Eins vorweg: Wieder ist Phat World nicht pünktlich erschienen. Das nehme ich voll und ganz auf meine Kappe. Es lag wirklich nicht an dem von Viren oft befallenen Chefredakteur; es lag allein an meiner Trägheit. Daher habe ich mir zur Strafe (so wie die Bayern) ein Eigentor geschossen und musste satte 27 (!) Scheiben in Augenschein (?) nehmen. Auf einen Schlag. Dazu gehörten Angie Stone, Black Rob, Bone Thugs-N-Harmony, D’Angelo „Voodoo“, Del The Funky Homosapien, D.I.T.C., DJ Food, DJ Krush, Dynamite Deluxe, Ghostface Killah, Ice Cube, J-88, MC Paul Barman, Rascalz, Royal Fam, Screwball und die Stereo MC’s. An Samplern hätten wir in petto „Ghost Dog: The Way Of The Samurai“, „Hip Hop 101“, „Next Friday“, „Romeo Must Die“, „Urban Renewal“ und „Word Lab“ während in der deutschen Abteilung Curse, Thomas D und Freundeskreis bereitstehen. Uff!
Angie Stone ist heute 34 Jahre alt und sie arbeitete zuvor mit verschiedenen Künstlern zusammen bis dass ihr Solowerk das Licht der Welt erblicken konnte. Erst war sie Rapperin bei The Sequence, einer Band aus dem Sugar Hill Records-Kontext, dann Sängerin in der Gospel-Formation Vertical Hold. Es folgten Gastfeatures als Sängerin und/oder Co-Songschreiberin bei Malcolm McLaren (nicht der Rennfahrer! – sorry, Insiderwitz), Lenny Kravitz, Ali Shaheed Muhammed (A Tribe Called Quest) und ihrer bezaubernden Kollegin Mary J. Blige. Ganz besonders gefruchtet hat ihre künstlerische wie private Beziehung zu D’Angelo. Das Ergebnis: Gegenseitige Features auf den Alben sowie ein gemeinsamer Sohn namens Michael D’Angelo Archer II. Letztes Jahr räumte Angie Stone dank ihres fesselnden Albums „Black Diamond“ (Devox/Arista), das übrigens ihrer Tochter Diamond gewidmet ist, in den Staaten ab. Der Titel „Album Of The Year“ wurde ihr vom Billboard Magazine verliehen und das nicht zu Unrecht. „Black Diamond“ erreichte nämlich Goldstatus. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie es noch zu Platin bringen wird. Musik und Stimme gehen eine perfekte Synthese ein. Erinnerungen an Sade werden sogar wach. Mit ihrer Version des Marvin Gaye-Stückes „Trouble Man“ hat sie eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Dieser Song geht wie alle anderen unter die Haut. Angie Stone ist das weibliche Pendant zu D’Angelo und das in vielerlei Hinsicht. Wer ihn mag, muss auch sie mögen. Klasse!
Darf ich einmal die britischen Kollegen vom NME zitieren? Okay, dann geht es jetzt los: „Diese HipHop-Lebensgeschichte ist wohl kaum das unflätigste persönliche Testament das wir bis dato gehört haben. Andererseits ist Black Rob da, um zu verkaufen, was keine Überraschung ist. Und mit Puffy, der sich im Hintergrund herumtreibt, weiß man eben, dass es wichtiger ist, wie viele Einheiten über den Ladentisch gehen, denn darum ob die Leute zum Tanzen gebracht werden. Doch Black Rob verkauft unheimlich viel in den USA, you know.“ Ja, so hart können sie sein, die Kritiker von der Insel. Damit liegen sie auch vollkommen richtig, denn mehr als lockeres, seichtes und übliches HipHop-Geblubbere kommt auf „Life Story“ (Bad Boy/Arista) nicht rüber. Puff Daddy hat sich mit dieser Verpflichtung zumindest in Sachen Kreativität keinen guten Dienst erwiesen. Doch wie gesagt, aufgrund der Gastauftritte von Lil‘ Kim (einmal), Puff Daddy (dreimal) und Jennifer Lopez (einmal) rollt immerhin der Rubel. Gähn!
