„Gorky Park“ von Martin Cruz Smith ist das zweite Buch aus der →Dagger of Dagger (DOD) – Nominierungsliste, welches von „watching the detectives“ besprochen wird. Knapp 25 Jahre alt, gilt „Gorky Park“ als großer genreprägender Klassiker … aber wie wirkt dieses Buch auf den Leser von heute?
Moskau im Frühjahr 1977. Die Breschnew – Bürokratie auf dem scheinbaren Höhepunkt, dem „Goldenen Zeitalter der Stagnation“ (Wiktor Kozlow). Die Stadt erwacht langsam aus dem Winter und drei Leichen werden im Schnee des Gorky-Parks gefunden. Jeweils mit einem Schuss durchs Herz, die Männer zudem mit einem Schuss in den Kopf. Allen wurden die Fingerendglieder entfernt und die Gesichtshaut abgezogen.
Gegen seinen Willen übernimmt „chief-investigator“ Arkady Renko von der Miliz den Fall. Anfangs kommt er gut voran, verfängt sich dann aber zunehmend in dem Gestrüpp von Spannungen zwischen Miliz und KGB, wankelmütigen politischen Rahmenbedingungen und seinen privaten Problemen. Zunehmend deuten die gesammelten Informationen für Arkady Renko darauf hin, dass Amerikaner beteiligt sind, womit dann der KGB für den Fall zuständig wäre, aber niemand will auf ihn hören, der Fall bleibt bei der Miliz. Derweil hadert seine Frau mit ihm, denn sie würde sich wünschen, dass er, der Karriere zuliebe, seine Parteimitgliedschaft aktiver wahrnimmt.
Man beginnt zu ahnen, dass die Mitglieder der Verfolgungsbehörden wie Miliz und KGB auch in einem totalitären Regime bei ihren Willkürhandlungen aufpassen müssen. Irgendwo im Apparat kann immer ein Gegner mit einem besseren Zugang zu höheren Kreisen sitzen oder deren Standpunkte können sich ändern, so dass das Mitglied sich plötzlich als Opfer einer Säuberungsaktion wiederfindet – auch eine Form von „check and balance“. Die Art und Weise, wie Arkady Renko gegen Mauern rennt, wenn es um bestimmte Informationen geht, kennen wir auch aus amerikanischen Krimis, die im eigenen Lande spielen – nur mit dem Unterschied, dass dort mit der freien Presse gedroht werden kann.
Gorky Park ist als zweiteiliger Roman aufgemacht. Der erste Teil beschäftigt sich mit der Aufklärung und den Hintergründen des Falles in der Sowjetunion. An dessen Ende kennt der Leser Täter und Motiv. Im zweiten Teil gelangt Arkady Renko nach Amerika, um das zu tun, was Ziel eines klassischen Krimis ist: Die Ordnung wieder herzustellen.
Satzlänge, Wortwahl … sprachlich hält Martin Cruz-Smith die Geschichte scheinbar einfach. Es gelingt ihm vortrefflich, komplexe Gedanken auszudrücken und seinen Personen und der Rahmenhandlung Tiefe und Gehalt zu verleihen. Die Geschichte ist komplex aufgebaut, weniger aufgrund der verzwickten Suche nach der Wahrheit, sondern weil Arkady Renko große Schwierigkeiten hat, die Autoritäten von seiner Sicht der Wahrheit zu überzeugen. Hier wirkt das Buch sehr zeitgemäß. Die politische Situation nimmt man ein wenig mit Belustigung wahr und macht sich noch einmal bewusst, wie nahe diese „Allmacht“ damals doch schon am Stolpern war.
Wenn es denn tatsächlich bei der Entscheidung des DOD weniger um das Lebenswerk geht, hier dürften Ruth Rendell und John Le Carre vorne liegen, dann sollte, in der Tat, „Gorgy Park“ sehr gute Chancen auf den Preis haben.
Martin Cruz Smith: Gorky Park. Ballantine Books 1993, 7,49 € (deutsch als "Gorki Park", Goldmann 2000, 9 €)