„50.000 Watts of Power und die Möglichkeit Nein zu sagen, ohne sich umzubringen“ – Die seit 1992 als Shellac aktiven Vorzeige-Hobby-Noiserock-Minimalisten aus Chicago/Illinois mit Vorliebe für Vinyl und Verweigerung gegenüber den Mechanismen der Musikindustrie bitten zum „Heimwerker-Meisterkurs“ auf die Baustelle – so der primäre Eindruck, wenn man die Klänge eines Shellac-Albums vernimmt. Man wähnt sich gerade zu inmitten einer überaus fleißigen Ansammlung von Handwerkern und Baustellenarbeitern, die mit ihren Werkzeugen und Maschinen hantieren – sprich kräftig sägen, (pressluft)hämmern, klopfen, bohren, sich lautstark zurufen und wie entfesselt sonstigen (Grob)Arbeiten nachgehen. Das nach 7 Jahren Albumpause veröffentlichte Werk „Excellent Italian Greyhound“ – benannt nach dem Hund des Schlagzeugers – macht da wieder mal keine Ausnahme. Einziger Unterschied zu den vorherigen 3 Alben ist, dass deren – beim Vorgängeralbum etwas unentschlossen wirkende – rohe sowie zupackende Monotonie und Direktheit etwas mehr Raum lässt zugunsten eines vielfältigeren Sounds.
Das bereits bei „Prayer To God“ vom 2000-er Vorgängeralbum „1000 Hurts“ gebuchte Abo auf aggressiv-provozierende Auftaktsongs verlängern Shellac mit dem Opener „The End Of Radio“ genauso, wie sie der Vinylversion ihres aktuellen Albums wiederum die entsprechende CD-Albumversion als „Bonus“ beilegen. Hut ab vor Toningenieur-Legende und Gitarrist Steve Albini (u.a. an den Reglern für Pixies „Surfer Rosa“, Nirvanas „In Utero“, Breeders, PJ Harvey, Jesus Lizard, GBV, The Wedding Present, McLusky, Neurosis, Iggy & The Stooges sowie Ex-Mitglied von „Big Black“, „Rapeman“, „Just Ducky“), Bassist Bob Weston (ex-„Sorry“, „Volcano Suns“) und Schlagzeuger Todd Trainer (ex-„Rifle Sport“, „Brick Layer Cake“)! Wo findet sich sonst noch so eine ehrbare Einstellung in dem „…Graben aus fließender, verrotteter Sch… von Musikbusiness, den es zu durchschwimmen gilt, möchte man einen Plattenvertrag ergattern, der einen doch letztendlich fast am langen Arm verhungern lässt…“? So Albini in seinem Artikel →„The Problem With Music“ über beziehungsweise gegen die ausbeuterische Musikindustrie.
Da die Jungs von Shellac ihr Geld in erster Linie mit anderen Tätigkeiten verdienen, als mit ihrem selbst entworfenen Noiserock-Entwurf, lässt sie daher nicht in die Verlegenheit kommen, sich auf vorgenannte „Schwimmübungen“ einlassen zu müssen. Albini ist Betreiber und genauso wie Weston, Toningenieur des Studios „Electrical Audio“ – indem auch ihr aktuelles Album aufgenommen wurde – und Todd Trainer arbeitet hauptberuflich als Manager eines Versandhauses. Wohlwollen gegenüber den üblichen Mechanismen der kommerziellen Musikindustrie liegt ihnen daher genauso so fern, wie einem Meerestier der Aufenthalt in der Wüste und ihre Albumveröffentlichungen sowie legendären Konzerte sind so wenig vorhersehbar, wie die nächste Steuersenkung.
Shellac sind nicht gerade bekannt für aufwendige Arrangements ihrer Songs sowie klassischen Songaufbau à la Vers/Chorus/Vers. Analoge Aufnahmetechnik ohne Effekthascherei und sorgfältig, schon fast freakhaft-besessen ausgewähltes Equipment sowie Instrumentarium, mittels deren Hilfe ein demonstrativ-ökonomischer sowie roher, präziser Sound gespielt wird, sind ihr Ding, das von abgehackten Riffs und breakreichen Stop & Go-Manövern beherrscht wird. Instrumente und Stimme (eines jeden Bandmitglieds) erzeugen eine karge und oftmals repetitive, monotone, aggressiv-krachige Dynamik, die auch nicht vor vergleichsweise lyrisch-melancholischen, jazzig-verspielten und gesprochenen Intermezzi zurückschreckt. Die Gitarren sägen und kreischen, der mal knackige, verzerrte, drahtige Bass treibt und schnurrt, während das Schlagzeug gnadenlos drauflos hämmert.
Shellacs Argument aber ist gerade dieser eigensinnige, von Noise und Hardcore („The End Of Radio“, „Be Prepared“, „Elephant“), Jazz-Anklängen und Spoken Word-Performances („Genuine Lullabelle“), Math-Rock („Kittypants“, „Paco“), Noise und Punkrock („Steady As She Goes“, „Boycott“, „Spoke“) und – natürlich – von dem Schaffen ihrer Vorläuferbands selbst geprägte und stilbildende „Trademark“-Sound. Musikalische und sonstige anerkennende Referenzen erweisen sie höchstens mal den wenigen anderen Brüdern im Geiste wie – im Song „Elephant“ („…here comes the argument…“) – der (Dischord-)Band, die auch dafür bekannt ist, sich musikindustrietauglichen „Schwimmübungen“ fast konsequent zu verweigern: Fugazi (Album „The Argument“ – 2001).
Alben:
At Action Park (Touch & Go/Soulfood Music – 1994)
Terraform (Touch & Go/Soulfood Music – 1998)
1000 Hurts (Touch & Go/Soulfood Music – 2000)
Excellent Italian Greyhound (Touch & Go/Soulfood Music – 2007)
Links:
Shellac bei Touch & Go-Records
Myspace-Seite
Electrical Audio-Studios
Infos zu Albinis Bandprojekten – Action Park
Übersicht über Albinis Aufnahmeprojekte
Shellac: Excellent Italian Greyhound
Touch & Go/Soulfood Music
VÖ: 4.6.2007