Modest Mouse: The Moon & Antarctica

Eines ist gewiß: wenn dieses Jahr zu Ende geht, wird „The Moon & Antarctica“ zu den spannendsten Longplays der vergangenen 12 Monate gehören. Weil das vierte „Modest Mouse“-Album davon erzählt, wo die Rockmusik der Zukunft sich hinbewegen könnte. Noch sitzt das Seattle-Trio zwischen allen Stühlen. Zwischen der Folk-Seligkeit des Americana, zwischen der poetischen Tristesse des Grunge und der rohen Kraft der Noise-Fraktion. Mit „The Moon & Antartica“ erfinden die drei zwar nicht das Rad neu, aber ihre behutsamen Verschmelzungen und versteckten Fährten weisen den Weg voraus. Vor allem aber in Sachen Klarheit und Intensität setzen sie Maßstäbe, „Moon…“ ist von atemberaubender Dichte und geradezu beunruhigender Energie. ´Hypnotisch´ nennt man es, wenn Songs unter einem Übermaß an Atmosphäre trotzdem nicht zur formlos wabernden Masse mutieren. Und ´episch´, wenn ein Werk auch beim dritten Duchlauf noch immer Neues zu sagen hat. Ja, Modest Mouse malen Landschaften. In düsteren, aber frischen Farben.

Die machen zwar Freude, besonders denen, die die Rockmusik, schon am Abgrund wähnten. Doch man muß sie auch aushalten können. Vieles auf „Moon…“ kracht mit apokalyptischer Wucht aus den Boxen, Schmerz, Angst, Wut und Kälte sind wie in Bernstein gegossen, kaum gemildert durch ohrenfällige Arrangements oder Harmonie-Vocals (die grundsätzlich unisono gemurmelt oder gebrüllt sind…). Nicht einmal wirkliche Melodien finden sich – allenfalls gebetsmühlenartig wiederholte, stufenweise abfallende Linien oder langgezogene, hymnische Bögen. Die hohe Tonlage macht die Ähnlichkeit mit Built to Spill unüberhörbar, an anderer Stelle – nur um die wenigen Parallelen zu Kollegen gleich abzuhandeln – haben die Pixies mit Surf-Gitarren und Pop-Geheul Spuren hinterlassen.

Trotzdem gehen Modest Mouse ihren eigenen Weg. Ihre aggressive Monotonie verstecken sie geschickt hinter ausgefeilten, melodramatischen Songverläufen. Streicher, Loops und zartes Fingerpicking bilden kleine Oasen der Ruhe, der Grundton ist sehnsüchtig, die Gangart meist Midtempo. Ein kurzer Banjo-Auftritt, ein perlendes Slide-Guitar-Intro – Modest Mouse kennen ihre Wurzeln – und bevorzugen dennoch die Reduktion, schrammen zeitweise mit fast abstrakter Einfachheit dicht am Post Rock vorbei. Allerdings hindert dieser Purismus die drei nicht an üppigen Ausgestaltungen ihrer Songs, die mit sonderlichen Percussions (Schlittenschellen, Kuhglocken), sparsamer Elektronik, Hall-Effekten und Verzerrern gespickt sind. An der Gitarre zieht Isaac Brook (auch MM-Sänger) alle Register, von lässigem Geschrammel bis hin zu hartem Rock, unterstützt von Bassist Eric Judy und Drummer Jeremiah Green. Als I-Tüpfelchen wurde hinter den Reglern ein auffallend räumlicher Sound ausgetüftelt, der die schlichte Schönheit des Album kongenial unterstützt. Modest Mouse rollen den Stein wieder ein Stückchen höher. „The Moon & Antarctica“ ist ein in seiner Ernsthaftigkeit hartes, ergreifendes Album geworden, das in seiner verknappten Melodik und seiner percussiven Saitenarbeit Vergangenheit und Zukunft zusammenführt.

Modest Mouse: The Moon & Antarctica
(Matador/Zomba)

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