Die Shetlandinseln sind eine nördlich von Schottland in der Nordsee gelegene Inselgruppe. Klima und Landschaft sind nicht extrem, aber recht rau. Ann Cleeves Buch „Raven Black“ spielt auf der Hauptinsel, am Rande der Hauptstadt Lerwick. Eine junge Frau, eine Schülerin noch, wird erdrosselt aufgefunden. Für die lokale Bevölkerung scheint auch der Schuldige ausgemacht: Magnus Tait. Schließlich stand er auch in Verdacht, vor elf Jahren die junge Catriona Bruce umgebracht zu haben. Die Polizei allerdings, die lokale wie die hinzugezogene vom schottischen Festland, will es sich so einfach nicht machen.
Magnus lebt im Elternhaus, hat immer dort gelebt, er selber ist um die 60, vor wenigen Jahren ist seine Mutter gestorben, nun muss er alleine zurecht kommen; was gar nicht so einfach ist, Magnus ist nämlich nicht besondern intelligent. Was nicht bedeutet, dass man ihn unterschätzen sollte. Sicher, wenn die Polizisten schnell auf ihn einreden, dann macht er schon ‚mal zu, aber eigentlich ist er ein guter Beobachter und ein gutmütiger Kerl.
Catherine Ross, das Opfer, ist erst vor einem Jahr auf die Insel gekommen, ihr Vater, ein Schulleiter, brauchte nach dem Krebstod seiner Frau eine Auszeit und ein ruhigeres Lebensumfeld. Catherine selber wird uns von ihrem Umfeld als zielstrebige, unbequeme und selbstbewusste Person vorgestellt.
Eine der Stärken des Buches ist gerade die atmosphärische Zeichnung der Personen und einer Region, von der man meinen könnte, dass sie ein wenig abgekoppelt sei von den modernen Strömungen. Nun, mag natürlich sein, aber die Jugendlichen, ihr Verhalten und ihre Interessen scheinen recht unauffällig und zeitgemäß daher zukommen. Ihr Verhalten in der Schule, ihre Rituale und Rangeleien scheinen nicht anders zu sein als in anderen Gegenden Britanniens.
Und dennoch: Es ist eine Gegend (wie so viele), die Außenseiter und Neulinge kritisch beäugt. Fest hält man noch innen zusammen und fordert ein gewisses Verhalten ein. Inmitten dieser Menschen platziert Cleeves nun Zugereiste, Eigenwillige und einen Detektive, der vom schottischen Festland zurückgekehrt ist, seine Schulzeit in Lerwick verbrachte und nicht nur mit seinem Namen, Jimmy Perez, sondern auch mit dem Aussehen auffällt, das immer noch den spanischen Vorfahren aus der Zeit der Armada erahnen lässt.
Dabei ist Perez gar nicht die dominierende Hauptperson des Buches. Cleeves erzählt multizentrisch, viele Entwicklungen des Buches laufen über andere Personen und werden aus deren Blickrichtungen erzählt. Es gelingt Cleeves nicht nur das Umfeld der Personen zu beleuchten und diese miteinander in Beziehung treten zu lassen, so dass ein schlüssiges Ganzen entsteht, sondern, wir sind ja auf einer kleinen Insel und somit in einem abgeschlossenen Raum, alles wirkt auf die Aufklärung zurück. Spannend, erzählerisch tief, dicht und kompakt, ist „Raven Black“ ein gutes Buch, eine willkommene Bereicherung der klassischen britischen Krimis und für diejenigen interessant, die sehen wollen, wieviel Spielraum im klassischen Rätselbüchermotiv steckt.
Ann Cleeves: Raven Black. MacMillan 2006. 375 Seiten. 15,99 € (Die Nacht der Raben. Rowohlt Tb 2007. Deutsch von Tanja Handels. 432 Seiten., 8.95 €)