Der Umschlagstext verspricht „Geschichten, Anekdoten und Wissenswertes von zweihundert berühmten Songs und ihren Interpreten“. Und genau das hält das Buch. Günther Fischer und Manfred Prescher haben hier Material zu Entstehung, Texten und Wirkungsgeschichte zusammengetragen. Das Ergebnis ist leicht verdauliche – im Schnitt anderthalb Seiten lange – Kost. Gerade Leute, die den Englischunterricht etwas zu oft geschwänzt haben werden hier einige Lichter über die wahre Bedeutung bestimmter Songs aufgehen: „The Night They Drove Old Dixie Down“ ist halt trotz Juliane Werdings „Am Tag als Connie Kramer starb“ kein Antidrogenstück und so mancher auf den ersten Eindruck liebliche Text hat seine überraschenden Untiefen.
Was mich an dem Buch stört ist eine gewisse Beliebigkeit und ich meine nicht die Auswahl der Songs, obwohl mir auf Anhieb „berühmtere“ Popsongs als Kinky Friedmans „They Don’t Make Jews Like Jesus Anymore“ einfallen. Nein, was mich stört ist, dass die Autoren sich zu oft ums eigentliche Thema herummogeln und bei vielen Titeln einfach die Tiefe, die ich mir gewünscht hätte, vermissen lassen. Und da Kritik an einem „Lexikon“ meist Erbsenzählerei ist hier ein paar der mir aufgestossenen Erbsen:
- Im Eintrag zu „Wham bam thank you Ma’am“ wird eineinhalb Seiten lang das Auftreten dieser Textzeile von den 70ern bis zurück zu den 40er Jahren aufgelistet, ohne ein einziges Mal zu erwähnen, dass diese Zeile viel älter ist und einstens die Haltung der englischen Männer zum Sex zusammenfasste.
- Zu Fehlfarbens „Ein Jahr (es geht voran)“ hätte man auch erwähnen können, dass der Song nur als Füller auf die „Monarchie und Alltag“-LP gelangte und die Band das Stück von Anfang an nicht besonders mochte. Auch dass das Lied im niederländischen Radio nicht gespielt, dafür aber in den 90er Jahren im Osten in einem Landtwagswahlkampfspot der CDU (ohne Wissen der Band) verwandt wurde wäre eine Erwähnung wert gewesen.
- Zu „I Heard It Through the Grapevine“ heißt es: „Verstärkt wird Marvin Gayes Wandel vom austauschbaren Hit-Sänger zum charismatischen Künstler durch ein ihn bedrückendes Erlebnis: Seine Duett-Partnerin und gute Freundin Tammi Terrell stirbt am 16. Juli 1970 an einem Hirntumor“. „I Heard It Through the Grapevine“ erschien 1968, also kann es nur die Erkrankung Terrells gewesen sein, die ausserdem am 16. März 1970 starb!!!
- Marc Bolans Zeilen „I drive a Rolls Royce / ‚cos it’s good for my voice“ („Children of the Revolution“) wird als reine Protzerei interpretiert und Bolans Witz dabei einfach ignoriert.
Bei allem Gemeckere bleibt „We will rock you“ – auch für „erfahrene“ Musikfreunde – ein unterhaltsames Buch, eine Art coffee table book – nur ohne Bilder zum flotten Zwischendurch- und Weglesen. Die rechte Auslage fürs Wartezimmer von Dr. Pop.
Günther Fischer/Manfred Prescher:
We will rock you
Lexikon berühmter Popsongs
Eichborn Verlag
336 Seiten