Royston Blake ist Türsteher und „selbsternannter“ Geschäftsführer einer Kneipe in einem kleinen Ort im englischen Hinterland. In „Fags and Lager“ erzählt er uns seine Geschichte aus einer sehr intimen Sicht in der ersten Person. Wie in solchen Fällen häufig, weicht seine eigene Wahrnehmung von derjenigen des Lesers ab.
„Alright? Aye … Just a bit …“ I knew the word I meant but I couldn’t find it. Dis … summat. You knows the one where you don’t know north and south from your belly button, and you’re dizzy like you spent half-hour in a tumble dryer. Dis … .
“Disornamentated,” I says.
Nick looks at us funny and then nodded. Some folks is clever and some ain`t. If he didn’t understand long words, that were his fucking problem. I weren’t bringing meself down for him nor no other bastard.
Kein kalter herzloser Killer also, sondern ein fast liebenswerter, nichts desto trotz primitiver Schläger. Er ist ständig abgebrannt und nimmt deshalb gerne den Auftrag des Besitzers des lokalen Tante-Emma-Ladens an, der ihm „Fags and Lager“ verspricht, wenn er Nick „Wossname“ [Wie war der Name noch ?] , einem Auswärtigen, der mit dessen 14 jähriger Tochter rumzieht, eine Lektion erteilt.
Es kommt jedoch ganz anders als geplant und Roystons Leben bekommt einen Dreh in der verkehrte Richtung, als er nun seinerseits von einem jugendlichen Schläger vermöbelt wird und dieser dann im Weiteren auch noch seinen Job als Türsteher übernimmt.
Von da an geht es mit ihm rapide bergab, Tag für Tag zieren mehr frische Wunden seinen Körper. Er spiegelt damit den Ort, der abrutscht seitdem ein Auswärtiger auftauchte und anfingt Drogen zu vertickern. Plötzlich sind in Roystons Kneipe nicht mehr die früheren Stammkunden, die älteren Männer der Ortschaft, sondern aggressive Jugendliche anzutreffen. Und eben jene Jugendlichen sind es wohl auch, die durch den Ort ziehen und Bagatelleinbrüche bei alteingesessenen Bewohnern begehen.
Ab und an kann man lesen, dass der britische Kriminalroman auf den Hund gekommen sei, die alten klassischen Vertreter des gediegenen Romans seien in die Jahre gekommen und interessante neue Autoren nicht zu sehen. Nun ja, es mag sein, dass die klassisch britische Variante in die Jahre gekommen ist, frische Kräfte gibt es natürlich schon – z.B. die allgemein geschätzte Denise Mina – und wer wirklich eine heftige Dosis eigenständigen und eigenwilligen kreativen Schaffens von der Insel lesen will, ist bei Williams genau richtig.
„Fags and Lager“ wird den Freunden von Charlie Huston gefallen. Royston Blake wird vom gleichen unausweichlichem Strudel abwärts gezogen, dem sich auch Hank Thomson nicht entziehen kann. Vielleicht ist „Fags and Lager“ nicht ganz so überspannt, aber es scheint dafür näher dran zu sein an der sozialen Realität.
Voller proletarischer Philosophie, weiser Beobachtungen über ein Kultur, die vor die Hunde geht und mit intensiven Bildern ( „There’s a hole between his shoulders like a horse pissed for half-hour in the snow.“) ist „Fags and Lager“ einer der wenigen Krimis, deren Humor nicht eskapistische Sehnsüchte befriedigt, sondern der angemessenen Darstellung einer miserablen Welt dient.
Charlie Williams: Fags and Lager.
Serpent`s Tail 2006. 312 Seiten. 11,95 €
(noch keine deutsche Übersetzung)