Ja, das kleine Strichmännchen ist wieder da. Noch mehr des ewig schimpfenden, plappernden und manchmal schadenfroh lachenden Männchens auf und aus der Linie.Wieder hat es seinen Zeichner fest im Griff. Wenn´s auf den Roller regnet, muss es zeichnerisch zum Auto aufgestockt werden. Und wenn das über zu holprigen Untergrund rattert, kriegt es Rotoren und Heckflosse und wird zum Hubschrauber. Aber Vorsicht nicht jeden überstehenden Zipfel der Linie darf man einfach abschneiden. Manchmal ribbelt sich dann die gesamte Linie weg. Auch die Kontur des Männchens…
Eine Linie. Grundbestandteil des Comics, aber mit bewegten Bildern mehr braucht es nicht bei Osvaldo Cavandoli. Nur aus der Linie, buntem Hintergrund und unerschöpflichem Ideenvorrat speisen sich die Kurzgeschichten dieser zweiten Linea-DVD. Simpel, aber rasant und voller Überraschungen spulen sich die Stories ab. Merke: es gibt nichts, was nicht hinter einer Linie stecken kann. Was sich aus ihr formen lässt, was sich aus ihr entwickelt. Und merke weiter: die Gesetze der Linie sind eigene. Wenn der Panzer schießt, ist die Männchen-Kontur halt durchbrochen. Was das Männchen folgerichtig sehr ärgert… Aber laufen und sich aufregen kann es immer noch. Auch mit Loch im Bauch. Und aus dem, was eben noch ein Panzer war, kann Sekunden später schon eine Schildkröte werden.
Stundenlang kann man sich unterhalten und überraschen lassen. Ein schier unendlicher Strom aus Farben, Linien und Entdeckungen, dass nichts ist, wonach es aussieht. Alles fließt. Dass eine Folge 2 von La Linea (mit noch mal rund 30 Episoden) überhaupt möglich ist, ist der unglaublichen Fantasie von Cavandoli zu verdanken. Seine Ideen findet er im Alltag kaum ein Gegenstand vom Apfel bis zum Fotoapparat, aus dem sich keine Geschichte mit dem kleinen Männchen spinnen lässt.
Unglaublich auch, dass man dieses impertinente, fordernde und cholerische Männchen trotzdem so lieb hat. So wie ja auch sein Schöpfer und Zeichner nicht lassen kann, ihm immer wieder zeichnerische Wünsche zu erfüllen. Allerdings stand dieser Zeichner in der ersten Folge noch mehr im Blickpunkt: samt erkennbarer Hand. Auch die Fights zwischen Männchen und Zeichner die Terrorisierung des Menschen durch die Linie und der Backlash… werden hier kaum noch thematisiert.
Als Bonus gibt´s unter anderem das absolut nicht jugendfreie Sexilinea. Wo das je gezeigt wurde, würde mich mal interessieren. Wer wissen will, wie die kleinen La Lineas entstehen, wie Lineas Sex haben oder mit nur einer Titte aussehen, der darf diese Episode nicht verpassen. Man sollte sich aber auch nichts Falsches darunter vorstellen. Der Einfallsreichtum von Cavandoli ist davor, dass dieses frivole Stückchen allzu viel Altbekanntes zeigt. Nein, auch im Bereich der Liebe passiert bei den Lineas zuviel Eigengesetzliches, Pfiffiges.
Und dann gibt´s noch eine kleine Doku über den La Linea-Erfinder und Zeichner Osvaldo Cavandoli. Man sieht frühe Kinder-Zeichentrickserien, an denen er mitgearbeitet hat. Auch Serienausschnitte mit kleinen Puppen. Und natürlich: an der Arbeit bei La Linea. Bei Autogrammstunden, die Arbeiten an den Fluren einer großen deutschen Versicherung und Kommentare von Kollegen wie Bruno Bozzetto und Mordillo. Herzlich Willkommen im Universum der kleinen Linien-Geschichten. Mit Witz, Ironie und Tragik. Und der herrlich swingenden Musik im Hintergrund…
La Linea 2 Monitorpop VÖ: 15.1.2004