Steve Marriott’s All Stars: Clear Through The Night

Wer hätte das gedacht! Von seinem tragischen „Rauch(er)-Tod“ ab mußten die Fans glatte acht Jahre warten, bis endlich ganz offiziell und somit legal eine Doppel-CD mit ausgewählten Stücken aus seinem umfangreichen akustischen Nachlaß erscheinen konnte. Toni Marriott, die Witwe des legendären Shouters und Songwriters, hatte sich lange Zeit quergelegt, mit einstweiligen Verfügungen früher angesetzte Veröffentlichungen torpediert. Was bislang auf den Markt kam, waren entweder lieblos edierte, halbprofessionelle Live-Mitschnitte aus den späten 80er bzw. sehr frühen 90er Jahren oder zusammengehauene Bootleg-CDs mit zwar raren Studioaufnahmen, dafür in meist miserabler Klangqualität. Einzig das kurz nach Steves Ableben von seinem ehemaligen Keyboarder Tim Hinkley im Selbstverlag(!) erschienene Album „Scrubbers“ lohnte wirklich, wenngleich es weder autorisiert, geschweige denn klangtechnisch bearbeitet worden war.

Auch „Clear Through The Night“ sollte längst erschienen sein, und immer wieder kursierten Gerüchte, es enthielte Aufnahmen von Studiosessions des glücklosen Steve Marriott’s ALL STARS-Projektes. Und damit stellt sich auch schon eine erste (kleine) Enttäuschung ein. Denn 2/3 der auf „Clear Through…“ dokumentierten Songs stammen von jenem „Scrubbers“-Album, wurden also nach dem HUMBLE PIE-Split 1974 aufgenommen. Lediglich fünf Songs (plus sieben Instrumentals auf der 2. CD) gehen tatsächlich auf die ALL STARS-Sessions, die 1975/76 stattfanden, zurück. Sei’s drum: Alles in allem ist „Clear Through The Night“ trotzdem lohnend: Es zeigt nämlich einen hin- und hergerissenen Künstler, der nach der Teenie-Beat und Psychedelic-Phase mit den SMALL FACES und dem Stadion-Blues- und Hardrock mit HUMBLE PIE neue, und zwar eigenverantwortliche Wege sucht. Marriott war mit dem ersten Entwurf eines Soloalbums bei seiner Plattenfirma abgeblitzt (im Prinzip das „Scrubbers“-Material), weil er zu schräg und sperrig, sprich zu unkommerziell klang. Dabei hatte er stilistisch eine ungeheure Bandbreite zu bieten: von Country & Western-Feeling („Bluegrass Interval“; „You’re A Heartbreaker) über satten Blues-Rock („Signed Sealed“) zu White Soul („I Need A Star In My Life“) bis hin zu strammem Funk à la James Brown („Don’t Take But A Few Minutes“). Vermutlich war auch der Sound nicht glatt genug: Mit seiner backing group (Greg Ridley, Ian Wallace, Mickey Finn) setzte Marriott auf klare, straighte Arrangements ohne dekorativen Firlefanz. Daß er letztlich doch klein beigeben mußte, bewies dann ja das Album „Marriott“, das zumindest zur Hälfte völlig überproduziert war.

Das bislang unveröffentlichte Drittel auf „Clear Through…“ weist z. T. bereits auf die sich abzeichnende SMALL FACES-Reunion hin: Der augenzwinkernde Groupie-Song „Ruthy“ hätte auch gut auf „Playmates“ gepaßt, ebenso wie das funkige „The Things You Do“. Bei „Midnight Rollin'“ und „Wham Bam Thank You Mam“ handelt es sich „lediglich“ um zwei Alternativ-Versionen des „Marriott“-Albums, dafür überrascht das letzte Stück auf dieser CD, eine seltsame, aber sehr wohl gelungene Gospel(!)-Fassung des Dylan-Klassikers „The Times They Are A Changin'“.

Man darf nun gespannt sein, was NEW MILLENNIUM und Toni Marriotts Firma „Steve Marriott Licensing“ noch zu bieten haben. Geplant sind jedenfalls fünf(!) weitere CDs für die nahe Zukunft. Lohnenswerter Stoff ist bekanntlich noch zur Genüge vorhanden.

Steve Marriott's All Stars
Clear Through The Night
(New Millennium/EfA)

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