Es könnte ganz gut passieren, daß sich Herr Distelmeyer mit seinem neuem Album „Old nobody“ von seiner alten Fangemeinde verlassen sieht. Er macht es ihr auch nicht gerade leicht. Hat er doch jetzt den Sound der Achtziger für sich entdeckt. Insbesondere der Sound von George Michael und von Prefab Sprout hat es ihm angetan. Dumm nur, daß sich der größte Teil seiner Hörerschaft von diesem Sound eher peinlich berührt fühlen dürfte und damit wohl auch kaum Verständnis für seine neu entdeckte Liebe zu cleanen Pop-Sounds aufbringen kann. Unverdient, wie ich meine. Denn Jochen Distelmeyer hat die seltene Gabe Emotionen in Worte zu fassen und damit auch dem Zuhörer verständlich zu machen. Er hat wohl auch die Frau seines Lebens getroffen, zumindest hat er sich die letzten beiden Jahre ausführlich mit der Thematik beschäftigt.
War auf den vorherigen Alben noch der Staat und das Individuum das Thema, so ist jetzt die Zweierbeziehung das große Thema. Es sind Liebeslieder, die dabei herauskommen. Und natürlich mußte auch ich beim ersten Song schlucken, denn der Pur-Vergleich drängt sich automatisch auf. Aber, Jochen Distelmeyer erreicht mit seinen Texten entschieden mehr Tiefe. Und genau das macht den entscheidenden Unterschied. Den Vorwurf, Blumfeld würden sich mit diesem Album an den Mainstream verkaufen, ist auch nicht zu halten, bedient sich Diestelmeyer doch eines Sounds, der einmal Mainstream war, aber schon lange nicht mehr ist.
Und selbst, wenn es so wäre, bliebe es uns allen zu wünschen, daß der neue Sound von Blumfeld auch der neue Mainstream wird. Dann könnte man beim Spülen wieder Radio hören. Aber so weit wird es nicht kommen, denn Distelmeyers Party ist der Text und an der wird die Masse nicht teilnehmen können. So wie sich Bob Dylan immer wieder neu erfindet, hat sich Blumfeld mit dieser Platte neu erfunden. „Ein neuer Sound, ein neuer Sinn“ wie er, im besten Song des Albums „So lebe ich“ selbst sagt. „Im Selbstversuch den Schmerz zu lindern“.
Danke schön, klasse.
Blumfeld: Old Nobody
(Big Cat/Rough Trade)