Die ehemalige Cleveland-Crew Bone Thugs-N-Harmony meldet sich zurück. „BTNHRESURRECTION“ (Ruthless/Epic/Sony Music) heißt das neue Werk des mittlerweile in Los Angeles ansässigen Rap-Quartetts. Layzie Bone, Krayzie Bone, Wish Bone und Bizzy Bone erzählen einmal mehr ihre Geschichten von der Strasse. Drogenhandel und Drogenkonsum sind die zentralen Themen. Natürlich geht es um Weed, doch mit dem Song „Ecstasy“ meldet sich auch eine andere Droge zu Wort. Obwohl ich diese Drogenverherrlichung persönlich kaum gutheißen kann, muss ich gestehen, dass „Ecstasy“ das mit Abstand beste Stück auf „BTNHRESURRECTION“ ist. Vielleicht wegen des für Bone Thugs-N-Harmony typischen Musters. Doch auch die anderen Tracks zeigen die früheren Easy E-Schützlinge in bester Verfassung und sind Paradebeispiele für ihre West Coast-R’n’B-Mischung, die sie in den letzten Jahren so berühmt gemacht hat.
Ich knie nieder und verbeuge mich zutiefst vor diesem Meisterwerk. Nach seinem Solo-Debüt „Brown Sugar“ meldet sich Michael Archer alias D’Angelo in eindrucksvollster Weise zurück. „Voodoo“ (EMI) packt dich tief in deinem Innersten zärtlich und fesselt dich ohne dir wehzutun. Soul hat ein neues Kind, das da D’Angelo heißt. Ein Mann geht seinen Weg und der wird ganz weit nach oben an die Spitze des Eisberges führen. Ihm zur Seite standen keine geringeren als seine Ex-Freundin und Mutter seines Kindes, Angie Stone, Q-Tip, DJ Premier von Gang Starr, Method Man mit seinem Duett-Kumpel Redman und Ahmir Thompson, Schlagzeuger der Genies The Roots. Muss jetzt noch viel gesagt werden? Ein jeder sollte mittlerweile von D’Angelo gehört haben und von seiner Stimme mitgerissen worden sein. An ihm sollte keiner vorbeikommen. Obwohl er bereits von allen Seiten mit Lob überschüttet wurde, kann auch mir nicht die „ultimative Lobhudelei“ verkneifen. Sorry, Michael Archer hat es einfach verdient.
Der Mann, der dank des ’91er Chartstürmers „Mistadobalina“ bekannt wurde, meldet sich nach langer Schaffenspause wieder zu Wort. Del The Funky Homosapien, der Cousin von Ice Cube, hat sich aufgerafft und „Both Sides Of The Brain“ (Hieroglyphics Imperium/Groove Attack) im Kreise des kleinen West Coast-Indielabels eingespielt. Vorab gab es bereits den Labelsampler „3rd Eye Vision“ zu bewundern, nun endlich das vierte Soloalbum des unverkennbaren Rappers. „Both Sides Of The Brain“ wird all diejenigen vertrösten, die sich lange gefragt haben, was aus diesem verrückten MC geworden ist und ihn vermisst haben. Ein überdurchschnittlich gutes Album, das mit keinem anderen aktuellen Release verglichen werden kann.
Sie werden uns als eine Art Supergroup verkauft. Fat Joe, Diamond, Big L, O.C., Show, Buckwild, Lord Finesse und A.G. Ihr Name: D.I.T.C. alias Diggin‘ In The Crates. „D.I.T.C.“ (Tommy Boy/eastwest) heißt ihr Album und es ist nach mehrmaligen Hören immer noch nicht so richtig in meinem Ohr explodiert. Es klingt wie der typisch amerikanische, gehypte HipHop, der mehr belanglos und langweilig als interessant und intelligent aus den Boxen pumpt. Nichts für mich.
