Cara Black: Murder in the Sentier

Welches Interesse könnten deutsche Terroristen der 70er Jahre und deren französische Kollaborateure haben, nach über 20 Jahren Gefängnis die Spuren von einst wieder aufzunehmen und „hide and seek“ (Versteck) in Paris zu spielen ? Cara Blacks für den Anthony Award nominiertes Buch „Murder in the Sentier“ gibt zwar nicht unbedingt die wahrscheinlichste Antwort auf diese Frage, aber es greift das Terrorismus-Motiv auf und nutzt es, um einen atmosphärischen und recht dicht gewobenen Krimi zu bauen.

Aimée Leduc, Tochter eines Franzosen und einer Amerikanerin, ist in Frankreich geboren und aufgewachsen. Sie lebt in Paris. Seit Jahren ist Aimee auf der Suche nach ihrer Mutter, die plötzlich, als Aimee noch ein kleines Kind war, die Familie verlassen hatte. Danach hatte die Familie nie wieder etwas von ihr gehört. Leducs Vater war Polizist und ist später bei einem Terroranschlag ums Leben gekommen. Aimee selber hat ein Detektivbüro, welches sich hauptsächlich mit Datensicherheit und dem Schutz von Computernetzwerken beschäftigt. Unerwartet meldet sich eine Frau. Sie habe eine Zeit zusammen mit ihrer Mutter im Gefängnis verbracht und besitze hilfreiche Informationen…

Tote Informanten, hektisch verscharrte Selbstmörder, ein Einbruch in ihrer Wohnung. Für Leduc geht es plötzlich um viel mehr als um die Suche nach der Mutter; es geht um ihr Leben. Im Milieu des 2. Pariser Arrondissement und bei der Polizei trifft sie auf eine Mauer des Schweigens: Niemand gibt ihr Auskunft, Menschen tauchen unter und wiederholt erhält sie den Rat ihre Suche einzustellen. Dafür tauchen Menschen auf, die eine auffallende Nähe zur früheren deutschen Haader-Rofmein Bande (sic !) und ihren damaligen französischen Sympathisanten haben.

Aber natürlich ist dieses Buch keine profunde Bearbeitung des deutschen Terrorismus durch eine Amerikanerin unter der Verwendung des Schauplatzes Paris. Den Hintergrund der Entstehung des deutschen Terrorismus hat sie wohl richtig beschrieben, aber letztlich wird er von ihr für meinen [deutschen] Geschmack etwas zu sehr auf ein „Fun, Event und Abenteuer“-Motiv reduziert. Sie unterschlägt damit ein wenig, dass die Terrorgruppen damals die Grundfeste unserer Gesellschaft erschütterten.

Davon abgesehen, ist es ein solide gutes Buch. Eine junge Frau auf der Suche nach ihrer „imaginären“ Mutter, mit dem Wunsch nach einem Liebhaber, in für ihre Firma wirtschaftlich schweren Zeiten, zwischen Haut Couture und Computerspionage, in den Hinterhöfen und bei den Bewohnern des Sentier. Das alles stellt sie gut zusammen und erzählt es gekonnt, die Atmosphäre des Sentier scheint gut getroffen. Ihre Tempovariationen sind ungewöhnlich, aber gekonnt. Schildert sie erst, geradezu gemütlich, Aimees Treiben in Paris, da explodiert ansatzlos wie eine verdeckte Gerade der Plot und dem Leser stockt plötzlich der Atem. Spannung und Komplexität erzeugt sie dadurch, dass sie nicht nur aus der Sicht Aimee Leducs erzählt, sondern immer wieder auf andere Personen umschaltet.

Dieses ist ein weiteres Taschenbuch von Soho-Press (siehe auch Rebecca Pawels →„Death of a nationalist“), einem kleinen amerikanischen Verlag, der für seine Bücher gutes Papier und ein angenehmes Schriftbild verwendet und sie mit künstlerisch gelungenen Cover herausbringt [„Murder in the Sentier“ war auch für den Anthony Award, Bestes Cover nominiert]. Nur, dass die Lektoren dieses engagierten und lobenswerten Verlags nicht sicherstellen, dass alle deutschsprachigen Äußerungen im Buch korrekt sind, trübt das gute Bild etwas.

Cara Black: Murder in the Sentier. 
Soho Press 2003. 336 Seiten, 12,50 €

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