen des Labels. Chris Knox ist vielleicht der schrägste Vogel unter den genannten, was er dann auch im Substanz in München unter Beweis stellt. Er beginnt das Konzert damit, daß er sich zunähst mal auszieht! In Shorts und französischen Strandschlappen schnallt er sich dann die Ovation E-Gitarre (!!!) um und schrammelt sich, als eine Art neuseeländischer Bob Dylan durch das Konzert. Bewaffnet mit Kopfmikro, Drumcomputer und Gitarre und mit einem Humor, der nicht aus Deutschland kommen kann, singt er seine Texte vom Notenständer ab und bietet nicht gerade das, was man schon mal als professionelles Konzert gesehen hat (aber vielleicht nie sehen wollte).
Eigentlich steht ein wichtiger Satz schon am Anfang des Konzertes (noch bevor er die Hose auszieht und lange bevor er zu singen anfängt). „He Leute: In der letzten halben Stunde ist hier mehr Musik aus Neuseeland gelaufen, als in Neuseeland selbst gespielt wird“ (Den gleichen Eindruck hatte ich auch immer bei den sogenannten Neo-folk Bands aus San Francisco) Vollkommen unkompliziert wird der Zuschauer Teil des Konzertes: „Soll ich die Gitarre etwas lauter machen? So? Laut genug?“ Ich kann mir nicht vorstellen, daß Mick Jagger so eine Frage stellen würde. Dann irgendwann steht Chris Knox mit seiner Gitarre zwischen den Zuschauern und rockt ganz heftig auf E-Dur, das kann man sich bei Keith Richards auch nicht mehr vorstellen. Ich bin dann immer wieder ganz gerührt, wenn neben dem schrägen Geschrammel eine Popmelodie erstrahlt, die nicht von dieser Welt zu kommen scheint. Zwischen den Liedern macht er immer mal wieder darauf aufmerksam, daß es anschließend noch wunderbare Platten von ihm zu kaufen gäbe „Nur fünundzwanzik Mak“. Ich hab mich dann auch brav angestellt und zwei Exemplare gekauft. Chris Knox hat dann noch jeweils ein Bildchen draufgemalt und ich bin gutgelaunt nach Hause gefahren. Klein aber mein.
(fw)