Falsch! DJ Food ist keine Einzelperson. DJ Food sollte im Deutschen besser DJ-Food geschrieben werden. Soll meinen, hier ist kein Einzelner am Werk, sondern eine Gruppe. Ihr Name bezeichnet deshalb auch den Begriff „Nahrung für den DJ“. Verstanden? Egal. Heutzutage – es gab bereits mehrere Konstellationen unter dem Banner DJ Food – besteht die Gruppe aus den beiden Köpfen PC alias Patrick Carpenter und Strictly Kev. Sie sind jedoch nicht alleine und werden von Bundy K. Brown, Ken Nordine und Ali Tod unterstützt. Die Herren Matt Black und Jonathan More hatten diesmal keine Zeit, da sie mit dem kommenden Coldcut-Werk beschäftigt waren. Wie auch immer, das letzte reguläre Food-Album erschien im Oktober 1995 („Recipe For Disaster“). Insofern ist „Kaleidoscope“ (Ninja Tune/Zomba) bemüht, das Interesse der Fans wieder zu wecken und ein weiteres Mal für dieses einzigartige Projekt zu gewinnen. Kreativität und Ausgefallenes stehen im Vordergrund. Jazzige Klangspektren und HipHop sind es, die es den Sound-Bastelfreaks angetan hatten und somit kann der Hörer mit „Kaleidoscope“ ein farbenreiches, unterhaltsames und achterbahnmäßiges Scheibchen erwarten, das so einige Überraschungen auf Lager hat. Binnen Sekunden werden ganze Genres abgehakt, wird durch die musikalische Geschichtsschreibung geblättert. Ein belebendes Stück DJ-Kultur, das aus der momentanen Veröffentlichungsflut herausragt und einen mehr als positiven Nachgeschmack hinterlässt. Es ist detailverliebt und spannend und sollte am besten im stillen Kämmerlein (wenn möglich nachts) verzehrt werden. Habe ich selbst getestet. Ach ja, ab dem dritten Lied geht es erst richtig los.
Mixalben scheinen immer mehr in Mode zu kommen, obgleich ich mich mit dieser Entwicklung weit weniger anfreunden kann als andere meiner Kollegen. Aber ich muss gestehen, dass DJ Krush mit „Code 4109“ (Columbia/Sony Music) selbst mich überzeugt hat. Er stammt aus Tokio, arbeitete in der Vergangenheit mit Nas, DJ Shadow, The Roots, Guru (Gang Starr), Mos Def und MC Solaar. Die Liste scheint endlos und könnte unbeliebig lange fortgeführt werden. Sei es HipHop, Jazz, Rock oder Dub, DJ Krush kann sich für fast jede Stilrichtung begeistern. Diese Offenheit kommt seinen eigenen Kreationen zugute. Er ist ein Meister seines Fachs und jeder sollte ihm ruhig eine Chance geben – auch wenn ein Mixalbum eigentlich nicht euer Ding ist.
Es wird immer wieder kritisiert, dass nach der Veröffentlichung von „Wu-Tang Forever“ der Clan auseinander zu brechen drohte und die mit ihm assoziierten Releases von Orientierungslosigkeit und Uninspiriertheit gezeichnet waren. Ein Punkt für die Kritiker. Der nächste geht jedoch an den Clan, denn der ist wieder am Start und weiß zu kontern. In den letzten Wochen häufen sich die besseren Wu-Produkte. Ghostface Killahs „Supreme Clientele“ (Razor Sharp/Epic/Sony Music) bildet da keine Ausnahme dieser neu definierten Regel. RZA hat das Mischpult wieder an sich gerissen und höchstpersönlich dafür gesorgt, dass der Wu-Tang Clan wieder im besseren Licht dasteht. Raekwon, Cappadonna, Method Man, Masta Killah, Redman und GZA zieren die obligatorische Gästeliste. Fast könnte man von der ersten gemeinsamen Wu-Tang-Platte seit „Forever“ sprechen – zumindest mutmaßen dies einige meiner schreibenden Kollegen. „Apollo Kids“ ist gar ein fast ebenbürtiger Nachfolger von „Daytona 500“, dem besten Stück seines ersten Solo-Joints „Ironman“ (1996). „Supreme Clientele“ ist intelligent, Wu-würdig, abwechslungsreich und schlichtweg ein Muss.
