Preußenkrimis

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Knorrige Kerle waren sie allemal, die Preußenkönige, ob der „Soldatenkönig“ oder die Friedriche, von denen der zweite als „der Große“ geradezu identitätsstiftend für das Preußen- und spätere Deutschentum wirken musste. Sie bauten auf ihre „langen Kerls“, philosophierten mit Voltaire, kämpften gegen Schweden, Russen, Österreicher, schufen ein mächtiges Reich, in dem die Sonne trotzdem unterging und ein Zwielicht für Intrigen schuf, aus dem man, wäre es denn schon à la mode gewesen, die feinsten Krimis hätte backen können. Sollte nicht sein; aber die Nachfahren der Preußen sind umso rühriger und verplotten alles, was bei drei nicht im Dunkel der Geschichte verschwunden ist.

Jan Eik und Tom Wolf sind Spezialisten für serielle Preußenkrimis und haben sich den Kuchen ehrlich geteilt. Während Eik die frühe Epoche des „schiefen Fritz“ bearbeitet, als Preußen endlich Königreich wurde, widmet sich Wolf der dynastischen Blütezeit und seiner hervorragendsten Figur, dem „alten Fritz“: Dass hier wie da Haupt- und Staatsaktionen den eigentlichen Stoff, aus dem historische Krimis geschnitzt sind, hergeben müssen, kommt nicht von ungefähr. Wie es an königlichen Höfen zuging, ist gut dokumentiert, besser als das Leben der sogenannten kleinen Leute, für das man sich damals noch nicht interessierte.

Beginnen wir mit Eiks „trügerischen Festen“ und geraten ins turbulente Berlin des Jahres 1701. Am Hofe bereitet man sich auf die feierliche Krönung des Monarchen vor und intrigiert gegen den Premierminister. Von alledem ahnt unser Held, der Barbier und Chirurg Christian Fahrenholtz, noch nichts; erst als eine Leiche ins Spiel kommt, werden er und sein Neffe Jakob in die finsteren Ränke verwickelt und sind, so war das eben damals, am Ende doch die Dummen.

Wolfs bewährte Fachkraft heißt Honoré Langustier und ist Zweiter Leibkoch des Königs. Der führt gerade wieder mal Krieg und überlässt seinem detektivisch begabten Subalternen gerne die Aufklärung der kleineren Verbrechen. Hellmuth von Criewen, Kammerherr der Königin, ist ermordet worden, alles sieht nach der Tat von Straßenräubern aus, doch der gewitzte Leser weiß auch hier recht schnell: Obacht, Intrige!

Natürlich sind beide Romane das, was man „gut recherchiert“ nennt. Es wäre auch eine Unverschämtheit, könnten die Autoren aus der Faktenlage nicht jenes „historische Ambiente“ zimmern, das den Mehrwert ihrer Kriminalromane ausmacht. Interessant ist aber, wie unterschiedlich sich Eik und Wolf bedient haben. Während ersterer sein Wissen recht brav an die Leser zu bringen versucht, manchmal ein wenig zu dozentenmäßig, aber insgesamt noch erträglich, gelingt Wolf manch schöner Bildungscoup. Dass der alte Fritz nur mangelhaft der deutschen Sprache mächtig war, wusste man ja; aber wem ist schon die Existenz einer sehr putzigen preußischen Marine bekannt gewesen?

Für Wolf spricht auch die Großzügigkeit, mit der er seinen detektivischen Koch durch Preußen reiten lässt, aus dem Feldlager mal rasch nach Berlin und ins Hinterland, bis auf die Ostsee, wo besagte Marine von den Schweden zusammengeschossen wird. Eik hingegen begnügt sich mit der Hauptstadt, ihren ärmlicheren Teilen zumeist, wo der Geldjude neben dem Henker wohnt. In beider Gewerbe gewährt uns der Autor einen durchaus erhellenden Einblick, natürlich auch ins chirurgische und Barbierhandwerk des Protagonisten. Allein: Es knistert so manches Mal das Papier, auf dem sich Eik seine Wissensnotizen gemacht hat, um sie volksbildend zu verwursten. Da lobt man sich den Wolf, dessen Sprache sehr hübsch elastisch, manchmal geradezu elegant die Früchte der Recherchierarbeit an den Baum der Spannung hängt.

Ja, ist natürlich das Wichtigste: Wie funktionieren beide Romane eigentlich als Krimis? Nun, so wie Krimis eben funktionieren, die sich den Anachronismus erlauben, die kriminalliterarische Umsetzung einer Denkweise des 19. Jahrhunderts ins 18. zu transponieren. Eiks Detektiv tappt sehr oft im Dunkeln, ist nur ansatzweise der Positivist und Indiziensammler. Langustier hingegen, schon zeitlich näher am role model, bewegt sich da souveräner durch die Detektion.

Whodunnits sind beide; gekocht und gegessen, geliebt und geprügelt wird reichlich, da nehmen sie sich ebenfalls nichts, das muss sein. Nicht, dass wir uns vor Anspannung die Nägel abgekaut hätten. Aber ganz nett wars denn doch, obwohl weder Eik noch Wolf das Grunddilemma jeglichen „historischen Krimis“ verbergen können. Sie wissen einfach nicht, wie man wirklich dachte damals, wie sich etwa das ziemlich erbärmliche Leben der durch die Geschichtsmaschen geschlüpften „kleinen Leute“ abspielte. Können sie auch nicht wissen. Sie bleiben Geschichtslehrer, die sich bemühen, den Unterricht abwechslungsreich und unterhaltsam zu gestalten, infotainmentmäßig halt. Und das gelingt. Punktsieg für Wolf, den sprachlich Versierteren, der sich zudem den Spaß des Skurrilen erlaubt.

Jan Eik: Trügerische Feste. 
Berlin.krimi.verlag 2007. 253 Seiten. 9,90 €
Tom Wolf: Teuflische Pläne. 
Btb 2007. 283 Seiten. 9 €

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