Kolumnen sind besonders unter Hinternet-Mitarbeitern schwer beliebt. Insofern habe ich mir es nicht nehmen lassen, mit Phat World eine weitere in Angriff zu nehmen. Diese wird (hoffentlich) monatlich erscheinen und wird sich der nationalen wie internationalen HipHop-Musik widmen. Ich denke, es macht Sinn, sich in kondensierter Form mit diesem ausuferndem Thema zu beschäftigen. Die Besprechungen werden kurz und bündig und in einen Fließtext eingebaut sein.
Der Wu-Tang Clan ist wie immer schwer aktiv im HipHop-Dschungel und hat seine Machete gewetzt. Da wäre zuerst GZA/Genius zu nennen. Der hat gerade sein drittes Album („Beneath The Surface“, MCA/Polydor) auf den Markt gebracht und kündigt auf diesem bereits sein viertes Werk für den kommenden Dezember an. Ihm scheint es langweilig geworden zu sein, sind seine Kollegen in letzter Zeit bekanntlich mehr mit Gerichtsverfahren denn mit Musik zugange. GZA/Genius selbst spricht von einem „Sommeralbum“, doch ganz so fröhlich ist „Beneath The Surface“ nicht geworden. Aber typisch Wu-Tang. Furztrocken und kalt, teilweise sogar etwas zu reserviert und einfach strukturiert. Viele seiner Clan-Freunde schauten natürlich im Studio vorbei: Ol‘ Dirty Bastard, Killah Priest, RZA, LA The Darkman und Method Man. Alles in allem nicht groundbreaking, aber zumindest qualitativ besser als viele der anderen Wu-Tang-Ergüsse, die monatlich die Plattenläden überschwemmen. Ich denke in diesem Zusammenhang an das Wu-Syndicate und dessen Obergangstas MYA Lansky und Joe Mafia (Wu-Tang Records/PIAS/Connected). Bei denen hat es nur für ein durchschnittliches Album gereicht. Einzige Höhepunkte: „Pointin‘ Fingers“, „Global Politics“ und „Weary Eyes“. Völlig uninteressant ist hingegen „The RZA Hits“ (Epic/Sony Music) von Ober-Wu-Tang-Guru RZA. Ein mauer Überblick über seine Produktionskünste, die wahre Wu-Tang-Fans sowieso schon in der ein oder anderen Form im Regal stehen haben.
In diesem Monat sind auch zwei ganz alte Hasen des Business mit von der Partie. EPMD lassen in Form von „Out Of Business“ (Def Jam/Mercury) mal wieder von sich hören. Es ist das zweite Album der Band seit ihrer Reunion im September 1997. Wir erinnern uns: Nach den Alben „Strictly Business“, „Unfinished Business“, „Business As Usual“ und „Business Never Personal“ ging das Duo im Streit auseinander. Die beiden Macher, Erick „E“ Sermon und Parrish „PMD“ Smith, beides anerkannte HipHop-Pioniere, strebten daraufhin Solokarrieren an. Vor drei Jahren gaben sie überraschend ihre Versöhnung bekannt. Die HipHop-Gemeinde atmete auf und freute sich über das Comeback-Album „Back In Business“. Anno ’98 hat das Duo einmal mehr nichts von seinem Charme eingebüßt. Sermon und Smith spielen ihre ganze Routine aus und servieren ein vorzügliches Old School-Menü, das sie im Nu wieder ins Gespräch bringen wird.
Die anderen Pioniere heißen Public Enemy. Die wollen natürlich alles daran setzen, ihren schwachen „He Got Game“-Output mittels „There’s A Poison Goin On…“ (PIAS/Connected) vergessen zu machen. Obwohl Public Enemy bei mir nicht mehr die Begeisterung früherer Tage hervorrufen können, könnte ihnen wie auch schon EPMD ein erfolgreiches Comeback gelingen. Das Potential hat die Band sicherlich. „There’s A Poison Goin‘ On…“ klingt modern, frisch und eindeutig nach Chuck D, Flavor Flav, Professor Griff, Terminator X und der Security Of The First World. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und wer sich öfter bzw. länger mit dem Werk befaßt, der wird dessen Stärken erkennen. „Do You Wanna Go Our Way?“ mit seinen spacigen WahWah-Gitarren, das smarte Stück „Crash“, der Polit-Track „41:19“, das verrückte „Crayola“ oder die Old School-Nummern „First The Sheep Next The Sheperd?“ und „I“ lassen alte Wunden schnell verheilen. Einige Tracks so etwa „Here I Go“ und „LSD“ sind weniger gelungen. Da sind es meist dann aber Chuck Ds exzellente Texte, die einen versöhnen. Fazit: Public Enemys Kurve zeigt wieder nach oben.