Seien wir doch einmal ehrlich. Ice Cube hat seine kreativste Phase bereits hinter sich und hält sich nunmehr ganz gut über Wasser. Was nicht heißen soll, dass „War & Peace Vol. 2 (The Peace Disc)“ (Priority/Virgin) nicht besser ist als der zeitgenössische Durchschnitt, der aus den Staaten zu uns rüberschwappt. Leider aber kann auch dieser Release „The Predator“, meinem bis dato favorisierten Ice Cube-Album, nicht das Wasser reichen. Na ja, zumindest nicht ganz. Der Gute wird eben auch nicht jünger. Vielleicht ist er zu sehr mit der Filmindustrie beschäftigt. Nicht nur war er einer der drei Hauptdarsteller in „Three Kings“, nein, er kümmerte sich noch um den Soundtrack zu „Next Friday“ und spielte in selbigem Film mit. Hoffen wir mal, dass er bald wieder mehr Zeit der Musik widmen und einen richtigen Hit landen wird. „You Can Do It“ ist ja fast einer geworden. Als nächstes steht zumindest das Reunion-Album von N.W.A. auf dem Plan. Lechz!
Es ist kein Wunder, dass „Best Kept Secret“ (Superrappin/Groove Attack) von J-88 einen Native Tongue-Duft versprüht und den Hörer in seelige A Tribe Called Quest-Zeiten zurückversetzt. Jay-Dee hat schließlich die EP der drei Detroiter MCs produziert und er war ja maßgeblich an den letzten beiden ATCQ-Alben und an einigen Solo-Stücken von Q-Tip beteiligt. Zudem legt er momentan letzte Hand an Phife Dawgs Solojoint an. Eine Flut an ATCQ-Reminiszenzen sozusagen. Sechs Tracks plus dreier Remixe, die mit Leichtigkeit über den Verlust von ATCQ hinweg trösten und uns vor allem J-88 schmackhaft machen. Watch out!
Produzent Prince Paul hat ein gutes Händchen bewiesen, als er das Debüt von MC Paul Barman produzierte. „It’s Very Stimulating“ (WordSound/EFA) weckt sofort Erinnerungen an Eminem. Einerseits wegen der fast identischen nasalen Stimmlage, andererseits wegen der musikalischen Ausnahme-Tracks. Blonder Lockenkopf, weißer Bursche, Jude und ein notorischer Macho, Sexist und Irrsinniger. Ja, das charakterisiert Paul Barman in einem Satz. Er ist für den Schwachsinn geschaffen und hat ihn getroffen, ist mit ihm eine einzigartige Verbindung eingegangen und serviert uns dies auf seiner ersten EP. Während Eminem durchaus ernste Themen mit unglaublicher Wut darbringt, verlässt sich Barman nicht nur auf den Entertainment-Faktor seiner Stücke, sondern hat seine Lyrics mit allerlei Unsinn gewürzt. Politisch korrekt ist was ganz anderes…
Sage und schreibe 73 Minuten puren HipHop haben die kanadischen Rascalz auf „Global Warning“ (Vik/BMG) gebannt. Das Land, das uns in jüngster Zeit Kid Koala gebracht hat, möchte seine tragende Bedeutung im HipHop-Universum unterstreichen. Allerdings hätten sie überzeugendere Botschafter als jene Rascalz aussenden sollen. Für meinen Geschmack fehlt die Harmonie zwischen Rhymes und Beats. Zu wenige der 20 Tracks wissen zu überzeugen und um aufmerksames Zuhören zu kämpfen. Ansonsten plätschern die Beats und stolpern die Rhymes uninspiriert und saft- und kraftlos aus den Speakern. Einzig positiv sind mir zumindest „High Noon“ und „Top Of The World“ aufgefallen. Der Rest ist Durchschnittsware.
Die Queen des Flipmode Squad holt zum Rundumschlag aus. Ihre Raps wirft Rah Diggah, die früher mit den Outsidaz durch die Hoods gestreift ist, wie Fleischerhaken aus, die sich dann in deinem Fleisch festsetzen und dich so schnell nicht mehr loslassen. Entdeckt und gefördert wurde sie von Q-Tip und natürlich Flipmode-Master Busta Rhymes. Im Rahmen der Lyricist’s Lounge-Tour trat sie trotz Schwangerschaft auf und blies Q-Tip dabei das Hirn gegen die Wand. Guter Start, würde ich sagen. Q-Tip ist schließlich Fachmann. Und Busta Rhymes war auch schnell überzeugt und das sicherlich nicht wegen der körperlichen Reize der bezaubernden Rapperin aus Newark, New Jersey. „DirtyHarriet“ (Elektra/eastwest) ist ein Volltreffer und hat Rah Diggah schon jetzt in den Rap-Queen-Himmel erhoben. Da sitzt sie nun und amüsiert sich zufrieden und glücklich mit ihren Sistas.
