Interview: Brixx

Kleine Ungarin, ganz groß

„Ich bin ein positiver und spiritueller Mensch. Das möchte ich mittels Musik vermitteln. Ich bin kein Schwarzseher und versuche, die Situationen, die mir gestellt werden, zu meistern, und nicht alles zu hinterfragen. Manche Dinge passieren einfach aus einem bestimmten Grund“, so erklärt Brixx kurz und knapp den Titels ihres eindrucksvollen Debüts „Everything Happens For A Reason“.

Brixx, das ist eine junge Rapperin aus Ungarn Anfang 20, die es erst nach Kassel verschlug und die jetzt in Köln lebt. Nach zwei Projekten mit ihrer Schwester konzentriert sie sich nunmehr auf ihre Solokarriere. Die kann sich bereits sehen lassen. Nach Gastspielen bei der Jazzkantine und der Wuppertaler Crew Walkin‘ Large („Boy Meets World“, „Let Me Introduce“) kamen Tracks mit Bootsy Collins („Off Da Hook“ auf dessen Album „Fresh Outta ‚P‘ University“), Roey Marquis („The Rain“) und MCM („Who I Am“) zustande. Das allerdings ist keineswegs das Ende der Fahnenstange.

DREAMING
Ich erwische Brixx alias Ildiko Basa via Telefon als sie gerade in der Küche steht und sich am frühem Vormittag einen Tee zubereitet. Noch bevor ich meinen Fragenkatalog abrufen kann, erzählt sie mir von Alpträumen, die sie und ihren Bekanntenkreis derzeit verfolgen.

„Ich habe mich gestern mit Leuten über das Jahr 2000 unterhalten, und dabei haben wir festgestellt, daß alle seltsame Alpträume haben. Meist geht es um den Weltuntergang, obwohl ich überhaupt nicht daran glaube. Ich habe geträumt, mir fallen alle Zähne aus. Meine Mutter beschäftigt sich mit Traumdeutung und dem Legen von Karten. Sie sagt, das alles sei eine Metapher des Todes. Eine Freundin hat dann erzählt, sie sei in eine Atombombe gefallen und ein Laser hätte sie ständig verfolgt. Ein anderer Freund stand auf dem Dach und schaute in den Himmel als sich plötzlich alle Sterne auf einen Punkt zu bewegten und daraufhin verschwanden. Daß wir alle gleichzeitig so etwas Komisches träumen ist irgendwie beunruhigend“.

KASSEL
Alles andere als ein Alptraum ist die Karriere von Brixx, die vor vielen Jahren in Kassel begann.

„Als ich 15 war gab es diesen amerikanischen Club, der ‚Schuld‘ daran hat, daß ich zur Musik gekommen bin. Erstens war Kassel voll von Amis; zweitens lief in dem Club ausschließlich typische Ami-Musik – vor allem aber HipHop. Das erste mal stahl ich mich in den Laden und war sofort begeistert und fasziniert von der Atmosphäre und dem besonderen Flair dieser Musik“.

Diese für sie ungewohnte und neue Umgebung ließ sie nicht mehr los. So fing sie an, erste Lieder nachzurappen und in besagtem Club auf der Bühne mit abgehacktem Englisch erste Erfahrungen zu sammeln. Dann kam „Dick Better Have My Money“.

„Das war mit der erste Track, den ich umgeschrieben habe (im Original heißt der Song „Bitch Better Have My Money“ und ist von AMG – der Verf.) und den man mir vom Englischen ins Deutsche übersetzt hatte. Da ich noch jung war mußte mir den der amerikanische Freund meiner Schwester übersetzen. Mit Schulenglisch bin ich da nicht weit gekommen. Für mich war das super heftig was in dem Text stand. Darauf mußte ich gleich ein Contra schreiben. Mit dem Beat von AMG und meinem Text sind wir dann zum ersten Rap-Contest gegangen“.

Kurz darauf entstand ihre erste Band: Ain’t No Joke. Während Brixx rappte tanzten ihre Schwester, deren Freundin und ein gerade einmal acht Jahre alter Junge zu den Beats. Die zweite Tänzerin stieg jedoch aus und aus Ain’t No Joke wurde Tibro. T wie Timea, der Name ihrer Schwester, I wie Ildiko und BRO für den kleinen Brother, der immer dabei war. Und Tibro von hinten gelesen ergibt Orbit. Schlau, nicht?

„Das war halt so unser Denken: kein Anfang, kein Ende. Wir wollten als Unity Musik machen“.

