Tana French: In the Woods

Schon wieder ein atemberaubender Erstling, der die Kritiker beeindruckt, und so kam denn die Nominierung für die Kategorie „Bestes erstes Buch eines amerikanischen Autors“ des Edgar nur deshalb überraschend, weil Frenchs einziger Beitrag zur Erfüllung US-amerikanischer Bürgerpflichten die Geburt in Vermont war.

„In the Woods“ wird gerne als Psychothriller verkauft, nicht ganz verkehrt das und doch viel zu beengend. Auf den ersten 400 der knapp 600 niemals langen Seiten liest sich das Buch wie eine Kreuzung von Whodunit und Ellroys „Black Dahlia“. Die Leiche eines Mädchens wird auf einen Altarstein in einer archäologischen Grabungsstätte gefunden. Das Opfer ist erschlagen und erstickt worden und in ihre Scheide ein Gegenstand eingeführt, wie um eine Vergewaltigung vorzutäuschen … .

Motive für die Tat gibt es so richtig nicht und doch reiht French um dieses Verbrechen mehrere mögliche Ursachen und entsprechende Nachforschungen. Der Vater des Mädchens ist Vorsitzender einer Bürgerinitiative, die den Bau einer Autobahn auf der Grabungsstätte verhindern will; viel Geld steht auf dem Spiel, gelegentlich erhält er Drohanrufe. Die Familie wirkt seltsam aus dem Lot, als wäre da etwas … ohne dass die Detektive die Finger drauf legen können. Und die Grabungsstätte selbst, archäologisches Kleinod, Sitz uralter heidnischer Stätten, von der Politik drangegeben, um die Autobahn genau an dieser Stelle zu errichten.

Saubere Polizeiarbeit wird da geleistet, so mancher Spur nachgelaufen, so mancher Arbeitstag investiert, jedoch ohne dass die Ermittlungen vorangehen.

Der kleine Ort, an dem das Verbrechen geschah, war schon ‚mal Tatort. Damals spielten im Wald, wie sie es häufiger taten, drei Kinder, 12 Jahre alt, zwei Jungen, ein Mädchen, seit kleinauf befreundet. Am Ende des Tages sind zwei spurlos verschwunden und der dritte steht an einem Baum, kratzt mit den Fingernägeln an der Rinde und steht mit den Füßen in seinen Schuhen, die voll sind mit Blut. Was geschehen war, weiß er nicht, wird es nie wieder wissen: Totaler Blackout. Adam Ryan hieß der Junge, jetzt ist er Rob Ryan und einer der Detektive, die mit der Aufklärung des Falles befasst sind.

Cassie ist seine Kollegin. Beide pflegen eine sehr enge und tiefe, eigentümlich asexuelle Freundschaft. Sie weiß um sein Geheimnis, das die Ermittlung begleitet, behindert, voranbringt.

Dieses Nebeneinander von persönlicher Beziehung der beiden und dieses tiefen unergründlichen Geheimnis, welches Rob umtreibt und ihn aus der Bahn zu werfen droht, verleiht dem Buch eine sehr intensive Atmosphäre.

Und dann am auf den letzten 200 Seiten, wenn der Fall auf die Aufklärung zuläuft, wirbelt French die Handlungsfäden noch einmal kräftig durcheinander und kreiert da einen emotionalen Hexenkessel mit einer ungewöhnlichen Auflösung.

Es ist ein wenig ein gewagtes Buch. Einfachere Geister hätten es zusammen gekürzt, hätte die Erzähllust gezügelt und das Ende konventioneller gestaltet. So aber es ist vielschichtig, bewegt sich stilistisch von einem Subgenre zum anderen und hat immer wieder üppige und gelungene Formulierungen.

„I never knew and never will whether either Cassie or I was a great detective, though I suspect not, but I know this: we made a team worthy of bard-songs and history books. This was our last and greatest dance together, danced in a tiny interview room with darkness outside and rain falling soft and relentless on the roof, for no audience but the doomed and the dead.“

Und auch dieses Buch wird im Sommer auf Deutsch erscheinen.

Tana French: In the Woods. 
Hodder & Stoughton 2007. 608 Seiten. 8,45 €
(Deutsch: Grabesgrün, Scherz Verlag 496 Seiten, 17,90 € (voraussichtlich 7/2008))

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