Timbo King, Dreddy Kruger und Stone Face sind seit längerem im Dunstkreise des Wu-Tang Clan aktiv. Timbo King ist langjähriger Bekannter von GZA und traf dank Wu-Producer Y-Kim irgendwann auf Ol‘ Dirty Bastard und RZA. Das war eine wohl einschneidende Begegnung. Royal Fam waren im Nu akzeptiert und wurden von der Übergruppe unterstützt. Auf ihrem Label kam jetzt „Yesterday, Today, Is Tomorrow“ (Wu-Tang Records/PIAS/Connected) raus. Die Drei, deren Tracks von Y-Kim, Arabian Knight, Lynx #6, John The Baptist, Tike und RZA produziert wurden, gehen es gelassen an und reimen locker und flockig um die Wette. Die Beats überschlagen sich nicht und legen einen breiten, gemütlichen Teppich ohne Falten aus. Dass gerade das beste Stück, nämlich „The Legacy“, bereits auf der Wu-Tang Compilation „Wu-Tang Killa Bees – The Swarm Volume 1“ in anderer Form vertreten war, stört kaum. „Yesterday, Today, Is Tomorrow“ strahlt Ruhe aus und ist ein wohlüberlegter Schritt des Wu-Imperiums, um das Zepter nicht zu verlieren. Wer braucht auch schon Puff Daddy…
Es hätte schon letztes Jahr kommen sollen, das Album „Y2K“ (Tommy Boy/eastwest) von Screwball. Gott sei Dank wurde es trotz der langen Verzögerung dennoch etwas mit dem Release. Es wäre schade gewesen, müssten wir auf diese Crew verzichten. Screwball alias Poet, KL, Kyron und Hostyle sind der New Yorker Schule entwachsen und können von der ersten bis zur letzten Sekunde durch neugierig machende Tracks den Hörer fesseln. Das ist in einer Zeit, da der HipHop-Markt wegen der großen Labels von immer mehr Mist überschwämmt wird wichtig. Sie erfinden ihn nicht neu, den East Coast-Rap, aber sie haben auf jeden Fall Oberwasser. Gastauftritte gibt es von Capone („Take It There“) und Triple Seis von der Terror Squad („Somebody’s Gotta Do It“) sowie den Produzenten-Headz DJ Premier („F.A.Y.B.A.N.“, „Seen It All“) und Pete Rock („You Love To Hear The Stories“).
1987 fällt der Startschuss für die gemeinsame Karriere von Rob Birch und Nick Hallam. Sie ziehen von Nottingham nach London und gründen flugs Stereo MC’s. Von da an stürzen sie sich in die Arbeit. Drei Alben („33 45 78“, „Supernatural“, „Connected“), die Gründung des Labels Gee Street (mit Jon Baker und DJ Richie Rich) und unzählige Remixes – u.a. für Tricky, Madonna und Terranova – später erhielten sie 1994 einen Brit Award als beste Band und verschwanden in der Versenkung. Nur selten hörte man in den vergangenen Jahren/Monaten Neuigkeiten über sie. Um so überraschender flatterte „DJ Kicks“ (!K7/Zomba) ins Haus. Dazu die Macher, die diese Remix-Platte als Live-Set konzipiert haben: „Es ist ein bisschen ungehobelt und es ist genau so wie wir es wollten. Wir wollten es nicht überperfekt machen, sondern einen groberen Mix um auf das Live-Gefühl nicht zu verzichten. (…) Die Musik ist sehr unterschiedlich – es stammt ja alles aus anderen Generationen – ist aber trotzdem von einer ungeheuren funky Grundqualität miteinander verknüpft.“ Ein Album, das trotz einiger absoluter Höhen („Back To Hip Hop“ von The Troubleneck Brothers, „Do It, Do It“ von The Disco Four, „At The Helm“ von Hieroglyphics, „Seeing Red“ von Red Snapper) leider einige Durststrecken vorzuweisen hat. Vielleicht sind 65 Minuten und somit 25 Tracks auf einmal zu viel für mein Ohr.
