Der Kölner Musiker kennt keine Gnade, wenn es um die Schöpfung neuer Musik, neuer Klänge geht. Schon immer griff er gerne auf Originale zurück, um zu unterstreichen, „wie unwichtig letztlich die Qualität der Vorlage ist“. Als Mitglied der legendären KÖLNER SAXOPHON MAFIA, als Sessionmusiker und Solist nahm Wollie Kaiser über 40 LPs/CDs auf, kooperierte u. a. mit Kenny Wheeler, Mark Feldman oder SERIOUS SOLID SWINEHEARD. Seit 1989 wirkt er zudem als Dozent an der Folkwanghochschule in Essen. Über sein jüngstes Projekt, die CD „New Traces For Old Aces“, mit schrägen Interpretationen von Songs der „Sixties Beat“-Heroen THE SMALL FACES sprach mit ihm Roland Schmitt:
Hinternet: Wie Du selbst sagt, braucht es für die individuelle Bearbeitung von Fremdkompositionen eigentlich keines besonderen Materials. Wieso hast Du dann aber trotzdem ausgerechnet Small Faces-, nicht aber die populäreren Beatles- oder Rolling Stones-Songs als Basis für Deine Interpretationen genommen?
W.: In den letzten Jahren habe ich schon mehrfach sowohl Beatles- als auch Rolling Stones-Stücke bearbeitet, meistens für die Kölner Saxophon Mafia – so z. B. die gesamte Musik der „Sgt.-Pepper-LP, die wir auch seinerzeit live aufgeführt haben. Aktuell gibt es ein ganzes Rolling-Stones-Programm der Saxophon Mafia mit der Sängerin Silvia Droste (in den letzten Jahren waren wir damit mit der Sängerin Anne Haigis auf Tour), das ich ebenfalls geschrieben habe.
Abgesehen davon, dass es tatsächlich meine tiefe Überzeugung ist, dass bei der Bearbeitung von Musik – das heißt in meinem Falle RE-KOMPONIEREN – die Qualität des Originals keine allzu große Bedeutung hat, ist es natürlich kein Zufall, mich mit den Small Faces beschäftigt zu haben. diese Band hatte für meine anfängliche Entwicklung als Musiker eine sehr große Bedeutung. meine erste Gruppe in den späten 60ern, in der ich Gitarre spielte und sang, coverte u. a. etliche Small-Faces-Songs. Wir waren richtige Small-Faces-Fans.
Später machte mein musikalischer Weg eine krasse Kehrtwende: Ich wurde Saxophonist und beschäftigte mich nur noch mit Jazz. Erst in den letzten Jahren wende ich mich immer mehr wieder der Rockmusik zu und wiederentdecke deren Faszination (Saxophon und Bass-Klarinette spiele ich übrigens über Effektgeräte, Verzerrer etc. und Marshall-Anlage, wie man auf der CD hören kann). …Steve Marriott war/ist für mich nach wie vor einer der tollsten Sänger in diesem Genre!
Hinternet: Wie haben Deine Timeghost-Kollegen Deinen Vorschlag aufgenommen, Small Faces-Songs zu interpretieren? Welche Beziehung haben die einzelnen MusikerInnen zu den Small Faces und dem Sixties-Beat an sich?
W.: Meine Timeghost-Kollegen sind fast alle mindestens eine Generation jünger als ich und kannten Small Faces entweder gar nicht oder gerade mal ihren bekanntesten Hit „Lazy Sunday“. Sie waren aber alle überrascht und recht angetan, als ich ihnen die Originale vorspielte.
Hinternet: Wie seid ihr an diese selbstgesteckte Aufgabe herangegangen? Nach welchen Kriterien habt ihr die einzelnen Songs bearbeitet und arrangiert?
W.: Ich habe mir die Aufgabe gestellt, Elemente der einzelnen Small-Faces-Stücke so zu benutzen, dass teilweise eine völlig neue, zeitgemäßere Musik entsteht. das, was ich noch am relativ unberührtesten gelassen habe, ist der Lead-Gesang. alles andere entstand entweder ganz neu oder wurde so verändert, dass die Musik ein gänzlich anderes Klima bekommt, ein Klima, das mehr meinem jetzigen Lebensgefühl entspricht.
Hinternet: Bei dem Song „Tin Soldier“ erwähnt ihr Jim Capaldi mit einem credit? Singt der da tatsächlich exklusiv oder habt ihr seine Stimme gesampelt?
W.: Jim Capaldi ist ein guter Freund unserer Lead-Sängerin Irene Lorenz, der zu der Zeit, als wir die CD aufnahmen, gerade hier war und uns mehrmals im Studio besuchte. so kam es, dass er spontan vorschlug (wir waren gerade dabei, den Vokal-Part von „Tin Soldier“ aufzunehmen), die 3. Stimme des Refrains zu singen (natürlich live!).
Hinternet: Wen willst Du/wollt ihr mit dieser CD ansprechen? Bedient ihr da „nur“ euer Stammpublikum oder glaubt ihr auch, die meist verstopften Ohren eingefleischter Beat-Fans zu erreichen?
Wollie Kaiser: Wir hoffen natürlich, alle Leute zu erreichen, deren Ohren noch nicht ganz verstopft sind – sicher auch Small-Faces-Fans – ich war ja auch einer…
Hinternet: Werdet ihr dieses Programm auch live präsentieren?
Wollie Kaiser: Wir haben dieses Programm schon mehrfach präsentiert, sowohl auf Festivals als auch in Clubs. In Köln spielen wir dieses Programm im Rahmen der Triennale 2000 im Stadtgarten erweitert um eine 5köpfige Bläser-section.
Etwas ausgedehntere Touren – außer ein paar Gigs im Sommer – sind für den Herbst dieses Jahres geplant – wenn alles klappt auch in Malaysia, Thailand, Singapur etc..