Oft ist es eine Unverschämtheit, wenn der Name des Autors genauso groß geschrieben ist, wie der Name des Buches. Vor allem wenn es eine Biographie ist. Ziehen wir die Tatsache ab, dass der Name „Alice Schwarzer“ schon der Werbewirksamkeit wegen so groß geschrieben ist, ist es trotzdem in Ordnung. Und sehr ehrlich: denn es verhehlt erst gar nicht, dass die Person Romy Schneider durch die subjektive Brille Schwarzers gesehen wird.
Schwarzer ist Romy Schneider mehrfach begegnet, hat lange, intime Interviews mit ihr geführt. Hat sie für ihre Stern-Kampagne „Ich habe abgetrieben“ geworben und sie unter anderem zu einem Treffen mit Heinrich Böll begleitet. Sie hat gelesen, was andere über Schneider schrieben. Hat ihre Filme gesehen. Und teilt mit ihr eine Gemeinsamkeit: die Liebe zu Frankreich und zur französischen Sprache – beide haben lange in Paris gelebt und gearbeitet.
Was Schwarzer über Schneider zu sagen hat, ist erwartungsgemäß erschütternd. Eine haltlose, unsichere Frau, die nur in frühester Kindheit Geborgenheit erlebte. Der Vater hatte überhaupt kein Interesse an ihr, die Mutter entdeckte sie erst, als die Tochter zum Star wurde und auch ihr neue Rollen bescherte. Dass der Stiefvater das Mädchen sexuell bedrängte, ignorierte sie.
Und dann die Männer… Eine einzige Katastrophe: der rücksichtslose Delon, der überhebliche Meyen, der Egoist Sautet und der betrügerische Biasini. Schneider schien von ihnen abhängig, weil sie eine Stütze suchte – auch um den immer wiederkehrenden Abschied von den Filmteams zu verkraften.
Das allein macht aber noch keine gute Biographie aus, ist eher Schaudern machender Schlüssellochblick. Der Mehrwert entsteht durch Schwarzers Beobachtung, dass Schneiders Dilemma immer noch das vieler junger Frauen ist: wie Familie und Job unter einen Hut kriegen? Wie trotz Karriere eine stabile Beziehung führen? Wie eine selbstsichere, erfolgreiche Frau sein, wenn das die meisten Männer verunsichert und zu Gegnern macht? Wie überhaupt als Frau in der Männerwelt bestehen und überragen?
Dass Schneider nicht immer nur Opfer, sondern auch selbst Tyrannin sein konnte, wundert nicht. Aber vielleicht doch, wie professionell sie als Schauspielerin agierte. Schließlich erntet sie von Filmkritikern immer noch vor allem Häme. Dass in ihrem (abrupt vollendeten) Oeuvre kein „wirklich großer Film“ ist, sprach sie selbst offen aus. Dabei stimmt, was Schwarzer über die vielgescholtenen Sissi-Filme schreibt: das Naturtalent der Schneider ist unübersehbar, verleiht gerade den Schmonzetten eine Kraft und Tiefe, die gern übersehen wird.
Auf nur knapp über 200 Seiten entwirft Schwarzer ein dramatisches Psychogramm, dass gleichzeitig Spiegel der Zeit mit all ihren Facetten ist – die Nazizeit, die Entfremdung von Deutschland, das Verhalten der Presse und das Aufkommen des Autorenfilms. Packend, lehrreich und traurig zugleich.
Alice Schwarzer
Romy Schneider. Mythos und Leben
Knaur Taschenbuch