Doch leider zerbrach auch diese Unity irgendwann. Brixx mußte sich nämlich entscheiden, da Tibro nicht den gewünschten Erfolg brachte und sie lieber eine professionelle Laufbahn einschlagen wollte. So kam sie zu dem Deal mit ‚Columbia‘, während ihre Schwester mittlerweile mit der Produktionsfirma der Spezialists arbeitet.

ENGLISH – THE WORLD’S LANGUAGE (PART 1)

Eins ist wie bereits oben erwähnt klar: HipHop-Texte sind mit reinem Schulenglisch schwer zu verstehen. Da tummeln sich viele Slangwörter und dem HipHop eigene Wortkreationen, die in Wörterbüchern kaum zu finden sind. Inwiefern unterschieden sich die Texte von Brixx von denen anderer HipHop-Acts?

„Ich glaube, anders kann ich die nicht machen. Wenn ein Künstler versucht, sich anzupassen (also in diesem Fall dem Schulenglisch – der Verf.), verliert er seine eigene Kunst. Das würde ich nicht wollen. Insofern werde ich meine Texte nicht so schreiben, damit sie jeder versteht. Ich war früher wißbegierig und wollte die Texte verstehen. Also schlug ich alle Wörter nach. Ich erwarte natürlich nicht von den Leuten, daß sie jedes Wort verstehen das ich singe. Das gleiche gilt für die amerikanischen HipHop-Sachen. Die verstehen wir auch nicht alle. Aber darauf kommt es nicht an, schließlich ist HipHop eine Gefühlssache. Natürlich ist es geiler, wenn man alles versteht“.

Das jedoch sollte Eigeninteresse der Hörer sein. Von ihrer Seite her gab es jedenfalls nie die Überlegung, deutsche Texte den englischen vorzuziehen. Sie wuchs eben in einer „american community“ auf, und daher stellte sich diese Frage nicht. Von deutschem HipHop war seinerzeit eh nicht viel zu erwarten.

„Ich hätte zwar mal Lust, einen deutschen Text zu rappen, aber das Englische liegt mir einfach besser. Damit kann ich mehr identifizieren“.

BRIXX ENTERS NEW YORK’S SCENE

Im Verlauf ihrer Karriere hat Brixx bereits einiges erreicht. So zum Beispiel durfte sie für die Produktion der ersten drei Tracks nach New York fliegen.

„Ich bin ohne Erwartungen in die Staaten gegangen. Natürlich hat dort niemand auf mich gewartet. Ich war sehr negativ eingestellt und hätte nicht gedacht, daß es so gut läuft und mir so viel Respekt gezollt würde. Ich wurde überhäuft mit Beats und Remixes. Ich wußte gar nicht mehr, wo hinten und wo vorne war. Mos Def nahm mich mal auf ein Blackstarr-Konzert mit, und selbst da sprach mich einer darauf an, ob ich nicht Brixx sei. Das war der Hammer“.

… und hat die sympathische Frau darin bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein. Große Ehre wurde ihr zuteil, als die Presse sie nach der Veröffentlichung ihrer ersten Single („What Is It!?“ mit Mos Def) mit Missy Elliott verglich.

„Ich liebe Missy und finde ihr Zeugs geil. Aber ich rappe ganz anders. Unsere Styles sind total verschieden. Trotzdem ist es eine Ehre, mit ihr in einem Atemzug genannt zu werden“.

Zurück zu den guten Kontakten zur US-HipHop-Community.

„Viele die das hören, verstehen das gar nicht und schieben es auf die Plattenfirma. Sie behaupten, es wäre eine bezahlte Sache. Aber: All die, die auf meinem Album zu hören sind, haben mit ‚Columbia‘ nichts am Hut. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in New York, um dort die Tracks ‚What Is It!?‘, ‚Most Def‘ und ‚Poor Without Love‘ zu produzieren. In der Zeit machte ich so viele Connections wie nicht in einem Jahr in Deutschland. Das Studio war direkt unter dem Büro von ‚Rawkus‘, nebenan nahmen Pharcyde und Helta Skelta auf. Die bekamen natürlich alle mit, daß da eine Rapperin aus Europa zu Gange war und wollten sich das mal genauer ansehen. So kamen unweigerlich die Kontakte zustande. Es hat wohl auch damit zu tun, daß J. Period zusagte, einige Songs zu produzieren“.

Das öffnete ein paar wichtige und verheißungsvolle Türen und lockte auch die JazzyFatNastees und Bahamadia an.

„Von da an gab es ausschließlich positive Vibes. Eins kam aufs andere. Die Leute brachten ihre Ideen vorbei, und ich brauchte mich nur noch zu entscheiden, welche ich nehmen wollte. Baby Paul (u.a. Blood Moon, Money Love) war besonders nett. Er fragte mich anfangs, mit welchen Leuten ich denn gerne arbeiten möchte. Darauf sah ich ihn völlig verstört an. Ich fragte mich eher, wer mit MIR arbeiten möchte“.

Von all den Connections und Coops lag der Wahl-Kölnerin eine ganz besonders am Herzen.

„Es war mein absoluter Traum, mit Bahamadia zu arbeiten. Ich liebe alles, an dem sie mitgewirkt hat. Sie hat sich nie in Szene gesetzt, sich nie nach vorne gedrängelt und hat lediglich auf ihren Style konzentriert. Sie ist einfach sie selbst geblieben. Derzeit kümmert sich um ihre Radiostation. Diese Frau ist unfaßbar. So wie ich sie und ihre Art kennengelernt habe, das hat mich voll bestätigt in meiner Bewunderung für sie“.

Auf den Neid der anderen gibt Brixx wenig.

„Ich habe das Gefühl, es in dieser Männerdomäne etwas schwerer zu haben. Im Endeffekt machen wir doch alle das gleiche. Gemeinsam sind wir groß. Komischerweise war drüben die Anerkennung größer. Aber frag mich nicht warum“.

ENGLISH – THE WORLD’S LANGUAGE (PART 2)

Lob wurde der gesamten deutschen HipHop-Gemeinde auch zuteil. Guru gestand Brixx folgendes: „HipHop in Deutschland ist klasse und noch so ungeschliffen. Die Leute gehen noch ab, machen Breakdance und fühlen diese Musik. Doch leider verstehen ich nicht, was die sagen.“ Und Brixx ergänzt:

„Das ist einfach eine Barriere dazwischen. Wenn die alle verstehen könnten, worüber Eins, Zwo, Afrob und die Massiven Töne rappen, wäre das ganz anders. Dann wäre der Zusammenhalt zwischen Deutschland und Übersee viel größer“.

LOVE AND PEACE

Ihre eigenen Songs entstehen meist aus der Situation heraus, so zum Beispiel auch „Poor Without Love“, das sie geschrieben hat und die JazzyFatNastees nachgesungen haben..

„Den Song schrieb ich als ich aus ‚Titanic‘ kam. Die Kombination von Film und Musik fand ich geil. Das ist mir eh immer wichtig. Das hat gepaßt, was nicht heißt, daß ich mir Zuhause den Soundtrack anhöre. Die Leute sollen endlich erkennen, daß Liebe das wichtigste auf der Welt ist. Egal wie viele Religionen es gibt, jeder sollte zwischen gut und böse unterscheiden können. Das war meine Inspiration“.

HIPHOP MEETS HUNGARY

Wie ist es eigentlich um den ungarischem HipHop bestellt?

„Ein Track auf Ungarisch ist geplant, doch bis zur Umsetzung dauert es noch. Das wird wieder wie meine allererste Rap-Erfahrung. Ich muß mich da erst einarbeiten und die richtige Idee haben. Einige ungarische Acts kennen ich schon, die richtig tight sind. Mein Ungarisch ist mittlerweile aber schlechter als mein Englisch. Die erste Woche in Ungarn ist immer hart“.

Eine Anekdote, als sie das letzte Mal in Ungarn verweilte, hat sie auch parat.

„Mein Onkel hatte mal für den Chef von RTL-Ungarn Fliesen verlegt. Der rief zufällig an und erzählte, er sei gerade auf einer Roadshow, wo ausschließlich ungarische Gruppen auftreten und eine Band sei ausgefallen. Da brachte mein Onkel mich ins Gespräch und fragte, ob ich nicht einspringen könnte. So kam es zu meinem ersten Gastspiel in Ungarn. Ich rappte auf Englisch und sagte die Songs auf Ungarisch an. Die Leute waren platt“.

Platt sind leider nicht alle meine Kollegen der schreibenden Zunft nach dem Hörgenuß von „Everything Happens For A Reason“, weshalb das Debüt von Brixx in so manch professionellem Magazin untergegangen ist. Schade eigentlich. Von meiner Seite aus kann ich nur eines sagen: Anhören ist Pflicht!

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