Von den Alten zu den Jungen. Ugly Duckling gehören zu den besseren Newcomern der Szene. Sie stammen aus Long Beach, California, und haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem düsteren und Gewalt verherrlichenden HipHop den Kampf anzusagen. „Fresh Mode“ (Bad Magic/PIAS/Connected) klingt daher nach De La Soul, A Tribe Called Quest, The Pharcyde und Jurassic 5. Mit der Unterstützung von ‚Bad Magic‘, einem Sublabel von ‚Wall Of Sound‘, wollen sie der HipHop-Szene den grimmigen Blick auszutreiben. „Fresh Mode“ scheint dafür ein gelungenes Rezept zu sein. Hört euch am besten „Get On This“, „Einstein’s Takin Off“, „Everybody C’mon“ oder „Everything’s Alright“ an, und ihr werdet meine Begeisterung verstehen. Leider sind es nur acht Tracks und damit knapp 28 Minuten, die uns den Tag versüßen.
Ebenfalls aus California stammt Peanut Butter Wolf, der uns „My Vinyl Weights A Ton“ (Coapasetik/Groove Attack) anbietet. Hier ist keine Crew am Werk, sondern ein Ein-Mann-Unternehmen, und das hört im bürgerlichen Leben auf den Namen Chris Manak. Er ist DJ, Producer und Labelmacher (‚Stones Throw‘) in einer Person. Diese Vielseitigkeit hat ihm einen guten Ruf in der Bay Area beschert, in der er seit 1987 als Peanut Butter Wolf aktiv ist. Auf seinem zweiten Output (Zuvor hatte er „Peanut Butter Breaks“, ein Instrumental-Album, gemacht.) haben Q-Bert (Skratch Piklz), Cut Chemist (Jurassic 5) und Kid Koala (Ninja Tune) Beats beigesteuert und Planet Asia, Rasco und Lootpack zeichneten sich u.a. für das MCing verantwortlich. Das Ergebnis ist dementsprechend überzeugend und liebäugelt häufig mit der alten Schule. Von überproduziertem, sattem New School-Gangsta-Nuschel-HipHop ist nichts zu hören.
Da ich sie schon im Zusammenhang mit Peanut Butter Wolf erwähnt habe, möchte ich natürlich auch das Debüt von MC Madlib, MC Wild Child und DJ Romes alias Lootpack in dieser Kolumne aufführen. „Soundpieces – Da Antidote!“ (Stones Throw/Groove Attack) ist logischerweise auf dem Label von Chris Manak erschienen, der nicht umsonst von Lootpack, Teil der Likwit Crew (Xzibit, Defari, Tha Alkoholiks), angetan ist. West Coast underground hiphop is coming to ya! Der Zusammenhalt stimmt jedenfalls, denn guest features sind reihenweise zu verzeichnen. Lootpack sind aber nicht auf das große Geld aus. Sie haben sich andere Ziele gesetzt: zu den Wurzeln zurückzukehren. Es ist der B-Boy-Style, der eine Renaissance erfahren soll. Gute Idee und danke. Es war an der Zeit, die Roots auszugraben.
In Sachen Best Of-Scheiben haben wir in diesem Monat zwei Veröffentlichungen zu vermelden: Gang Starr alias Guru, Begründer von Jazzmatazz, und DJ Premier haben für ihr zehnjähriges Jubiläum „Full Clip: A Decade Of Gang Starr“ (Noo Trybe/Virgin America/EMI) kompiliert. 32 Tracks haben die beiden Jazz-Fanatiker gefunden, die ihrer Meinung nach einen guten Überblick über ihr Schaffen geben – darunter ihre Hits „Mass Appeal“, „Dwyck“, „Step In The Arena“ und „You Know My Steez“. Es handelt es sich aber nicht ausschließlich um Altbekanntes; auch neuere Stücke haben sie drauf gepackt. Um so besser für den Fan, der mit dieser Doppel-CD lots of value for lots of money bekommt.
Der zweite Best Of-Beitrag kommt von Naughty By Nature, die Mitte der Neunziger einige Male die Charts stürmen konnten. Ihre bekanntesten Hits sind wohl „Hip Hop Hooray“, „O.P.P.“ und „Everything’s Gonna Be Alright“. 1996 wurde ihr Erfolg mit einem Grammy als bester Rap Act gekrönt. Aber wem erzähle ich das. Wer „Naughty By Nature“, „19 Naughty III“ und „Poverty’s Paradise“ nicht sein Eigen nennt, sollte sich wenigstens „Nature’s Finest“ (Tommy Boy/eastwest) besorgen.
Zum Schluß ein deutscher Vertreter der HipHop-Gilde. Die Rede ist von dem Dortmunder Trio Too Strong, d.h. Der Lange (Raps), pureDoze (Sounds, Raps) und Funky Chris (Sounds, Scratches). Ihr selbst produziertes Album „Die Drei Vonne Funkstelle“ (Virgin) ist von der Ruhrpott-Sickness gekennzeichnet. Die Beats sind schwer, die Texte kaum erheiternd, aber wie gewohnt selbstdefinierend. Da werden Fans von Fischmob, Absolute Beginner und 5 Sterne Deluxe ihr ständiges Grinsen abstreifen müssen, denn der Ruhrpott bleibt verdammt ernst. Bei „Elektro-Funk“ und „Die Drei Vonne Funkstelle“ sind die Namen Programm und „2 von 7 aus 98“ ist eine interessante Umsetzung eines Eurythmics-Hits (Titel leider vergessen). Too Strong haben ein verdammt gutes Gespür für die etwas anderen Samples. Daumen hoch für das engagierte Trio.