In Großbritannien braucht man niemandem, der behauptet, auch nur ansatzweise mit Indie(pop) sich auszukennen, zu erklären, wer Snow Patrol sind. Dazu bedurfte es nicht erst der letztjährigen Support-Tournee für U2, welche quer durch Europa ging. Da genügte bereits das Major-Debüt ‚Final Straw‘, das anno 2003 erstmals und 2004 in Neuauflage auf den Markt kam und sich zur Überraschung der Band und der Musikkritiker knapp über drei Millionen Mal verkaufen konnte.
Doch die Geschichte von Snow Patrol beginnt keineswegs mit ‚Final Straw‘, sondern 1994 auf der Universität der schottischen Stadt Dundee. Dort lernten sich seinerzeit Gary Lightbody und Jonny Quinn, beide aus Belfast stammend, kennen. Lightbody avancierte über die Jahre zum Kopf und Lenker der Band, Quinn wurde deren Schlagzeuger. Von Erfolg konnte anfangs nur bedingt die Rede sein. Die ersten Alben erschienen auf Jeepster Records, dem Label, auf dem auch Belle & Sebastian begannen. 1998 kam ‚Songs For Polar Bears‘ au den Markt, 2001 folgte ‚When It’s All Over We Still Have to Clear Up‘. Beide Alben verkauften sich bis dato zusammen knapp 10.000 Mal.
Da war natürlich die Gefahr da, als ‚Final Straw‘ weg ging wie warme Semmeln, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Plötzlich stand nämlich die Band im Mittelpunkt. „Wir passen gegenseitig auf uns auf. Wenn einer abdrehen würde, können wir ihn schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Wir hatten uns jahrelang abrackern müssen, da hast du automatisch die Füße auf dem Boden. Wir waren ja anfangs bei Jeepster unter Vertrag und machten stets Verluste. Dann wurden wir von Jeepster und von unserem Verlag vor die Tür gesetzt. Wir trennten uns zudem von unserem Management. Es war ein Riesen-Hickchack. Wir wussten erst einmal nicht, wie es weitergehen würde“, erklärt Quinn. Dann aber erschien das besagte Album ‚Final Straw‘ und bugsierte Snow Patrol auf die Erfolgsspur. Dazu Quinn: „Als ‚Final Straw‘ auf den Markt kam, dachten tatsächlich die meisten, wir seien ein Newcomer. Was nicht verwundert ob der Verkaufszahlen der ersten Alben. Kaum jemand hatte zuvor von uns Notiz genommen.“
Wobei es Quinn durchaus zu schätzen weiß, dass Snow Patrol in den ersten Jahren in aller Ruhe reifen durften und erst mit ‚Final Straw‘ ins Licht der Öffentlichkeit katapultiert wurden: „Okay, ganz so lang hätte es nun aber auch nicht dauern müssen mit dem Erfolg. Wenn man zurückblickt, so ist es natürlich eine tolle Story, die man da erlebt hatte. Wir waren stets sehr geduldig und harrten der Dinge, obwohl wir damals in immer denselben Clubs auf der Insel spielen mussten und lange Zeit nicht voran kamen“. Aber die Live-Erfahrungen, die sie über Jahre sammeln konnten, die kommen ihnen heutzutage zu gute. Denn meistens sind ihre Fans von ihren Auftritten absolut beeindruckt. Was wiederum eine Erklärung dafür ist, dass die Tickets für die aktuelle Großbritannien-Tournee in Windeseile den Besitzer gewechselt haben. „Es scheint so, als hätten wir viele Fans gewinnen können, die uns immer wieder live sehen wollen. Und das obwohl sie keine Chance hatten, unser neues Songmaterial zu hören. Das ist phantastisch“ (Quinn).
Und wie klingt das neue Material? Nun, Snow Patrol sind eine waschechte britische Indiepop-Band. Hier wird insbesondere Pop in großen Lettern geschrieben. Die Songs auf ‚Eyes Open‘ sind noch formvollendeter, noch runder als die auf ‚Final Straw‘. Einigen mögen die Songs vielleicht auch zu glatt sein. Man könnte gar munkeln, dass sie sich zu sehr Einflüssen ihrer ehemaligen Toureepartner U2 oder deren Fahrwasser-Kollegen Coldplay ausgesetzt hätten. Doch je öfter man ‚Eyes Open‘ gehört hat, desto mehr kann man sich mit diesem Album anfreunden. Dafür schreiben Snow Patrol einfach zu schöne Songs. So wie etwa die Vorabsingle „You’re All I Have“, deren Refrain sich recht schnell in die Gehirnwindungen einbrennt.
Der alles überragende Song ist aber „Shut Your Eyes“. Das findet übrigens auch Quinn. Und das mit gleich zwei neuen Mitglieder in ihren Reihen: Multiinstrumentalist Paul Wilson, seit einiger Zeit bereits Livemusiker der Band, ersetzte Bassist Mark McClelland, und zusätzlich kam noch Keyboarder Tom Simpson. Dass sich beide perfekt in das Bandgefüge integriert haben, das ist auf ‚Eyes Open‘ zu hören. Ein wunderschönes Album.
Snow Patrol: Eyes Open
Fiction/Universal
VÖ: 28.4.2006