„The Beauty and the Beast“- es war einmal: Bärtige, normannisch anmutende Männer aus Glasgow/Schottland, die auf den ersten Blick für viele nicht gerade „Vertrauen erweckende“, ja eher sogar „beängstigende“ Musik machten und deren äußerer Schein vielleicht sogar eben solches unterstreichen vermochte.
Aggressive Gitarrenausbrüche und Gesangspassagen überrollten die Zuhörer, um sich dann zurückzuziehen, wie eine Welle, die – scheinbar kurz innehaltend – Luft zum Atmen ließ, aber nur, um dann noch mit mehr Anlauf und Wucht zuschlagen zu können.
Alle, die sich eben angesprochen fühlten, können nun getrost Unterschlupf und Schutz finden in den Fängen des vermeintlichen „Beasts“. Sie werden es sogar lieben lernen. Vielleicht nicht sofort, aber nach und nach – wie das halt oft so ist mit den wirklich nachhaltigen Dingen im Leben, die ihre Zeit brauchen, um sich zu entwickeln und zu festigen. Vertraut ihm, geht mit ihm mit, es wird euch dankbar sein – besser gesagt – ihr werdet es sein: „The Beauty…“!
Eigentlich hätte man die Entwicklung zu etwas weniger aggressiver Emotionalität, leiser Intensität und mehr Transparenz und Klarheit im Sound bei genauerem Hinsehen beziehungsweise Hinhören in den letzten Jahren ahnen können!
Klar wussten wir aus Interviews mit den Bandmitgliedern um „Slayer“ oder „My Bloody Valentine“ als einigen der erklärten musikalischen Vorbilder, auch wenn dies sicherlich nie so offensichtlich in ihrer Musik zum Ausdruck kam, aber allemal als Blaupause für deren raue Seite durchzugehen vermag. Doch um die andere Spur ihrer musikalischen Sozialisation – diejenige, die jetzt zu den detaillierten, melodischen, fragilen, zart-melancholischen, ja sogar episch-bombastischen-breitwandigen (Streicher-, Piano-) Arrangements führt – hätten wir spätesten nach den Coversongs der letzen Jahre von Bands wie den „The Flaming Lips“ – auf dem Vorgängeralbum „Seclusion“ – beziehungsweise „Michael Jackson“ und „Frankie goes to Hollywood“ wissen müssen. Schließlich können sie sich jetzt nach eigener Aussage sogar ein „Pet Shop Boys“ – Cover vorstellen!
Natürlich hat auch die vielerorts zitierte schwere Halsinfektion von Sänger und Gitarrist Craig B in 2005 noch das Ihrige dazu getan.
Bereits die zwei Versionen des kurzen Horrorfilms „Seclusion“ auf dem gleichnamigen Vorgänger-Album deuteten die Leidenschaft der Band für cineastische Themen und deren musikalische Untermalung an: Alle Titel des neuen Albums inklusive des aus „The Exorcist“ entliehenen Albumtitel verweisen auf filmische Werke, wie z.B. „Queen of the Damned“ oder „The Running Man“.
Aber keine Angst, Aereogramme sind noch lange kein Angelo Badalamenti, Nino Rota oder Ennio Morricone geworden. Sie schielen höchstens mal zu Brian Eno rüber.
Bei „Living backwards“ sind 70s-Gitarrenriffs zu hören, beim Opener „Conscious life for coma boy“ sägend shoegazerhafte Gitarren und eine an „Dredg“ gemahnende musikalische und gesangliche Atmosphäre. „Barriers“ wartet mit einem Violinsolopart auf und „Exits“ mit einem düster brummenden, tief ins Mark gehenden Bass. Die Keyboards in „A life worth living“ lassen die Zuhörer für Momente an den 80er-Sound von „Asia“ denken und das Intro von „Trenches“ sogar an die bildhafte „Alpensinfonie“ von Richard Strauss.
Die zarte, helle und klare Stimme von Gitarrist und Sänger Craig B lässt einem in fragilen Momenten die späten „Talk Talk“ oder „Placebo“ in den Sinn kommen und besticht im Besonderen durch ihre Einfühlsamkeit und Melancholie.
Doch letztendlich lösen sich diese kurzzeitig eingeschlagenen musikalischen Haken meistens wieder in Richtung der von Aereogramme gewohnten harmonischen Marschrichtung auf und sind somit alle nur angedeutete Referenz-Verweise, die die erfreuliche und nach 3 Alben notwendige Weiterentwicklung des weiterhin typischen Aereogramme-Sounds in seiner heutigen Reife, Kompaktheit und relativen Zugänglichkeit umreißen.
Und um schließlich in Anlehnung an das Frage-Antwort-Spiel aus einem Politik-Magazin im Deutschen Fernsehen den Album-Titel zu vervollständigen: …die meisten von uns werden jetzt ganz sicher nicht gehen, ganz im Gegenteil – es werden bestimmt noch viele hinzu kommen „…to find true love in the darkest of places!“: „And don’t be afraid, we walk you home!“.
Alben:
2001 A Story In White (Chemikal Underground Records)
2002 Sleep & Release (Chemikal Underground Records)
2004 Seclusion (Undergroove)
2007 My Heart Has A Wish That You Would Not Go (Chemikal Underground Records)
Links:
→ http://aereogramme.co.uk
→ http://www.chemikal.co.uk/myheart
→ http://www.myspace.com/aereogrammeofficial
Aereogramme:
My heart has a wish that you would not go
Chemical Underground/Rough Trade
VÖ: 9.2.2007