Kommt ein ansonsten ehrbares und rechtschaffenes Wort auf die Idee, sich die Silbe „Volks-“ um den Hals zu hängen, verliert es auf der Stelle all seine Seriosität und höhere Bildung, ja, stürzt ob dieses Mühlsteins hinab in die Abgründe des Anspruchslosen. Aus dem Mr. Hyde des guten Geschmacks wird ein Dr. Jekyll des schlechten. Volks-wagen, Volks-hochschule, Volks-zählung, Volk-er – auch das von der rot-grünen Bundesregierung angestrebte Volks-Volk wird da keine Ausnahme machen: Stimmvieh, das brav Steuern zahlt, „Big Brother“ glotzt und „Intelligenz“ für einen Handy-Provider hält – also billig in der Anschaffung und Unterhaltung, genügsam im Verbrauch und jederzeit durch seinesgleichen zu ersetzen..
In Anbetracht solcher Vorgaben muss dem Projekt „Volks-PC“ besonderes Mißtrauen entgegen gebracht werden. Dabei: Direkt miserabel ist der Gedanke nicht, auch materiell und geistig Minderbemittelten die faszinierende digitale Welt zugänglich zu machen. Das Konzept, wie es zur Zeit an der Hochschule für angewandten Pragmatismus in Hamburg-Harburg entwickelt wird, geht von einem sogenannten DAU (Dümmster anzunehmender User) aus, auf den die Hardware- und Softwarekomponenten zugeschnitten sein müssen. Erste Erkenntnis: Bei der Softwareausstattung des Volks-PC kann gar nicht spartanisch genug gedacht werden. Der DAU benötigt einen Zugang zu insgesamt vier Internetseiten: eine mit pornografischem Inhalt, eine Sportseite, eine mit dem aktuellen Wetter und eine mit „Big Brother“. Außerdem sollte das Moorhuhn-Spiel auf dem PC installiert sein, sowie eine Art „Textverarbeitung“, die aus einer flexiblen Vorlage besteht: „Bin grade nicht da. Wärm dir mal das Essen auf. Komme später. Bier im Kühlschrank.“ Der DAU druckt sich diesen Text aus und legt ihn als Nachricht auf den Küchentisch, womit sein Bedarf an „Textverarbeitung“ gedeckt wäre. Mittels einer optischen Navigation kann er Bausteine austauschen. „Bin immer noch nicht da. Essen verdorben. Komme, so wies aussieht, gar nicht mehr heim. Bier weiterhin im Kühlschrank.“ wäre als Variante für „Power-DAUs“ denkbar, enthält dieser Text doch einen Satz mit 8 Wörtern und zwei Kommata, den zu verstehen der DAU einen Kurs bei der Volkshochschule besuchen muß, was den Kreis aufs Schönste schließt.
Was nun die Hardware des angepeilten Volks-PC anbegrifft, wird die Sache schon komplizierter. Ganz wagemutige Projektmitarbeiter tendieren dazu, auf Monitor und Tastatur gänzlich zu verzichten, da sie den DAU zu sehr an „Wörter und so’n Schulzeugs“ erinnern könnten. Stattdessen wird jede Nachricht akustisch verarbeitet. „Guten Tag, mein lieber DAU“ grüßt das System nach dem Einschalten und fährt fort: „Was kann ich für dich tun? Willst du deiner Frau eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen, dann drücke bitte eine x-beliebige Maustaste. Willst du Moorhuhn spielen, dann drücke bitte zweimal. Steht dir der Sinn nach Internet, dann sage laut und vernehmlich: INTERNET! Und füge gleich hinzu, welche Seite ich für dich aufrufen darf: Porno, Sport, Wetter oder Big Brother.“
Eine konsequente Umsetzung der Erkenntnis, daß alles was „Volks-“ beginnt mit Kultur irgendwelcher Art nichts zu tun haben sollte. Allerdings seien zwei Nachteile nicht verschwiegen: Erstens: Wie soll der DAU Moorhuhn spielen oder Internetseiten betrachten ohne Monitor und Tastatur? Zweitens: Was heißt hier „x-beliebige Maustaste“ und das gleich zweimal? Geht es nicht etwas genauer? Und noch simpler? Will man von dem DAU etwa verlangen, eine Weiterbildungsmaßnahme zu absolvieren, in der man ihm beibringt, „x-beliebig“ heiße „egal “ und „zweimal“ sei „einmal und einmal“?
Dennoch: Das Problem dürfte sich von selbst lösen, da der Volks-PC nicht dafür ausgelegt ist, jemals eingeschaltet zu werden. Moorhuhn gibt es auch als Hardware, dann heißt es „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“, Internet ist Fernsehen ohne Fernbedienung, und warum dem Alten schreiben, daß man nicht da ist, wenn ers sowieso nicht liest, weil halt „Wörter und so’n Schulzeugs“ – siehe oben.
Nein, dem Volks-PC ergeht es so wie dem einbändigen „Großen Brockhaus für Leseschwache“, den die christdemokratische Bundesregierung unter Kiesinger weiland als „Volks-Wissen“ unter die Leute gebracht hat. Er ist DA, und das ist gut so, weil ein zwanzigseitiges Heftchen im Bücherschrank nicht allzu viel Platz für Nippes und Videokassetten wegnimmt. Auch der Volks-PC sollte daher möglichst kompakt gehalten werden: Vielleicht in Buchform, mit aufklappbarem Chassis, so daß man in seinem Innern noch eine Videokassette unterbringen kann. Zum Beispiel die: „Ich lerne Volks-PC. Ein Kurs ganz ohne Wörter und so’n Schulzeugs.“