Neues von La Faithfull, die zuletzt einen Gast-Auftritt auf Metallicas „Re-Load“ hatte und mit Alex James von Blur zusammenarbeitete. Woran man unschwer erkennt: die Frau ist ein Klassiker, eine Ikone – und schließlich seit 30 Jahren im Geschäft!
Auch wenn sie nicht wirklich singen kann, auch wenn sie immer noch nur in Balladen macht, auch wenn sie einst als Geliebte so ziemlich aller Ur-Stones bekannt wurde und sich danach vornehmlich durch Abtreibungen, Drogenexzesse und Selbstmordversuche hangelte – nein, stimmt nicht, die Frau hat daneben noch einen Sohn großgezogen und schlicht überlebt!
Irgendwie bleibt sie eine tragisch-komische Figur, die ihre Musik als Waffe einsetzt gegen alles und jeden, ob man sie nun hören will oder nicht, ob sie nun eine wirkliche Musikerin ist oder nicht. Hölzern wirkt ihr Gesang, statisch und monumental ihre Songs, kratzig und zerstört diese Stimme mit dem Profil fabrikneuer Pirelli-Reifen, eingeschmiergelt und gemeißelt in jahrzehntelanger Odyssee durch Ups and Downs. Von „gebrochener Schönheit“ eben…
Und trotz allem hat die Frau Klasse! Vielleicht weil sie sich gerade so wenig darum schert, was andere denken, weil sie so wenig zu sein versucht, was sie nicht ist. Nein, Marianne Faithfull ist eine ehrliche Haut, sie kann ja auch gar nicht anders, nachdem alle Welt weiß, was andere Frauen nichtmal ihrem Tagebuch anvertrauen würden. Sie trägt keinen aufgesetzten Heiligenschein und bleibt im Grunde ihres Herzens ein Luder – ein Luder aus bestem Hause, als Tochter einer österreichischen Baronesse und eines englischen Literaturprofessors – ach, der Mythos „Marianne Faithfull“ ist unergründlich, auch wenn das Fabelwesen der Swinging Sixties sich längst verflüchtigt hat.
Zurück zur Musik: Faithfulls Gesang hat was Brecht´sches, Häßliches und Dilettantisches – oder umgekehrt: etwas Einfaches, Naives, Verletzliches und Zerbrechliches, ganz wie man will. Ihre Welt scheint aus Dunkelheit, dicken Vorhängen und Kerzen zu bestehen, und es gehört viel Mut dazu, mit dieser „Stimme“ so pathetisch zu singen. Aber es wirkt! Die Songs sind klasse (zum Großteil selbstgeschrieben, der Rest von Roger Waters – der im Booklet mit Druckfehler als Roger „Walters“ firmiert! -, Leonard Cohen, Elton John/Bernie Taupin und Daniel Lanois). Lanois hat zwar nur seinen eigenen Take selbst produziert, trotzdem scheint er irgendwie dem ganzen Akbum seinen Stempel aufgedrückt zu haben, es klingt sozusagen „lanois-esque“: flächig, getragen mit Synthies und viel Hall. Aber es gibt auch klassisches Piano und Streicher-Arrangements – alles vom Feinsten! Die Songs sind eingängig und melancholisch mit hohem Gänsehaut-Faktor, und im Grunde ihres Herzens muß die Frau einen Funken Musikalität haben, denn das Album ist wirklich toll, sehr spannungsgeladen und erstklassig umgesetzt!
Marianne Faithfull: Vagabond ways
(it Records/Virgin)