Kirmes: Summer Games

Das Buch zur CD ist schon etwas länger auf dem Markt: Florian Illies „Generation Golf“. Nun also der Soundtrack dazu: Kirmes´ „Summer Games“.
Nein, natürlich stehen beide in keiner direkten Beziehung, aber indirekt finden sich doch viele Parallelen. Die ´88er sind vermutlich die erste Generation, die ihre eigene Vergangenheit als Revival feiert. Twentys, Fifties, Sixties und Seventies wurden stets von Nachgeborenen aus der Mottenkiste gezerrt – wer live „dabei“ war, wandte sich mit lautem „Bäh!“ angeekelt ab. Anders bei den 80er-Jahren. Das Ende der 90er war noch nicht in Sicht – da erinnerten sich die Mittzwanziger schon wehmütig an ihre Jugend, feierten NDW-Parties und das Comeback von Modern Talking…

Spielerisch gingen vor zwei Jahren schon Fischmob („Power“) das Thema an, experimentierten mit Zitaten und Anspielungen, machten aus ihrem Album ein popkulturelles Suchspiel. So unbelastet können sich Kirmes dem Thema nicht mehr nähern, trotzdem wählen sie die Offensive: die Texte strotzen nur so vor Floskeln, Slogans und Zeitgeist. Und erst die Song-Titel: „Rumble in der Old-School-Disco“, „Detective der Popkultur“… Die Collagen-Form der Lyrics ist das erste Indiz für eine wachsende Distanz zum Sujet, der Ton ist süffisanter, selbstreflektiver geworden. Verglichen mit Kirmes muten die Fischmob-Lyrics fast unschuldig, naiv an. Dennoch: auch „Summer Games“ ist ein astreines Sommer-Werk geworden. Sonnig, bunt und smart.

Allerdings in einer völlig anderen stilistischen Disziplin. Kirmes sind keine HipHopper (trotz gerappter Texten), sondern ein Pop-Duo (im einzelnen: Kir Royal, Hermes). Drum Computer, okay, aber auch laute Beat-Gitarren und soviel Elektronik, wie im High Score-Spiel am Flipper-Automat. Funk, Glam und Disco verquirlen mit Schrammel-Pop zum rasanten Trip durch den Supermarkt der 80er-Jahre. Die üppig mit Gimmicks vollgepumpten Songs sind aber auf der Höhe der Zeit in Szene gesetzt, die Produktion ähnelt durchaus den (mittlerweile zur Genüge als Folie strapazierten) Kollegen von Fischmob. Nur dass das Kirmes-Werk um einiges zeitloser ist (Pop…) und wesentlich abgedrehtere Geschichten erzählt. Von Außerirdischen etwa, die wie Vandalen in der irdischen Gastwohnung hausen. Auch ein vertonter Rennfahrer-Comic ist unter den Takes, und Zeilen wie diese:

„Dies Land ist mein Land/Dies Land ist dein Land/Island ist mein Land/Island ist Mailand/Eiland…“
Das ist ja gekalauert?! Ja natürlich, denn Kirmes haben´s faustdick hinter ihren extrem guten Ohren, wer kriegt schon Rilke und Boney M. in einen gemeinsamen Text…! Wer bis zum Schluß durchhält wird mit einem herrlich analogen Synthie-Hit belohnt. Und mit der „Pleiten, Pech und Pannen“-Sammlung aus den Aufnahme-Sessions.
P.S.: Und als Bonus gibts noch einige Uralt-C64-Computerspiele (wie eben „Summer Games“), die unserem Chefredakteur als Commodore-Nutzer der ersten Stunde ein Glänzen des Wiedererkennens in die Augen treiben. („Hach – damals…!“)

P.S.: Und der C64-PC-Emulator ist auch schon drin!

Kirmes: Summer Games
(Plattenmeister/Indigo)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert