Schwer verdauliche Kunstkacke war das mindeste, was man von einem Projekt rund um FM Einheit (Ex-Einstürzende Neubauten) erwarten durfte. Doch es kam ganz anders. Mit der Dänin Gry holte er sich eine ehrfurchtehrbietende Gänsehautstimme hinters Mikro, instrumentale Unterstützung fand er unter anderem bei Sjang Coenen, Alexander Hacke, Saskia von Klitzing, Caspar Brötzmann und der Band Aether, als deren Frontfrau die abtrünninge Gry üblicherweise fungiert. Die Aufnahmen im Münchner Marstall gestaltete Einheit als öffentliches Happening, dem der Name des neuen Album Rechnung trägt: „Public recording“. Und was soll man sagen? Es groovt!
Schwer und dunkel ist es geworden, das Werk, ein Nachtschattengewächs. Doch trotz aller Experimente, trotz der dumpf grollenden Elektronik und der komplex verschachtelten Industrial-Rhythmen bahnt es sich flüssig und warm seinen Weg. Hellere Momente wechseln mit purem, schwarzen Underground ab, dezenter Swing ölt das Getriebe. „Public recording“ ist ein monumentales, majestätisches Downbeat-Album geworden. Mit melancholischen Hooks, einem Arsenal an spacigen Effekten und heterogenen Arrangements. Von Agentenfilm-Bläsern bis zum scheppernden Charleston ist alles zu finden, als Schmankerl gar eine auf sperrige Avantgarde getrimmte Version des Hazlewood/Sinatra-Knüllers „Summer Wine“.
Ach ja, auch Meret Becker ist in einem 2-Minuten-Take mit von der Partie und darf ihn mit ihrem dünnen Lolita-Gesäusel verschandeln. Gottseidank aber nur ein einziges Mal, denn Einheits Trumpfkarte heißt eindeutig Gry! Und die verwandelt Einheits elektronische Alptraum-Trips mit heißkalten Vocals in düsteren Tempelgesang, wie es außer ihr nur die göttliche Shirley Bassey kann. Stimmgewaltig, heroisch und mit kraftvollem Soul. Diese Frau hält selbst der brachialsten Klangmauer stand. Und würde sich auch gut in jeder Jazz-Bar machen. Eine Free-Style-Artistin eben, wie ihr Kollege Einheit.
Gry: Public Recording
(FM 4.5.1/Indigo)