Es war eine sehr aufregende Zeit
1963 zog John Mayall von seiner Heimatstadt Macclesfield, England nach London. Im Gepäck eine immer noch relativ neue Idee: eine Bluesband zu gründen. Das war damals nicht gerade in Mode, aber Mayall’s Bluesbreakers, und die Gruppen, die seine Musiker danach gründeten, änderten das nachhaltig.
Eric Clapton spielte auf Mayall’s zweiten Album, „Bluesbreakers“ (1966) bevor er die Band verließ, um mit einem anderen ex-Bluesbreaker, Jack Bruce CREAM zu gründen. Peter Green ersetzte Clapton und spielte auf dem ‚Hard Road‘ Album bevor er, gemeinsam mit Drummer Mick Fleetwood und Bassist John McVie Mayall verließ, um Fleetwood Mac zu gründen. Mayall nahm danach mehrere gute Alben mit dem späteren Rolling Stone Mick Taylor auf. Das Problem ist, daß Mayall nie für etwas anderes Lob bekam, als dafür, diese drei Gitarristen entdeckt zu haben. Mayall seinerseits meint dazu: „In all den Büchern scheinen sie immer nur über Eric, Peter und Mick schreiben zu wollen. Über viele andere der großen Musiker mit denen ich zusammen gespielt habe spricht man kaum. Und es gibt leider nichts, was ich dagegen tun kann.“
Was John Mayall interessant macht, ist was er Anfang 1969, nach dem Ausstieg von Mick Taylor und der Auflösung der Bluesbreakers machte. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, die Boogie Rock Jams, die Cream und Fleetwood Mac bekannt gemacht hatten, endlos zu wiederholen. Stattdessen zog Mayall nach Kalifornien und schlug dort eine gänzlich andere musikalische Richtung ein. Er gründete eine Band mit dem akustischen Gitarristen Jon Mark, dem Flötisten und Saxofonisten Johnny Almond – und keinem Schlagzeuger. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit war das großartige Album „Turning Point“ (1969). Später versuchte er sich an einer „Jazz Blues Fusion“ mit einer größeren Band. Auf dem exzellenten Live Album „Movin‘ On“ (1972) spielte er dann mit insgesamt 10 Musikern, darunter zwei Bassisten. Für Mayall war es eine verrückte Zeit voller Veränderungen und Experimente, ähnlich der Phase, die Neil Young in den 80er Jahren durchlebte.
Das erste, worüber ich mit John Mayall spreche, ist meine Theorie, daß er damals auf der Suche nach seiner eigenen Identität war. John ist äußerst freundlich und gerne bereit, über seine Vergangenheit zu sprechen. Allerdings haut er meine Theorie sofort ungespitzt in den Boden:
„Zu dieser Zeit war ich mir meiner selbst sehr sicher. Aber so oft wie wir live spielten, immer auf Tour, dachte ich, daß ich die Möglichkeiten meines Spiels mit der Heavy Lead Guitar ausgeschöpft hatte. Ich wollte etwas anderes machen, da damals dieser (heavy) Stil von den ganzen britischen Bluesbands übernommen wurde. Da hatte ich die Idee mit dieser Besetzung ohne Schlagzeuger und mit ziemlich ungewöhnlicher Instrumentierung. Wir hatten nur acht Stücke in unserem Repertoire, davon finden sich sieben auf dem „Turning Point“ Album. Das ganze bewies mir eins: ich konnte eine Reihe seltsamer Instrumente nehmen, sie zusammenfügen und es funktionierte. Damit habe ich mein musikalisches Vokabular erweitert.
Danach verpflichtete ich (den Violinisten) Sugarcane Harris und (den ex-Canned Heat Gitarristen) Harvey Mandel, wieder ohne Schlagzeug (auf dem 1970er Album „USA Union“). Und das führte dann dazu, daß ich Jazzmusiker in meine Musik einband. Diese Reise durch die 70er Jahre erlaubte es mir, mit einer Reihe großartiger Musiker zu arbeiten, die Jazz und Blues vermischten, mit der Betonung auf dem Blues. Zur gleichen Zeit machte Cannonball Adderly ähnliches, aber von einem Jazz-Standpunkt aus, indem er etwas Blues zu seinem Jazz mixte. Das war eine sehr aufregende Zeit.“
Mayall sagt, daß er all diese stilistischen Veränderungen nicht geplant hatte, ihm der Umzug in die USA aber die Möglichkeiten eröffnete, mit einigen der Musiker zu spielen, die er schätzte.