Den Film habe ich leider verpasst, aber ich schwöre, dass ich ihn mir bei der nächsten Gelegenheit sofort ansehen werde. Allein schon der Soundtrack zu „Ghost Dog: The Way Of The Samurai“ (Razor Sharp/Epic/Sony Music) ist ein Leckerbissen, da muss der Film ja großartig sein. Zumindest traf diese Regel bisher immer zu. Wenn ein Genie wie Jim Jarmusch einen Film dreht, dann braucht er einen 1A-Soundtrack, den diesmal Wu Tang-Guru RZA zusammenstellen durfte. Eine scheinbar kongeniale Kooperation. RZA selbst tritt zweimal auf „Ghost Dog: The Way Of The Samurai“ als Gast-Rapper in Erscheinung: „4 Sho Sho“ (mit North Star) und „Cakes“ (mit Kool G Rap). Dann hat er einen Solotrack gemacht („Samurai Showdown“) und natürlich das „Comeback“ des Wu-Tang Clan eingefädelt („Fast Shadow“). Je öfter ich ihn höre, desto besser gefällt mir dieser Soundtrack.
Wenn ein Label, das sich von Beginn an der Förderung des HipHop gewidmet hat und dies auch noch erfolgreich, feiert – auch wenn es nur das Sublabel (Black Label) ist – dann sollte man keinesfalls stören und lieber dafür dankbar sein. Oder ihr legt euch „Hip Hop 101“ (Tommy Boy/eastwest) zu, ein Sampler, der mit De La Soul, Talib Kweli & Tony Touch, Defari, Medina Green und Royce 5’9″ einige Leckerbissen parat hält. Produziert wurde diese Platten in letzter Instanz von den Blumenkindern De La Soul.
Erst der zweite Teil seines „War & Peace“-Doppelalbums, nun sogar noch der von Ice Cube produzierte Film/Soundtrack „Next Friday“ (Priority/Virgin). Hat dieser Mann zu viel Freizeit und langweilt sich zu Hause? Es scheint so. Bereits der Opener „You Can Do It“ von Ice Cube, Mack 10 und Ms. Toi fegt einen fast weg. Dann folgt endlich der erste Track seit dem beschlossenen Comeback von N.W.A. „Chin Check“ ist der erste Joint seit Jahren und macht etwas Lust auf mehr, obwohl ich gestehen muss, dass ich mich noch an den modernen, rundum erneuerten Sound gewöhnen muss. Ganz davon abgesehen ist dieser Sampler hochkarätig besetzt wie keine andere Veröffentlichung in den letzten Wochen. Mit an Bord sind außerdem Pharoahe Monch, Bizzy Bone, Krayzie Bone, Aaliyah, Wyclef Jean, Wu-Tang Clan, Kurupt und Eminem. Das sollte ausreichen, um euch den Mund wässerig zu machen.
In den USA ist der Soundtrack zum Film „Romeo Must Die“ (Priority/Virgin) bereits auf Platz 3 der Billboard-Charts geklettert und hat sich als Verkaufsschlager geoutet. Black Music at its best. Eine gelungene Mischung aus R’n’B und HipHop und das dargeboten von der Creme de la Creme. Da hätten wir zum Beispiel die Hauptdarstellerin Aaliyah, die bald Missy Elliott Konkurrenz in Sachen Skills und Fleiß machen könnte und immerhin vier Tracks für den Filmscore abgeliefert hat. Außerdem wären da Timbaland, DMX (hier im Duett mit eben jener Aaliyah, der er auch im Film zur Seite steht), Ginuwine, Destiny’s Child, Mack 10 und BG von Ca$h Money. Nettes Teil, auf dem besonders die Damen die besten Noten bekommen.
„Urban Renewal“ (Guidance/EFA) ist wohl einer der besseren Sampler der letzten Wochen. Zwei Jahre dauerte es, das Teil zusammenzustellen, aber ich kann euch eines versprechen: Es hat sich gelohnt. Unglaublich lässig, entspannt und smart arrangiert sind die elf Tracks, die auch mal scharf an der Grenze zum Dub oder Jazz vorbeischrammen. U.a. wurden sie produziert von A.D.L.I.B. und Rahzel (The Roots) und stimmlich vergoldet von Ras Baraka, Mad Professor, Chuck D, Mos Def und Oliver Grimball. Großartig. Gut zum Relaxen geeignet.
