Das waren noch Zeiten, als man mit 16, 17 Jahren mal locker anhand von einem Album eine komplette Weltanschauung definierte. Mit missionarischem Eifer wurde die Schallplatte dann jedem unter die Nase gerieben und so oft umgedreht, bis sogar meine Mutter die Texte konnte. Auch wenn sich diese pubertäre Begeisterung mit den Jahren gelegt hat – „Du und wieviel von deinen Freunden“ ist ein Album, das nicht nur „gut“ oder „super“ ist, sondern bei dem ich das Gefühl habe, es könnte sogar wichtig sein. Das Hamburger Quintett gibt Antworten auf Fragen, die du nicht gestellt hast, und fragt Dinge, für die es keine Lösung gibt. Du verstehst und wirst verstanden.
Obwohl die Jungs aus Hamburg kommen, ist eines ganz wichtig: bei Kettcar wird nicht gejammert. Musikalisch sind sie von der Hamburger Schule weit entfernt, aber auch „Pop“ oder „Punk“ treffen es nicht wirklich. Vielleicht muss für Kettcar der Begriff „German Emo“ erfunden werden, um die Eröffnungsballade „Volle Distanz“ treffend zu umschreiben. Bei Songs wie „Ausgetrunken“ oder „Ich danke der Academy“ hauen sie dann etwas beherzter in die Saiten und würde es nicht so saublöd klingen, könnte man sagen, sie machen Deutschrock. In dem Song „Hiersein“ gibt es die geniale Zeile „…und ich höre wie die Butter in der Pfanne applaudiert…“. Meine Butter tobt!
Kettcar: Du und wieviel von deinen Freunden
(Grand Hotel van Cleef/Indigo)