„Das war das Tolle daran, in Amerika zu leben. Ich war in einer Position, in der ich Musiker um mich hatte, die ich bewunderte – (den Trompeter) Blue Mitchell und (den Gitarristen) Freddie Robinson zum Beispiel. With the jazz thing I just went along with flow of it because it kind of took care of itself.“
Auch in der zweiten Hälfte der 70er Jahre versuchte sich Mayall an neuen Ideen, aber diese Ideen waren nicht immer seine eigenen. Ein 75er Album („Notice to Appear“) wurde produziert von der New Orleans Legende Allen Toussaint.
„Das war eine merkwürdige Sache. Es war eine Phase, in der mein Management und meine Plattenfirma versuchten, die Entscheidungsgewalt zu übernehmen. Sie haben mich mit dieser Platte regelrecht überrollt. Sie schickten mich nach New Orleans um mit Allen Toussaint zu arbeiten. Ich bewunderte seine Arbeit zwar, aber es war nicht meine Art zu arbeiten. Ich bin es gewohnt, ins Studio zu gehen und loszulegen. Aber Allen wartet manchmal tagelang bis ihn eine Inspiration überkommt und in der Zwischenzeit machst du einfach garnichts. Schließlich wurde es ein sehr merkwürdiges Album, in erster Linie ein Allen Toussaint Album mit mir als Sänger.
Das „Bottom Line“ Album (1979) war ein weiteres Beispiel dafür, daß die Verantwortlichen die Kontrolle an sich rissen. Sie verpflichteten Bob Johnston (Bob Dylan Produzent), um all diese unterschiedlichen Studiomusiker zusammenzubringen. Und ich wurde beiseite geschoben. Aber das waren die beiden einzigen Male an die ich mich erinnern kann, wo sie mir die Kontrolle entreißen konnten.“
Irgendwann fand Mayall zurück zum Blues-Rock, zum vier-Musiker-Band-Format, dem er den Weg gebahnt hatte. 1982 machte er eine Bluesbreakers Reunion Tour durch die USA mit Mick Taylor, John McVie and Schlagzeuger Colin Allen. In den letzten 10 Jahren veröffentlichte Mayall Platten, die sich sehr am Mitt-60er Bluesbreakers Stil orientierten. Und er verlor nie seinen Blick für neue Talente. Coco Montoya, jetzt ein recht erfolgreicher Solokünstler, spielte auf mehreren Platten Ende der 80er/Anfang der 90er und Mayalls aktueller Gruppe gehört das Gitarren-Phänomen Buddy Whittington an.
‚Blues For The Lost Days‘ (Silvertone) heißt das Album, das Mayall und Mannschaft im April 97 veröffentlichten. Es beinhaltet eine Version von Freddie Kings ‚Sen-Say-Shun‘. „Es ist eine Tradition aus den frühen Bluesbreakers Tagen, immer ein Freddie King Instrumental im Programm zu haben. Eric hatte ‚Hideaway,‘ Peter ‚The Stumble‘ und Mick ‚Driving Sideways'“, sagt Mayall, und klingt dabei wie ein Vater, der stolz ist, daß sein jüngster Sohn in die Schuhe seines großen Bruders paßt. Die CD zeigt auch Johns Talent dafür, ungewöhnliche Themen in den Blues einzubringen. „Trenches“ ist eine Beschreibung des ersten Weltkriegs.
„Wenn ich ein Album zusammenstelle, denke ich an Themen, die mir eine Menge bedeuten. Ich mache mir keine Gedanken, ob das Thema passend oder unpassend für Bluesmusik ist. Denn bevor Du Musik machst, mußt du dir ein Thema aussuchen, und dann nimmst du dein Instrument und versuchst etwas zu spielen, das diese Stimmung einfängt und wenn du das geschafft hast, dann hast du die Basis des Stückes. Das Thema könnte also wirklich alles sein. Der 1. Weltkrieg – so weit ich weiß, gab es noch nie einen Blues speziell darüber und ich dachte mir, warum nicht? Es ist etwas, was mir viel bedeutet.“
John Mayall wird im Herbst des Jahres ausgiebig durch Europa touren. Mit seinen 63 Jahren ist er nicht überrascht, daß seine Karriere so lang andauert:
„Als ich mit den Bluesbreakers anfing, kam es mir nie in den Sinn, daß es eine Eintagsfliege sein könnte, denn du siehst dir die ganzen Blues- und Jazzmusiker an und es liegt in der Natur der Musik, daß sie einfach immer weiter machen, solange sie körperlich dazu in der Lage sind.“