UK Underground-HipHop vom Feinsten hat das britische Label Source UK aufgearbeitet. „Word Lab“ (Wordplay/Source UK/Virgin) ist sicherlich sein Geld Wert. Großbritannien kann stolz sein auf seinen HipHop produzierenden und die Mikrofone rockenden Nachwuchs. MCs und Producers aus GB gehören sicherlich bald zum Standard. Daran lässt diese Compilation kaum einen Zweifel.
Deutscher HipHop ist weiterhin im Vormarsch. In diesem Monat kann ich euch Curse, auch Michael Kurth genannt, vorstellen, dessen Debüt „Feuerwasser“ (Jive/Zomba) zwar kein Dauerbrenner ist, aber dessen Pulver auch nicht binnen Sekunden verschossen ist. Ich sehe es als guten ersten Schritt, auf den er in Zukunft aufbauen kann. Seine Skills sind erste Sahne, nur sein musikalisches Bett ist mir zu glatt und etwas zu eintönig. Ich hätte mir ein paar Haken und Ösen gewünscht, die sich in meinem Kurzzeitgedächtnis länger festsetzen und nicht so schnell weggespült werden. Dem ist leider nicht so. „Feuerwasser“ ist ein gutes St. Martinsfeuer. Groß und warm. Nur irgendwann ist auch der größte Scheiterhaufen abgebrannt.
Thomas D, mittlerweile fester Bestandteil der deutschen Popkultur, hat einen „Liebesbrief“ (Four Music/Sony Music) geschrieben und zeigt sich auf der Single, eine Auskopplung aus den Four Music-Sampler „Four Elements“, in melancholischer und fast verletzter Pose. Das hat zwar mit Rap nicht so viel zu tun und klingt mehr nach Liebesbekundungen denn nach Geschichten von der Strasse. Thomas D. einmal von der sanften, zerbrechlichen Seite. Nicht die schlechteste.
Samy Deluxe, anerkannter und heiß begehrter MC, Tropf, anerkannter und heiß begehrter Beatbastler, und DJ Dynamite, anerkannter und heiß begehrter – na, was wohl? – DJ, sind Dynamite Deluxe. Wer die Eimsbush Basement-Tapes sein eigen nennt, wird schon über den ein oder anderen dieser drei Herren gestolpert sein. Vielleicht kennt ihr die Norddeutschen auch von ihrer letztjährigen EP „The Classic Vinyl Files“, einer Zusammenstellung ihrer ersten Maxis, die dank ihres guten Rufs schon lange Zeit restlos vergriffen sind. Egal was ihr bisher über Dynamite Deluxe gehört oder gelesen habt, egal ob gut oder schlecht, ihr könnt darauf wetten, dass sich der Kauf von „Deluxe Soundsystem“ (Eimsbush/EMI) lohnt. Nicht umsonst werden die Drei von der Presse geschlossen in den Himmel gehoben. Mit diesem Album setzen sie ein Zeichen, das HipHop-Deutschland noch lange in guter Erinnerung tragen wird. Mit einem Schlag haben sie sich auf eine Ebene mit 5 Sterne Deluxe, Absolute Beginner, Eins, Zwo und Ferris MC katapultiert. Das will was heißen.
Freundeskreis haben mit „Esperanto“ im letzten Jahr vielleicht eines der besten HipHop-Alben unseres Landes veröffentlicht. Ein Song dieses Meisterwerks war das hitverdächdige „Tabula Rasa Pt. II“ (Four Music/Sony Music), das nun mit dieser Auskopplung zu besonderen Ehren kommt. Der „Kokorobitey Mix“ entführt nach Westafrika, der „Silly Walks RMX“ elektrifiziert und der „Big Bamboo Mix“ macht irgendwie beides. Lobenswert, wenn Songs einen richtig neuen und frischen Anstrich erhalten und nicht nur Lidschatten aufgetragen wird.
Hechel, hechel, Ohrschmerz. Geschafft! Nun noch eins: Phat World VI erscheint am 29. Mai. Versprochen.