Die Hände des Pianisten traktieren die quänkelnde Orgel in einer Tanzcombo. Sie töten, im Nebenberuf, sieche und lästig gewordene Haustiere. Davon lebt man, wenn es zur großen Kunst nicht gereicht hat. Aber können diese Hände auch Menschen ermorden? Diese Frage beantwortet Eugenio Fuentes in seinem neuen Roman.
Nein, eigentlich nicht. Denn jener Pianist, der Tiere, die aus der Gnade ihrer Menschen gefallen sind, skrupellos entsorgt, wütet nicht innerhalb der eigenen Art. Dass wer Tiere auch Menschen umbringt, glaubt jedoch die Bauunternehmerin und macht ihm das Angebot, ihren Kompagnon aus dem Weg zu schaffen, in dem er ihr steht. Den Vorschuss nimmt der Pianist, er beschattet sein vorbestimmtes Opfer, er ist in die Nähe des Tatorts, als der Mord geschieht – doch ein anderer hat ihn begangen. Der Pianist sitzt in der Klemme und beauftragt Detektiv Ricardo Cupido, den wahren Täter ausfindig zu machen.
Ja doch. Am Ende kriegt er ihn. Ist das wichtig? Ein simpler Mord, dann noch einer. Viele haben ein Motiv, niemand hat ein lupenreines Alibi, es wird ermittelt und verdächtigt, gelogen und reingelegt. Am Ende, sagte ich schon, wissen wir, wer da warum gemordet hat. Aber kommen wir doch zum Wesentlichen.
Ganz langsam. Eher ländliches als städtisches Spanien. Die Bauern der Umgebung dürfen nicht mehr Bauern sein, sie müssen in die Kreisstadt, Bauern auf den Bau, und der Verlust ist größer als ein paar Buchstaben. Der Sinn des Daseins geht mit verloren. So wie beim Pianisten, der kein Pianist sein kann, weil es halt nicht reicht, so wie dem ersten Mordopfer, das wohl den eiskalten Arbeitgeber gibt, aber eigentlich auch etwas anderes sein möchte, so wie die Rivalin, die doch nur einen Mann und ein Kind bräuchte.
Um Leben, die man nicht führen will, geht es in Fuentes‘ Roman. Es gibt einen Ich-Erzähler, den titelgebenden Pianisten, doch der hält sich zurück und gerät immer weiter in den Hintergrund. Denn eigentlich erzählen sie alle: Cupido, der Detektiv, die Opfer und die Täter und die Verdächtigen. SIe erzählen, sie reden, sie denken so, wie ihr Schöpfer erzählt, redet, denkt. Da sinnieren Bauarbeiter philosophisch, Müßiggänger slalomen elegant durch Syntaxlabyrinthe – das muss man nicht mögen, denn das ist nicht die Wirklichkeit der Wirklichkeit. Es ist die Wirklichkeit einer wehmütigen Poesie, die über dem Buch liegt, das zufälligerweise ein Krimi ist, weil nur das Ungeheuerliche das Alltägliche zu transportieren vermag, das Scheitern am eigenen Leben im eigenen Leben.
Man kann „Die Hände des Pianisten“ als einen konventionellen Kriminalroman mit allen gängigen Zutaten lesen, das spielt den Aufwand locker ein. Man kann aber auch die dichte und so gar nicht von Hoffnung getränkte Atmosphäre des Buches auf sich wirken lassen, wenn Fuentes selbst die Welt reflektiert oder sein Personal dies für ihn tut. Ein Chor von Stimmen, der ein einziges Lied skandiert, das sich merkwürdigerweise von der Geschichte und der Wirklichkeit, in der sie angesiedelt ist, löst. Manchmal hat man Angst, jetzt könnte alles gleich ins Banale kippen, dieses melancholische Philosophieren und Spekulieren, aber meistens balanciert der Autor nur kurz vor dem Abgrund und fängt sich wieder, kehrt zur Story zurück, die Ricardo Cupido gemächlich vorantreibt, dem unvermeidlichen genremäßigen Ende zu. Kein Buch für die Liebhaber des handlungsschwangeren Thrillers. Für alle anderen schon.
Eugenio Fuentes: Die Hände des Pianisten. Ein Fall für Ricardo Cupido.
Goldmann 2005. 316 Seiten, 7,95 €