Chicago Revisited – Mach dein Ding! Die bereits im Jahre 1993 in der Bugwelle der so genannten Chicagoer-Post-Rock-Szene in Erscheinung getretene Band „The Sea & Cake“ macht auf ihrem nunmehr 7. Album „Everybody“ alles wie gewohnt „sophisticated“, nichts wie erwartet und gar nichts wie erhofft.
Die ersten 3 Alben von „The Sea & Cake“ zeichneten sich durch eine innovative, unangestrengt und entspannt klingende Ästhetisierung der Bezüge von Jazz und Folk auf Elemente und Klänge des konventionellen Rock aus (und damit im Sinne des Post Rock durch die Überwindung der traditionellen Rockkonventionen) – mit dahin gehauchtem Gesang und (teils) groovigen, afro-karibischen Gitarrensounds und Rhythmen. Ab Album Nummer 4 („The Fawn“) wurde dann ihr distinguiert-differenzierter Klang noch mit dem Zeitgeist entsprechenden elektronischen Texturen und Rhythmen erweitert, die den Sound über das Album „Oui“ bis zum letzten Album „One Bedroom“ im Wesentlichen prägten. Letztlich ließen jedoch die beiden vorgenannten Alben die erhoffte innovative musikalische Neuausrichtung vermissen, die man angesichts der musikalischen Sozialisierung und Historie der Bandmitglieder konsequenterweise erwartet und für möglich gehalten hätte. Sie mündeten doch zu sehr in (elektronisch verspielter) Gefälligkeit, als dass sie aufregende Spannung und Reibungspunkte zu erzeugen wussten.
„Everybody“ steht nun wie ein riesiger Pflock mitten auf dem Weg, den diese Band bisher beschritten hat. Eingerammt auf – auf die Anzahl der Veröffentlichungen bezogen – ungefähr halbem Wege, genauer gesagt, 12 Jahre zurück. Also eher eine Bilanz des eigenen Schaffens bis dahin und gleichzeitig auch ein deutliches Zeichen für alle musikalisch artverwandten Epigonen hinsichtlich der Relevanz des durch die Mitglieder von „The Sea & Cake“ bereits in deren Vorläuferbands skizzierten und nachfolgend ausbuchstabierten Musikstils. Also eher Konsolidierung und (eigene) Standortbestimmung unter Bezugnahme auf die eigene Frühphase, als (die erwartete und erhoffte) avantgardistische Neuausrichtung und Fortführung Ihrer potentiell vorhandenen sowie bereits anderorts eindrucksvoll gezeigten und viel beachteten innovativen musikalischen Ausdrucksformen.
Sam Prekop (Gesang, Gitarre) und Eric Claridge (Bass) – ehemals „Shrimp Boat“, Archer Prewitt (Gitarre) – ehemals „The Coctails“ und John McEntire (Schlagzeug, Percussion, Synthezisers) – auch „Tortoise“, „Exploding Star Orchestra“ und ehemals „Bastro“, „The Red Crayola“ und „Gastr del Sol“, haben in vorgenannten Bands eindrucksvoll bewiesen, dass sie fähig sind, vorhandene musikalische Genres zu erweitern, neu zu definieren und Meilensteine zu setzen.
Mit ihrem aktuellen Album gehen sie jedoch wieder zurück zu den Wurzeln ihres selbst geprägten Klangkosmos und – nach eigener Aussage – hin zu einem von „The Kinks“ inspirierten direkten (Live-) Rock-Sound, der vor allem die Einflüsse der vielen anderen aktuellen – von Soundtracks, Jazz über Rock bis Dub – musikalischen Unternehmungen John McEntires mit dem klassischen „The Sea & Cake“-Stil kombiniert. Dafür stehen vor allem die Songs “Too Strong“, „Crossing Line“, „Middle Night“, „Exact To Me“, „Lightning“ und “Left on’.
“The Sea & Cake’ schaffen es zweifelsohne, dieses von ihnen selbst in der Vergangenheit aufgeschlagene musikalische Kapitel gekonnt fortzuschreiben und in Form zu gießen.
Objektiv betrachtet ist „Everybody“ im anvisierten Kontext und unter Ausblendung der aktuellen Zeitrechnung ein schönes Album geworden, mit dessen Erscheinen man jedoch gerade nach der Veröffentlichung von „The Biz“ im Jahre 1995 mehr Aufsehen hätte erregen sowie eine beachtliche Duftmarke bezüglich des bis dahin geleisteten Schaffens setzen können. Was danach mit etwas mehr Mumm der Protagonisten möglich gewesen wäre, zeig(t)en zwischenzeitlich andere Musiker beziehungsweise regionale Cluster wie zum Beispiel „Von Südenfed“ (Mouse on Mars & Mark E. Smith), „Radiohead“, „Björk“, „Die Goldenen Zitronen“, „International Pony“, „Tocotronic“ und Weilheim.
Nevermind – „The C in Cake“ (Songtitel von „Gastr del Sol“ vom Album „Crookt, Crackt, Or Fly“, aus dem aufgrund eines Missverständnisses und dessen absichtlicher Interpretation der Bandname entstand) nimmt „The Sea & Cake sowieso schon lange keiner mehr. Aber etwas mehr Mut zu exotischeren Zutaten und Formen hätten dem (ohnehin immer noch vorhandenen) sehr guten Geschmack noch eine ganz besonders individuelle Note hinzufügen können! Looking forward…!!!
Alben:
The Sea and Cake (Thrill Jockey - 1994)
Nassau (Thrill Jockey - 1995)
The Biz (Thrill Jockey - 1995)
The Fawn (Thrill Jockey - 1997)
A Brief Historical Retrospective - Compilation (Thrill Jockey – 1997)
Oui (Thrill Jockey - 2000)
One Bedroom (Thrill Jockey - 2003)
Everybody (Thrill Jockey - 2007)
Links:
http://www.theseaandcake.com/
http://www.myspace.com/seaandcake
http://www.thrilljockey.com